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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Im Widerstand gegen Hitler

Die Gedenk­stät­te des Tivo­li in Gotha hat eine lan­ge Geschich­te. Sie ist vor allem mit der Ent­ste­hung der SPD ver­bun­den. 1865 hielt August Bebel hier eine bedeut­sa­me Rede vor Arbei­tern, 1875 ent­stand aus dem All­ge­mei­nen Deut­schen Arbei­ter­ver­ein ADAV (Lass­al­lea­ner) und der Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Arbei­ter­par­tei SDAP (Eisen­acher) die Sozia­li­sti­sche Arbei­ter­par­tei Deutsch­lands SAP, die seit 1890 den Namen SPD trägt. So wun­dert es nicht, dass der histo­ri­sche Ort nach 1990 unter ande­rem auch von Wil­ly Brandt und Egon Bahr besucht wur­de. Letz­te­rem wur­de hier ein Preis ver­lie­hen, den auch ande­re bedeut­sa­me Per­sön­lich­kei­ten in den zurück­lie­gen­den Jah­ren erhiel­ten. Die Gedenk­stät­te führt regel­mä­ßig inter­es­san­te Ver­an­stal­tun­gen zur Zeit­ge­schich­te durch und lädt sich nam­haf­te Refe­ren­ten und Autoren dazu ein.

Erst vor kur­zem wur­de dort Wolf­gang Benz begrüßt, der über den Wider­stand gegen Hit­ler refe­rier­te und dazu bei­spiel­haft meh­re­re Schick­sa­le vor­stell­te, so auch das des Ehe­paars Alfred und Lina Haag. Lina Haag führ­te einen inten­si­ven Kampf, um zu errei­chen, dass ihr Ehe­mann, der als KPD-Abge­ord­ne­ter im Stutt­gar­ter Land­tag saß, aus dem KZ Maut­hau­sen ent­las­sen wur­de, wohin er auf­grund einer Intri­ge durch die Nazis ver­bracht wor­den war. Dabei schaff­te sie es, bis zu Hein­rich Himm­ler vor­zu­drin­gen und ihm ihr Anlie­gen per­sön­lich vor­zu­tra­gen. Auf die­se Wei­se erreich­te sie ihr Ziel. Auch wenn Himm­ler nicht das gering­ste Ver­ständ­nis für die kom­mu­ni­sti­sche Über­zeu­gung des Ehe­paars hat­te, so dul­de­te er doch kei­ne Intri­gen von ihm Unter­ge­be­nen. Nach der Zer­schla­gung des Faschis­mus ver­öf­fent­lich­te Lina Haag die Geschich­te in dem Buch »Eine Hand voll Staub«. Als ich es vor etwa 40 Jah­ren las, beweg­te mich sein Inhalt sehr.

Auch über die Rote Kapel­le wuss­te der bis 2010 an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Ber­lin leh­ren­de Pro­fes­sor Wolf­gang Benz Inter­es­san­tes zu berich­ten. So rief er die Geschich­te Georg Elsers, der als ein­zel­ner ein Atten­tat auf Hit­ler 1939 unter­nahm, wel­ches nur schei­ter­te, weil Hit­ler den Ereig­nis­ort Bür­ger­bräu­kel­ler in Mün­chen knapp eine Vier­tel­stun­de frü­her als vor­ge­se­hen ver­las­sen hat­te, noch ein­mal in Erin­ne­rung. In der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on ging es auch um vie­le Alt­na­zis, die nach 1945 in der Bun­des­re­pu­blik wie­der Fuß fas­sen konn­ten und bis in höch­ste Ämter auf­stie­gen. Irgend­wann fiel der Name Hans Maria Glob­ke, Ade­nau­ers Staats­se­kre­tär. Wolf­gang Benz kenn­zeich­ne­te ihn als einen bie­de­ren Ver­wal­tungs­be­am­ten, der unter jedem Regime bereit war, sich ein­zu­brin­gen und das zu tun, was von ihm ver­langt wur­de, gege­be­nen­falls noch ein biss­chen mehr. Als ech­ten Täter wäh­rend der Nazi­zeit sieht er ihn wohl nicht. Ich war­te­te, ob er zumin­dest auf den von Glob­ke zusam­men mit Stuck­art ver­fass­ten juri­sti­schen Kom­men­tar zu den Nürn­ber­ger Ras­se­ge­set­zen oder sei­ne Ver­ur­tei­lung zu lebens­lan­gem Zucht­haus durch das Ober­ste Gericht der DDR im Jahr 1963 zu spre­chen kom­men wür­de. Als das nicht der Fall war, erhob ich die­sen Ein­wand, auch um deut­lich zu machen, dass aus mei­ner Sicht Glob­ke viel stär­ker als gei­sti­ger Unter­stüt­zer des Nazi­re­gimes ein­zu­ord­nen ist. Benz ant­wor­te­te mir sofort, dass er mit einem Juri­sten nicht dar­über strei­ten wol­le, wel­chen Wert ein juri­sti­scher Kom­men­tar in einer Dik­ta­tur wie dem Nazi­re­gime hat­te. Der Ein­wand ist nicht unbe­rech­tigt. Den­noch muss­te ich erwi­dern, dass wir uns sicher­lich dar­über einig sei­en, dass die Faschi­sten kei­nem ein­zi­gen jüdi­schen Mit­bür­ger weni­ger ein Haar gekrümmt hät­ten, wenn es den Kom­men­tar von Glob­ke nicht gege­ben hät­te. Glob­ke aber hat aus mei­ner Sicht durch den Kom­men­tar dem men­schen­un­wür­di­gen und letzt­lich mör­de­ri­schen Vor­ge­hen der Nazis, das für die Opfer oft in den Gas­kam­mern von Ausch­witz ende­te, einen juri­sti­schen Deck­man­tel gege­ben, den Anschein von Recht­mä­ßig­keit, den Anti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus und Mord nie­mals haben kön­nen. Dar­in waren wir uns sofort einig.

Die Dis­kus­si­on der Anwe­sen­den mit Wolf­gang Benz berei­cher­te sei­nen ohne­hin gelun­ge­nen Vor­trag. Mei­ne Neu­gier, die durch einen ande­ren Vor­trag von ihm zur Tei­lung Deutsch­lands zwei Jah­re vor­her geweckt wor­den war, erwies sich als begrün­det. Bereits damals über­zeug­te Benz durch The­sen, die auch mei­ner Über­zeu­gung ent­spra­chen und wider­sprach damit man­chem sei­ner Kol­le­gen. In Gotha hob Benz mehr­fach her­vor, dass es zuerst deut­sche Kom­mu­ni­sten waren, die den Kampf gegen den Faschis­mus früh­zei­tig und mit gro­ßen Opfern führ­ten. Alles in allem ein gelun­ge­ner Abend mit einem Mann, der seit 1985 die Dach­au­er Hef­te her­aus­gibt und Trä­ger des Geschwi­ster-Scholl-Prei­ses ist.