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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Hübschhübsch

Beelitz im Süd­we­sten von Ber­lin ist ein hüb­sches Acker­bür­ger­städt­chen im Bran­den­bur­gi­schen und über tau­send Jah­re alt. Eigent­lich noch älter, denn vor den Sla­wen sie­del­ten bereits in der Jung­stein­zeit Vor­fah­ren von uns am Ufer der Nie­plitz. Im Mit­tel­al­ter war Beelitz eini­ge Jahr­hun­der­te lang Wall­fahrts­ort, weil eine »Wun­der­blut­le­gen­de« kur­sier­te: Eine Hostie war angeb­lich von Juden »gemar­tert und geschän­det« wor­den und hat­te dadurch, dass sie über­dau­er­te, beson­de­re Kraft erlangt, wovon Kran­ke aller Für­sten-Län­der zu pro­fi­tie­ren hoff­ten. Die­se Über­lie­fe­rung aus dem 13. Jahr­hun­dert galt als Hin­weis auf die ersten Bran­den­bur­ger Juden, was aber bis heu­te nicht bewie­sen ist.

Bewie­sen hin­ge­gen ist: Beelitz ist auch heu­te wie­der Wall­fahrts­ort, näm­lich wenn im Früh­jahr der Spar­gel sprießt. Dem »Spar­gel­pio­nier« Carl Fried­rich Wil­helm Herr­mann, einem hie­si­gen Gla­ser­mei­ster, hat die Stadt inzwi­schen ein Denk­mal gesetzt und ein Muse­um gewid­met: Er bau­te vor andert­halb Jahr­hun­der­ten den ersten Spar­gel hier an und begrün­de­te einen im Ber­li­ner Umland wich­ti­gen Wirt­schafts­zweig. Heu­te gibt es Dut­zen­de Betrie­be in der Regi­on, die das Edel­ge­mü­se auf etwa fünf­tau­send Hekt­ar ste­chen und auf Höfen, an Stra­ßen­stän­den und eige­nen Restau­rants ver­mark­ten. Die inzwi­schen EU-geschütz­te Mar­ke wächst auf fast einem Vier­tel der gesam­ten Spar­gel­an­bau­flä­che Deutschlands.

In die­sem Jahr nun erfährt die Spar­gel­stadt Beelitz noch mehr Auf­merk­sam­keit: Es lockt seit Ostern die Lan­des­gar­ten­schau. Wenn man die Zah­len der ersten Wochen pro­lon­giert, scheint es sehr wahr­schein­lich, dass die Ziel­vor­ga­be von 450.000 Besu­chern an den zwei­hun­dert Öff­nungs­ta­gen erreicht wer­den wird. An jenem son­ni­gen Sonn­tag, an dem wir auf dem fünf­zehn Hekt­ar gro­ßen Are­al unter­wegs waren, erfuhr die Sta­ti­stik jeden­falls einen beacht­li­chen Zuwachs.

Ver­an­stal­ter und unser­ei­ner als Besu­cher ver­fü­gen über eine gesun­de Rou­ti­ne, es ist schließ­lich bereits die sieb­te LAGA in Bran­den­burg. Und die­se hier, zwi­schen der Nie­plitz und dem Alt­stadt­rand ange­legt, ist wenig spek­ta­ku­lär. Man bekommt gebo­ten, was auch sonst gezeigt wur­de: schön gestal­te­te Blu­men­flä­chen und Muster­gär­ten, Kunst im Gelän­de und auf ver­schie­de­nen Büh­nen, Kin­der­spiel­plät­ze und Bekö­sti­gungs­stel­len, ein biss­chen Histo­rie und Bera­tung für Grabanlagen …

