Fast im Stundentakt harte Töne aus Berlin, Washington, Brüssel, Kiew und in der UNO in New York. Alles an den Adressaten Putin in Moskau gerichtet. Das vom Schauspieler Manfred Krug als BLÖD-Zeitung betitelte Boulevardblatt wusste gar zu berichten, der Westen habe einen »Plan für Putins Sturz«. Irak und Libyen als Muster oder Farbrevolution, das bleibt offen.
Es ist erinnerlich, dass im Mai 2011 US-Präsident Barack Obama, vorschnell zwei Jahre zuvor zum Friedensnobelpreisträger gekürt, Außenministerin Hilary Clinton und andere die Killer-Aktion des seinerzeitigen Staatsfeindes Nr. 1 live am Bildschirm verfolgten. Biden starrte damals als Vize-Präsident wie alle 40 Minuten lang auf die illegale Militäraktion. Kein Detail des Lynchmords ließ sich die illustre Gesellschaft entgehen. Internationales Recht, wozu? Die deutsche Christ-Prominenz lobpreiste sogleich. In München erfasste Ministerpräsident und CSU-Chef Seehofer ein »Gefühl der Freude«. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Merkel toppte und sprach: »Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten. Das ist es, was jetzt für mich zählt.«
Und was ist heute? Der ukrainische Präsident Selenskij erlässt teleinszeniert einen Ukas nach dem anderen für den UN-Sicherheitsrat, den Deutschen Bundestag und die Berliner Regierung, damit Russland seinen Ständigen Sitz in diesem Gremium verliert, Berlin Waffen wie eingefordert gehorsam liefert und die Nato endlich vollends zum WW III bei Fuß steht.
Vor Ort in Deutschland führt der Kiewer Ständige Oberbestimmer für Deutschland Andrij Melnik als ukrainischer Botschafter das Wort. Laut Berliner Tagesspiegel las er Steinmeier ordentlich die Leviten. Dem sei das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges – egal was geschehe. In seinen früheren Ämtern als Kanzleramtschef und Außenminister habe er bereits ein Spinnennetz der Kontakte zu Moskau geknüpft. Darin seien viele Leute verwickelt, die jetzt in der deutschen Ampelkoalition das Sagen hätten. Melnik führt sich auf wie weiland einige UdSSR-Botschafter, die zeitweilig in der DDR-Hauptstadt residierten. Die kamen und gingen.
Und der Herr Bundespräsident kroch zu Kreuze und bereute. Die Schlagzeile einer Berliner Boulevardzeitung mit Steinmeiers Konterfei: »Wir sind gescheitert«. Ex-Kanzlerin Merkel stand nicht nach. Na, bitte. Geht doch, wenn im ukrainisch-polnischen Doppel die Berliner Politprominenz angepfiffen wird. Die Kommunikation wäre einfacher und ginge schneller, wenn die ganze deutsche Staatsobrigkeit gleich auf dem Maidan kampieren würde, um ihre Ordre du Selenskij zu empfangen.
In Deutschland hat die Ankündigung harter Zeiten für die lieben Bundesbürger Hochkonjunktur. Ob des europäischen Krieges in der Ukraine und der selbstmörderischen Kamikaze-Sanktionen haben sie die unausbleiblichen Folgen zu schultern. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder, gewiss kein Politheiliger, meinte im ZDF-Morgenmagazin, dass die in den Talkshows gut reden hätten, sie betreffe es ja nicht. Er meinte die vorgeblichen Leistungsträger in Politik und Regierung sowie deren alles wissende Nachplapperer. Ein bayrischer Volltreffer oder Selbsttor?
Steinmeier hatte Deutschland doch salbungsvoll auf härtere Zeiten eingeschworen. Die scharfen Sanktionen gegen Russland führten unvermeidlich auch zu Unsicherheiten und Einbußen für UNS. Unterstützung, Standhaftigkeit und Bereitschaft zu Einschränkungen würden noch auf lange Zeit gefordert sein.
