Der Bundesnachrichtendienst (BND) »beteiligt sich an einer riskanten Operation westlicher Geheimdienste«, berichtete der Investigativjournalist Georg Mascolo Anfang November in der Süddeutschen Zeitung. Um die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen, seien vom BND Satelliten-Bilder und abgefangene Funknachrichten der russischen Armee an die Ukraine weitergeleitet worden. Und die New York Times habe im Mai hierzu berichtet, dass solche Informationen dazu beigetragen hätten, »russische Generäle durch Artillerieschläge zu töten und das Schlachtschiff Moskva zu versenken«, so Mascolo. Daraufhin habe der BND ein Rechtsgutachten zur »rechtlichen Zuständigkeit von Übermittlung targetingfähiger Informationen an die Ukraine« erstellen lassen. Im Ergebnis sei damit bestätigt worden, dass die Weitergabe solcher Geheimdienstinformationen völkerrechtlich gedeckt sei und jenes Vorgehen keinen Kriegseintritt bedeuten würde. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete hierzu indes von »mehr als hundert Berichten, die an den ukrainischen Geheimdienst« gegangen seien, dazu gehörten auch »aus abgehörter Kommunikation gewonnene Informationen zu russischen Stellungen«.
Das Bundeskanzleramt reagierte prompt und betonte hierzu: »Die BND-Erkenntnisse dienten nicht unmittelbar zur Planung von Angriffen.« Soweit, so gut, könnte man meinen, aber ganz so einfach ist die Sache leider nicht, denn wer kann schon kontrollieren, wie, wann, wo, von wem, welche Informationen am Ende wofür verwendet werden? Denn schließlich berichtete die New York Times hierzu auch, dass Darja Dugina, die Tochter des russischen Nationalisten Alexander Dugina, die am 20. August in der Nähe von Moskau durch eine Autobombe getötet worden ist, Opfer eines ukrainischen Attentats geworden sein könnte. Ob dabei auch BND-Geheimdiensterkenntnisse eine Rolle gespielt haben, ist nicht bekannt. Die US-Regierung hatte zuvor Kiew für das Attentat verantwortlich gemacht und zugleich ermahnt, dass so etwas keine Zustimmung finde und tunlichst zu unterlassen sei.
Somit bleibt die Frage nach der rechtsstaatlichen Verantwortung für die Beschaffung und Weitergabe solch bedeutender geheimdienstlicher Informationen, was an die Causa Ramstein erinnert. Auch hier wurden und werden mit der Weitergabe von Geheimdienstinformationen und der Übermittlung von Drohnen-Steuerungsdaten extralegale Tötungen durchgeführt, wofür bisher noch immer niemand rechtlich zur Verantwortung gezogen worden ist. Vor diesem Hintergrund erfolgte eine Anfrage an den Bundesnachrichtendienst mit folgenden Worten: »Im Mai ließ der BND die rechtliche Zulässigkeit der Übermittlung ›targeting-fähiger Informationen an die Ukraine‹ prüfen. Die Datenweitergabe soll als legal eingestuft worden sein. Sie bedeute völkerrechtlich keinen Kriegseintritt Deutschlands. Hierzu sei vom BND ein entsprechendes Gutachten erstellt worden, hiermit beantrage ich die Übersendung einer Kopie jenes Gutachtens.«
Die Antwort des BND kam prompt und war im Ergebnis weitaus dürftiger als der sprichwörtliche Spatz in der Hand: »Vielen Dank für Ihre Mail. Der Bundesnachrichtendienst nimmt jedoch zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung. Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend ist oder nicht. Der Bundesnachrichtendienst berichtet zu entsprechenden Themen insbesondere der Bundesregierung und den zuständigen, geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages. Wir bitten um Verständnis.«
Jenes Gremium, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr), ist ein Organ des Deutschen Bundestags zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes. Es kontrolliert den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Somit bleibt zu hoffen, dass der BND das PKGr tatsächlich vollumfänglich über seine geheimdienstliche Beteiligung am Krieg in der Ukraine unterrichtet hat. Aber am Ende des Tages bleibt dennoch eine Frage offen: Wer weist denn eigentlich die BND-Schlapphüte in ihre verfassungsgemäßen Schranken und wer unterrichtet die Öffentlichkeit über das tatsächliche Ausmaß jener Vorgänge?
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Dr. Bruno Kahl, schreibt auf der Homepage des BND: »Der Bundesnachrichtendienst war noch nie so wichtig wie heute. Gemeinsam mit unseren Partnern sichern wir Freiheit und Frieden in Deutschland.« Sind Sie sich sicher, Herr Dr. Kahl, dass dann dabei auch tatsächlich immer alles mit rechten Dingen zugeht? Eine öffentliche Erklärung hierzu wäre wirklich schön! Sie wissen schon, einfach nur um schlapphütig anmutendem Fehlverhalten vorzubeugen …