Aber, und dar­um auch die­se Bemer­kung, eben jene unprä­ten­tiö­se Schlicht­heit macht den Reiz die­ser Anla­ge aus. Nichts Spek­ta­ku­lä­res, Über­dreh­tes, kei­ne dra­ma­tur­gi­sche Insze­nie­rung oder gar Instal­la­ti­on affek­ti­ver Höhe­punk­te. Das Höch­ste, auch im geo­gra­fi­schen Sin­ne, ist die ein­sti­ge Klär­an­la­ge, schon zu DDR-Zei­ten still­ge­legt, die von einem Was­ser­spiel gekrönt wird. Natur und Land­schaft sind die Glanz­stücke, sonst nichts. Die Abwe­sen­heit von tech­ni­schem Fir­le­fanz ist sehr ange­nehm und die unauf­fäl­lig ange­bo­te­ne Elek­tro­nik hilf­reich. Man hält sein Han­dy an einen QR-Code und erfährt von einer Frau­en­stim­me, wäh­rend man über die Müh­len­pro­me­na­de pro­me­niert, die Arche­gär­ten durch­schrei­tet oder auf der Lie­ge­wie­se die Nase in die Son­ne reckt, was es zum betref­fen­den Ort zu sagen gibt. Etwa dass hier auf die­ser grü­nen Wie­se die Frau­en einst ihre Wäsche bleich­ten, was aber ver­mut­lich nicht der Ursprung des Städ­te­na­mens war – Beelitz kommt vom Sla­wi­schen bely, was bekannt­lich weiß heißt. Man hört, dass in den feuch­ten Nie­de­run­gen einst der Sumpf­porst schnee­weiß blüh­te. Und dann erfährt man noch, dass die Nie­plitz eben­falls sla­wi­schen Ursprungs ist, das Flüss­chen hieß umschrie­ben »das Nicht­schiff­ba­re«. Das Was­ser ist brei­ter als ein Bach, grün drin­nen wie an den Ufern, ein­ge­bet­tet in eine fla­che Land­schaft wie einst. So sind denn Frö­sche aus Blech, Kera­mik oder Pla­stik in gro­ßer Zahl über­all auf dem Gelän­de anzu­tref­fen. Und das zwei­te Mar­ken­zei­chen der LAGA ist, natür­lich, der Spar­gel. Als wei­ße baum­ho­he Stan­gen auf den weit­läu­fi­gen Spiel­plät­zen, als Blu­men­ge­bin­de in der Alt­stadt­kir­che inmit­ten der Hor­ten­si­en-Büsche oder in den Kör­ben der zumeist älte­ren Damen, die in den Trach­ten der Regi­on übers Gelän­de fla­nie­ren. Und natür­lich auf den Tel­lern, die man sich sel­ber fül­len darf – bezahlt wird nach Gewicht.

Alles nichts Beson­de­res, aber die Zustän­di­gen haben aus 22 Mil­lio­nen Euro und einer unspek­ta­ku­lä­ren Gegend Erstaun­li­ches gezau­bert. Und wenn man es auch noch ver­mocht hät­te, den zahl­rei­chen Kunst­wer­ken im Gelän­de die Namen ihrer Schöp­fer erkenn­bar hin­zu­zu­fü­gen, wäre das Glück voll­kom­men. Jene zwei Dut­zend Künst­ler, die in wech­seln­den Aus­stel­lun­gen in der Müh­len­re­mi­se sehr ange­nehm prä­sen­tiert wer­den, sind nicht gemeint. Der Kunst­be­auf­trag­te José Nue­vo aus dem Beelit­zer Orts­teil Salz­brunn, ein gebür­ti­ger Spa­ni­er, hat vie­le regio­na­le Künst­ler plat­zie­ren kön­nen. Aber er hät­te den Schöp­fern der unzäh­li­gen rost­brau­nen Figu­ren – die fünf­zig Jah­re und damit die Lan­des­gar­ten­schau über­dau­ern wer­den – durch­aus einen Namen geben dür­fen. So erfährt man lei­der nur: »Die Figu­ren stam­men genau wie meh­re­re Stein­sta­tu­en auf dem LAGA-Gelän­de von der Fir­ma Gar­ten­traum aus Jena.« Ging’s nicht ein wenig genauer?