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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Heine in der Bronx

Zu sei­nem 100. Geburts­tag, 1897, soll­te Hein­rich Hei­ne in sei­ner Hei­mat­stadt Düs­sel­dorf ein (größ­ten­teils von Kai­se­rin »Sis­si« spen­dier­tes) Denk­mal bekom­men. Ein­ge­weiht wur­de es jedoch erst zwei Jah­re spä­ter, aller­dings nicht in Düs­sel­dorf, son­dern in der Bronx.

Was war pas­siert? Zehn Jah­re vor Hei­nes »run­dem« Geburts­tag (für deut­sche Ver­hält­nis­se wohl gera­de noch recht­zei­tig:) war in Düs­sel­dorf ein »Comi­té« gegrün­det wor­den, um dem »unsterb­li­chen Lie­der­dich­ter« ein Denk­mal zu set­zen. Der Düs­sel­dor­fer Stadt­rat unter­stütz­te das Vor­ha­ben mit einem offi­zi­el­len Beschluss zemen­tiert. Das Denk­mal soll­te im Hof­gar­ten ste­hen. die glü­hen­de Hei­ne-Ver­eh­re­rin k&k-Kaiserin Eli­sa­beth trat höchst­per­sön­lich dem Comi­té bei, sag­te 50.000 Mark zu und beauf­trag­te den Ber­li­ner Bild­hau­er Ernst Her­ter, Ent­wür­fe zu liefern.

Das Comi­té ent­schied sich für einen ange­kitsch­ten »Lore­ley-Brun­nen« aus wei­ßem Mar­mor mit einem Hei­ne-Reli­ef am Sockel, statt für die Hei­ne-Sta­tue, die »Sis­si« gefal­len hat­te. Begrün­dung: die Sta­tue könn­te als Ver­herr­li­chung Hei­nes auf­ge­fasst wer­den und wür­de die Geg­ner des Vor­ha­bens auf den Plan rufen.

Die hat­ten sich jedoch bereits unmit­tel­bar nach der Ver­öf­fent­li­chung des Spen­den­auf­ru­fes 1887 in diver­sen Pam­phle­ten laut­stark zu Wort gemel­det (nur zur Erin­ne­rung: Herr Hit­ler war da noch nicht mal gebo­ren). Die »patrio­ti­schen Stu­den­ten« der Uni­ver­si­tät Bonn etwa schrie­ben wütend: »nie und nim­mer« wer­de die aka­de­mi­sche Jugend »auch nur einen Pfen­nig opfern zu Ehren eines Hein­rich Hei­ne«. Eine Wie­ner Zei­tung gei­fer­te: »Haben denn die jüdi­schen Welt­vam­pi­re, Roth­schild und Genos­sen, nicht Geld genug, um ihrem Stam­mes­bru­der ein Denk­mal zu errich­ten?« Auch in der gera­de gegrün­de­ten Zeit­schrift Der Kunst­wart pole­mi­sier­te ein Kri­ti­ker: »Hei­ne ist der Pro­to­typ des ent­ar­te­ten Juden­tums«, soll­te das Denk­mal errich­tet wer­den, wer­de es »eine Schand­säu­le für das deut­sche Volk« sein.

Fried­rich Nietz­sche bestell­te das Blatt dar­auf­hin immer­hin ab, und es gab im deut­schen Blät­ter­wald auch Zustim­mung für Hei­ne, aber das Gift hat­te sei­ne Wir­kung schon ent­fal­tet: Die Kai­se­rin zog sich samt ihrem Geld aus dem Comi­té zurück, und die Finan­zie­rung des Denk­mals war wie­der offen. Auch der Stadt­rat war ner­vös gewor­den und zog sei­ne Bewil­li­gung zurück: Sie sei inzwi­schen ver­jährt, hieß es, außer­dem habe man an dem vor­ge­se­he­nen Ort im Hof­gar­ten inzwi­schen ein Krie­ger­denk­mal aufgestellt.

Dar­auf­hin bemüh­te sich der Main­zer Ober­bür­ger­mei­ster Georg Oechs­ner, ein alt-48er, das Denk­mal nach Mainz zu holen. doch sei­ne Stadt­rä­te lehn­ten den Antrag ab, nach­dem u. a. die kon­ser­va­ti­ve Kreuz­zei­tung in der Errich­tung ein »Denk­mal deut­scher Schan­de« und einen »Tri­umph des Welt­ju­den­tums« gese­hen und das Main­zer Jour­nal »Mord und Tot­schlag« vor­aus­ge­sagt hat­te, soll­ten die Stadt­ver­ord­ne­ten für das Denk­mal stim­men. Die bös­ar­ti­ge Pro­pa­gan­da hat­te gesiegt und dafür gesorgt, dass dem gro­ßen deut­schen Dich­ter weder in sei­ner Geburts­stadt noch sonst wo im Deut­schen Reich ein Denk­mal zum 100. Geburts­tag errich­tet wurde.

Es ist dem deut­schen Gesangs­ver­ein »ari­on« in New York und dem aus­ge­wan­der­ten 1848er Carl Schurz zu ver­dan­ken, dass der Lore­ley-Brun­nen doch noch rea­li­siert wur­de. Die Sän­ger finan­zier­ten die Aus­füh­rung des Ent­wurfs, des­sen neue Inschrift nun lau­te­te: »Ihrem gro­ßen Dich­ter, die Deut­schen in Ame­ri­ka«. Die New York Times schrieb, der Brun­nen sei zwar kein groß­ar­ti­ges Kunst­werk, aber die Inschrift hät­te einen eige­nen Wert als Sym­bol dafür, dass man die ras­si­sti­schen Vor­ur­tei­le der Deut­schen nicht akzep­tie­ren werde.

Die­ser »Eigen­wert« reich­te aber nicht für den gewünsch­ten pro­mi­nen­ten Stand­ort an der Fifth Ave­nue aus. Die natio­nal sculp­tu­re socie­ty lehn­te das Denk­mal wegen »künst­le­ri­scher Män­gel« ab. Und so lan­de­te es im heu­ti­gen Joy­ce-Kil­mer-Park, in der Süd­bronx – wo es noch heu­te steht.