Beelitz im Südwesten von Berlin ist ein hübsches Ackerbürgerstädtchen im Brandenburgischen und über tausend Jahre alt. Eigentlich noch älter, denn vor den Slawen siedelten bereits in der Jungsteinzeit Vorfahren von uns am Ufer der Nieplitz. Im Mittelalter war Beelitz einige Jahrhunderte lang Wallfahrtsort, weil eine »Wunderblutlegende« kursierte: Eine Hostie war angeblich von Juden »gemartert und geschändet« worden und hatte dadurch, dass sie überdauerte, besondere Kraft erlangt, wovon Kranke aller Fürsten-Länder zu profitieren hofften. Diese Überlieferung aus dem 13. Jahrhundert galt als Hinweis auf die ersten Brandenburger Juden, was aber bis heute nicht bewiesen ist.
Bewiesen hingegen ist: Beelitz ist auch heute wieder Wallfahrtsort, nämlich wenn im Frühjahr der Spargel sprießt. Dem »Spargelpionier« Carl Friedrich Wilhelm Herrmann, einem hiesigen Glasermeister, hat die Stadt inzwischen ein Denkmal gesetzt und ein Museum gewidmet: Er baute vor anderthalb Jahrhunderten den ersten Spargel hier an und begründete einen im Berliner Umland wichtigen Wirtschaftszweig. Heute gibt es Dutzende Betriebe in der Region, die das Edelgemüse auf etwa fünftausend Hektar stechen und auf Höfen, an Straßenständen und eigenen Restaurants vermarkten. Die inzwischen EU-geschützte Marke wächst auf fast einem Viertel der gesamten Spargelanbaufläche Deutschlands.
In diesem Jahr nun erfährt die Spargelstadt Beelitz noch mehr Aufmerksamkeit: Es lockt seit Ostern die Landesgartenschau. Wenn man die Zahlen der ersten Wochen prolongiert, scheint es sehr wahrscheinlich, dass die Zielvorgabe von 450.000 Besuchern an den zweihundert Öffnungstagen erreicht werden wird. An jenem sonnigen Sonntag, an dem wir auf dem fünfzehn Hektar großen Areal unterwegs waren, erfuhr die Statistik jedenfalls einen beachtlichen Zuwachs.
Veranstalter und unsereiner als Besucher verfügen über eine gesunde Routine, es ist schließlich bereits die siebte LAGA in Brandenburg. Und diese hier, zwischen der Nieplitz und dem Altstadtrand angelegt, ist wenig spektakulär. Man bekommt geboten, was auch sonst gezeigt wurde: schön gestaltete Blumenflächen und Mustergärten, Kunst im Gelände und auf verschiedenen Bühnen, Kinderspielplätze und Beköstigungsstellen, ein bisschen Historie und Beratung für Grabanlagen …
Aber, und darum auch diese Bemerkung, eben jene unprätentiöse Schlichtheit macht den Reiz dieser Anlage aus. Nichts Spektakuläres, Überdrehtes, keine dramaturgische Inszenierung oder gar Installation affektiver Höhepunkte. Das Höchste, auch im geografischen Sinne, ist die einstige Kläranlage, schon zu DDR-Zeiten stillgelegt, die von einem Wasserspiel gekrönt wird. Natur und Landschaft sind die Glanzstücke, sonst nichts. Die Abwesenheit von technischem Firlefanz ist sehr angenehm und die unauffällig angebotene Elektronik hilfreich. Man hält sein Handy an einen QR-Code und erfährt von einer Frauenstimme, während man über die Mühlenpromenade promeniert, die Archegärten durchschreitet oder auf der Liegewiese die Nase in die Sonne reckt, was es zum betreffenden Ort zu sagen gibt. Etwa dass hier auf dieser grünen Wiese die Frauen einst ihre Wäsche bleichten, was aber vermutlich nicht der Ursprung des Städtenamens war – Beelitz kommt vom Slawischen bely, was bekanntlich weiß heißt. Man hört, dass in den feuchten Niederungen einst der Sumpfporst schneeweiß blühte. Und dann erfährt man noch, dass die Nieplitz ebenfalls slawischen Ursprungs ist, das Flüsschen hieß umschrieben »das Nichtschiffbare«. Das Wasser ist breiter als ein Bach, grün drinnen wie an den Ufern, eingebettet in eine flache Landschaft wie einst. So sind denn Frösche aus Blech, Keramik oder Plastik in großer Zahl überall auf dem Gelände anzutreffen. Und das zweite Markenzeichen der LAGA ist, natürlich, der Spargel. Als weiße baumhohe Stangen auf den weitläufigen Spielplätzen, als Blumengebinde in der Altstadtkirche inmitten der Hortensien-Büsche oder in den Körben der zumeist älteren Damen, die in den Trachten der Region übers Gelände flanieren. Und natürlich auf den Tellern, die man sich selber füllen darf – bezahlt wird nach Gewicht.
Alles nichts Besonderes, aber die Zuständigen haben aus 22 Millionen Euro und einer unspektakulären Gegend Erstaunliches gezaubert. Und wenn man es auch noch vermocht hätte, den zahlreichen Kunstwerken im Gelände die Namen ihrer Schöpfer erkennbar hinzuzufügen, wäre das Glück vollkommen. Jene zwei Dutzend Künstler, die in wechselnden Ausstellungen in der Mühlenremise sehr angenehm präsentiert werden, sind nicht gemeint. Der Kunstbeauftragte José Nuevo aus dem Beelitzer Ortsteil Salzbrunn, ein gebürtiger Spanier, hat viele regionale Künstler platzieren können. Aber er hätte den Schöpfern der unzähligen rostbraunen Figuren – die fünfzig Jahre und damit die Landesgartenschau überdauern werden – durchaus einen Namen geben dürfen. So erfährt man leider nur: »Die Figuren stammen genau wie mehrere Steinstatuen auf dem LAGA-Gelände von der Firma Gartentraum aus Jena.« Ging’s nicht ein wenig genauer?