Mit diesem überstrapazierten UNS und WIR kam und kommt im Namen von meiner Wenigkeit und Millionen anderen stets Unheil und Verderben. In Zeiten wie diesen graust es mir beim Blick in deutsche Vergangenheit. Während des 2. Weltkrieges starben in Leningrad während der 28 Monate dauernden Blockade schätzungsweise etwa 1,1 Millionen Zivilisten, etwa 90 Prozent waren verhungert. Die Einschließung durch die deutschen Truppen gilt als eines der eklatantesten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht.
Kaiser Wilhelm Zwo tönte am 1. August 1914, als das Deutsche Reich Russland den Krieg erklärte, vom Balkon des Stadtschlosses: »Ich kenne keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle deutsche Brüder und nur noch deutsche Brüder.« Der Oberbruder verschwand im November 1918 ins niederländische Exil, wo er sich wohl vorwiegend mit Holzhacken beschäftigte. Gegendert wurde damals nicht, obwohl die Frauen während des Krieges und danach die größte Last zu tragen hatten. Im Kohlrübenwinter 1916/17 mussten sie die Familien durchbringen.
Die Nazis trieben mit dem Winterhilfswerk (WHW) per Haus- und Straßensammlungen Sach- und Geldspenden ein. Die Aktion unterstand Reichspropagandaminister Goebbels und sollte die Volksgemeinschaft stärken. Eintopfsonntage, Lotterien und Kulturveranstaltungen, die vom Deutschen Roten Kreuz, der Wehrmacht und anderen Organisationen durchgeführt wurden, halfen der gutgläubigen Volksgemeinschaft auf die Sprünge. Niemand konnte sich entziehen. Hitlers Kriegskasse füllte sich auf dubiose Weise. Die Reichsbahn dampfte unter der Parole »Räder müssen rollen für den Sieg« durch das besetzte und geplünderte Europa.
Alles natürlich kein Vergleich zu heute und dem atlantischen EU-Krieg. Die Ukraine dient nur als Etikett. Doch gleichen sich nicht Reden, Texte und Bilder?
Jahrzehnte später beschloss der Deutsche Bundestag am 30. Juni 1995, erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Soldaten in einen bewaffneten Einsatz auf dem Balkan zu schicken. Die toten Zivilisten der Nato-Kriege galten als unvermeidliche Kollateralschäden. Basta-Kanzler Schröder, ein Herr Scharping (wer war das gleich?) oder Turnschuh-Joschka (Fischer) als Außenminister wurden wegen des Angriffskrieges und der Menschenrechtsverletzungen keineswegs zur Rechenschaft gezogen. Schließlich verkündete ein Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD): »Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.« Das Ende des 20-jährigen Debakels hat er nicht mehr miterlebt. Die Bundeswehr-Veteranen leiden bis heute allein gelassen und traumatisiert unter den Folgen.
Als Wähler hatte ich keinen dieser Aufträge erteilt. Kann und darf ich auch gar nicht. Die Damen und Herren MdB sind einzig ihrem Gewissen unterworfen und an keinerlei Aufträge und Weisungen gebunden. Der aushebelnde Fraktionszwang scheint auf einem bösartigen Gerücht zu beruhen.
Wieder und wieder werden scharfe, schärfere und schärfste Sanktionen gegen Russland fast im Tagestakt verhängt. Die Folge ist die Lindnersche Preisspirale allerorten – Tendenz und Inflation rapide ansteigend. Leere Regale bei Sonnenblumenöl wären zu verschmerzen. Was aber, wenn russisches Öl, Gas und Kohle gänzlich ausbleiben? Dann schlittern Taxiunternehmen, Speditionen und Glaswerke in die Pleite. Bei Chemiegiganten von Ludwigshafen, über Leuna bis Schwedt läuft alles auf Sparflamme. Dünger und täglich Brot werden Mangelware. Zur Einstimmung gilt vorläufig »Frieren für den Frieden« oder »Tarnkappenjets statt Rapsöl«.
Diese verdammte Nazi-Sprache. Hatten die nicht verkündet »Kanonen statt Butter«? Es sollte, um solche Goebbelsnähe zu vermeiden, unverblümt dekretiert werden: Zur Kasse, Deutsche! Vielleicht setzt dann endlich beim Michel der Verstand wieder ein.