Das Thema ist heute zu ernst – Spaß beiseite, wenn es um Sein oder Nichtsein geht. Auch bloßes Stillhalten, Wohlverhalten oder Zurückweichen ist nicht erwünscht, wenn Vernunft, Verständigung oder Einlenken gefordert sind. Immer gleich Drauflosschlagen artet schnell in eine wüste Mordbrennerei aus. Und der Mensch geht als Unmensch vom Schauplatz des Debakels. Schlimmstenfalls als Verbrecher geächtet.
Dabei ist Krieg leider ein unvermeidliches Fatum. Denn was im persönlichen Leben als Streit und Wutausbruch beginnt, weitet sich schnell zu mörderischer Konfrontation und wird in größerem Maßstab zu kriegerischer Auseinandersetzung. Die friedliche Auflösung eines gesellschaftlichen Konfliktes ist dann schon eine konkrete Kulturleistung von Belang. Viel umfassender ist die kultivierte Umsetzung des elementaren menschlichen Kampfgeistes in sportliche Wettkämpfe aller Art. Gladiatorenspiele und Ritterkämpfe leiteten einst über zu dem Begriff des gerechten Krieges. Da stellt sich grundsätzlich die Frage der Rechtmäßigkeit. Die legitime Verteidigung wahrer Werte wird dann jedoch leicht überschattet vom Malen eines krassen Feindbildes, das der blanke Hass entworfen hat.
Wer auf den Hass als Wurzel des Kriegsgeistes zu sprechen kommt, erkennt bald: Der Liebe ist ein Heiligenstatus sicher. Aber heiliger Hass? Was ist das? Hassgefühle nisten hartnäckig in der menschlichen Psyche. Ja, die Liebe – schön wäre es, wenn sie dauerhaft bliebe. Sie scheint jedoch oft nur ein irrlichternder Widerschein idealer Harmonieträume zu sein. Was das Verhalten anderer betrifft, da sitzt der giftige Dorn permanenten Übelnehmens tief. Ob dieses nun lediglich gleichgültig oder eher abweisend bis feindselig daherkommt, ist zweitrangig. Jede Abneigung gegen eingebildete oder wirklich vorhandene Widerwärtigkeiten nistet sich gern in Gehirnzellen und Nervensträngen fest ein. Angenehm besänftigende Erlebnisse mögen den Hass mildern, ja, über längere Zeitabschnitte vielleicht einschläfern. Doch wehe, wenn er durch einen Zufall geweckt, aufs Neue aufspringt, um sich greift und zu unkontrollierbaren Handlungen schreitet.
Persönlich motivierter Hass mag ja Privatsache sein und bleiben. Wenn dieser dagegen politische Dimensionen annimmt, wird das Ganze schnell zum gesellschaftlichen Problem.
Selbst breitgefächert rational begründete Argumente bleiben wirkungslos, wenn erst einmal Hass und Missgunst sich zu tiefsitzenden Ressentiments verfestigt haben. Die emotionale Aufgeladenheit von Hassgefühlen ist so wenig kontrollierbar, dass der Gegenstand eines Hasses auswechselbar wird. Jenes Phänomen war in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts zu beobachten, als Nazis den Volkszorn von kapitalistischen Ausbeutern auf die behaupteten zionistischen Blutsauger umlenkten.
Hassgefühle pflegen blind zu sein. Sehenden Blickes werden sie leicht fragwürdig. In sich aber sind sie variabel. Kaum verwunderlich, wenn der Gegenstand des Hasses wechselt. Ein dem Sowjetsystem entronnener Mann wird in Tel Aviv Außenminister. Welches Feindbild pflegt er nun? Muss er alles Arabische hassen, nur weil er Jerusalem araberfrei zu besiedeln gedenkt? Oder brave schwäbische bis holsteinische Bürger – muss sie schon beim Stichwort Stasi solch ein Entsetzen packen, dass sie, ihr eigenes feindseliges Mobbing vergessend, wildfremde Personen als Spitzel zu hassen beginnen?
Wer dagegen wirklich Übles erlebt hat und Entsetzlichem entkommen ist, kommt davon nicht so leicht los. Das ist verständlich. Soll er die Hassgefühle darauf unbedingt konservieren? Darf er sie womöglich als ewige Quelle des Zorns in seinem Herz verschließen? Der Zeitgeist ruft. Schon öffnen sich die Wutkonserven. Wie frisch und unverbraucht da ein jahrzehntelang verdrängter Hass daherkommen kann. Ominöse Täter werden von angenommenen oder selbsternannten Opfern gern erst nach Jahrzehnten enttarnt.
Im größeren Maßstab wird das alles noch dramatischer. Ein krudes Verfolgtsein ganzer Bevölkerungsgruppen kann mit Vokabeln der Klage und Anklage jederzeit zu Wut und Wahn gesteigert werden. Man unterschätze nicht den multiplizierenden Faktor. Hass ist ansteckend. Vertreibungsszenarien vorzugsweise in jugo- und anderen slawischen Breiten züchteten vor Jahren das Phantom einer kollektiven Opferrolle. Nachbarschaft zu Franzosen war lange ein Dorn der Feindseligkeit für Deutsche. Stichwort Napoleon.
Über Generationen hinweg eingetretene Konfliktsituationen zwischen Völkern und Volksgruppen bieten stets Stoff genug. Sie lassen sich gut ummünzen in Legenden. Da ist schnell von böswilligen Aktionen hassenswerter Andersrassiger oder Andersgläubiger die Rede. Von Andersdenkenden schweigen wir da lieber. Oder? Das Denken ist angeblich der Gipfel von möglicher Leistung menschlicher Intelligenz. Es verleiht den Denkenden ein köstliches Bewusstsein seiner selbst.
Selbstbewusst möchte man schon durch das Leben gehen. Jede Person denkt ein wenig anders, und wird damit automatisch zum Andersdenkenden. Und begibt sich damit in die Gefahr, ausgegrenzt zu werden. Jenseits von Grenzen lebt sich es aber immer gefährlich. Die Gewissheit, selbst erheblich über anderen zu stehen, führt unfehlbar zu Überheblichkeit. Da kann man selbst bereits die Komik der Ausdrucksweise einer Sprache oder eines Dialektes anderer Menschen hassenswert finden.
An der Stelle ist das Ganze endgültig reif für die Satire. Ja, wenn die einen Beteiligten ihren Überheblichkeitswahn soweit zurückschrauben könnten, dass auch die ihnen Fremden über den wirklich komischen Humor der Gegenseite unbeschwert lachen könnten – dann wäre der Hass abgemeldet. Vielleicht genügt aber auch ein einziger Hinweis: Hass macht hässlich. Das offenbart ja untrüglich die Sprache selbst. Schickt die Hassenden zum Schönheitswettbewerb! Dort dürft ihr sie nach allen Regeln der Kunst ausbuhen.