Zu seinem 100. Geburtstag, 1897, sollte Heinrich Heine in seiner Heimatstadt Düsseldorf ein (größtenteils von Kaiserin »Sissi« spendiertes) Denkmal bekommen. Eingeweiht wurde es jedoch erst zwei Jahre später, allerdings nicht in Düsseldorf, sondern in der Bronx.
Was war passiert? Zehn Jahre vor Heines »rundem« Geburtstag (für deutsche Verhältnisse wohl gerade noch rechtzeitig:) war in Düsseldorf ein »Comité« gegründet worden, um dem »unsterblichen Liederdichter« ein Denkmal zu setzen. Der Düsseldorfer Stadtrat unterstützte das Vorhaben mit einem offiziellen Beschluss zementiert. Das Denkmal sollte im Hofgarten stehen. die glühende Heine-Verehrerin k&k-Kaiserin Elisabeth trat höchstpersönlich dem Comité bei, sagte 50.000 Mark zu und beauftragte den Berliner Bildhauer Ernst Herter, Entwürfe zu liefern.
Das Comité entschied sich für einen angekitschten »Loreley-Brunnen« aus weißem Marmor mit einem Heine-Relief am Sockel, statt für die Heine-Statue, die »Sissi« gefallen hatte. Begründung: die Statue könnte als Verherrlichung Heines aufgefasst werden und würde die Gegner des Vorhabens auf den Plan rufen.
Die hatten sich jedoch bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung des Spendenaufrufes 1887 in diversen Pamphleten lautstark zu Wort gemeldet (nur zur Erinnerung: Herr Hitler war da noch nicht mal geboren). Die »patriotischen Studenten« der Universität Bonn etwa schrieben wütend: »nie und nimmer« werde die akademische Jugend »auch nur einen Pfennig opfern zu Ehren eines Heinrich Heine«. Eine Wiener Zeitung geiferte: »Haben denn die jüdischen Weltvampire, Rothschild und Genossen, nicht Geld genug, um ihrem Stammesbruder ein Denkmal zu errichten?« Auch in der gerade gegründeten Zeitschrift Der Kunstwart polemisierte ein Kritiker: »Heine ist der Prototyp des entarteten Judentums«, sollte das Denkmal errichtet werden, werde es »eine Schandsäule für das deutsche Volk« sein.
Friedrich Nietzsche bestellte das Blatt daraufhin immerhin ab, und es gab im deutschen Blätterwald auch Zustimmung für Heine, aber das Gift hatte seine Wirkung schon entfaltet: Die Kaiserin zog sich samt ihrem Geld aus dem Comité zurück, und die Finanzierung des Denkmals war wieder offen. Auch der Stadtrat war nervös geworden und zog seine Bewilligung zurück: Sie sei inzwischen verjährt, hieß es, außerdem habe man an dem vorgesehenen Ort im Hofgarten inzwischen ein Kriegerdenkmal aufgestellt.
Daraufhin bemühte sich der Mainzer Oberbürgermeister Georg Oechsner, ein alt-48er, das Denkmal nach Mainz zu holen. doch seine Stadträte lehnten den Antrag ab, nachdem u. a. die konservative Kreuzzeitung in der Errichtung ein »Denkmal deutscher Schande« und einen »Triumph des Weltjudentums« gesehen und das Mainzer Journal »Mord und Totschlag« vorausgesagt hatte, sollten die Stadtverordneten für das Denkmal stimmen. Die bösartige Propaganda hatte gesiegt und dafür gesorgt, dass dem großen deutschen Dichter weder in seiner Geburtsstadt noch sonst wo im Deutschen Reich ein Denkmal zum 100. Geburtstag errichtet wurde.
Es ist dem deutschen Gesangsverein »arion« in New York und dem ausgewanderten 1848er Carl Schurz zu verdanken, dass der Loreley-Brunnen doch noch realisiert wurde. Die Sänger finanzierten die Ausführung des Entwurfs, dessen neue Inschrift nun lautete: »Ihrem großen Dichter, die Deutschen in Amerika«. Die New York Times schrieb, der Brunnen sei zwar kein großartiges Kunstwerk, aber die Inschrift hätte einen eigenen Wert als Symbol dafür, dass man die rassistischen Vorurteile der Deutschen nicht akzeptieren werde.
Dieser »Eigenwert« reichte aber nicht für den gewünschten prominenten Standort an der Fifth Avenue aus. Die national sculpture society lehnte das Denkmal wegen »künstlerischer Mängel« ab. Und so landete es im heutigen Joyce-Kilmer-Park, in der Südbronx – wo es noch heute steht.