Die Macht des Wortes entfaltet in jeder Gesellschaft eine enorme Wirksamkeit. Mit Wörtern kann man manipulieren und mystifizieren und auch Rollen festlegen, die am Ende selbst Herrschaftsverhältnisse nicht mehr in Frage stellen, zumal, wenn sie im Recht abgesichert werden. So gibt es in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die auf einem tiefen ökonomischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit basiert, diejenigen, denen das Kapital gehört, und diejenigen die nur über ihre Arbeitskraft verfügen. Letztere sind zur Verwertung ihres Arbeitsvermögens auf die Bereitstellung von Kapital (Produktionsmittel) angewiesen. Das heißt, Arbeitskräfte müssen sich auf Arbeitsmärkten den Kapitaleignern anbieten und verkaufen. Finden Arbeitskräfte hier keinen Nachfrager, so sind sie arbeitslos, wobei Arbeitslosigkeit nach dem herausragenden deutschen Philosophen und Soziologen Oskar Negt, »ein Gewaltakt gegen Menschen ist«.
Hat ein Kapitaleigner Arbeitskräfte in seinem Unternehmen eingestellt, so müssen diese weisungsgebundene (fremdbestimmte) Arbeit verrichten und erhalten dafür ein Arbeitsentgelt. Geregelt wird dies alles in einem Arbeitsvertrag. Die Kapitaleigner üben hier ein Direktionsrecht aus, und die Arbeitskräfte unterliegen einer Gehorsamspflicht. Dabei entsteht eine zweite systemisch-ökonomisch inhärente Abhängigkeit: Das Arbeitsentgelt, das der Kapitaleigner den abhängig Beschäftigten zahlt, muss hier immer kleiner sein als der verkaufbare Wert der Arbeit auf den Absatzmärkten. Ist dies nicht der Fall, entsteht kein Mehrwert für die Kapitaleigner, und in Folge wird der abhängig Beschäftigte gemäß einer Prognoserechnung auch nicht nachgefragt. Und sollte er von einem Kapitaleigner in der Vergangenheit eingestellt worden sein, so kommt es immer dann zur Entlassung, wenn die ökonomische Ungleichung (Arbeitsentgelt < Wert der Arbeit) nicht mehr erfüllt wird.
Der abhängig Beschäftigte ist also in diesem holistisch-ökonomischen Kontext nur formalrechtlich als »Frei« einzustufen, ökonomisch ist er es nicht. Die ökonomischen Verhältnisse machen ihn zu einem Abhängigen, der auch durch eine Selbstkündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht seine geglaubte »Freiheit« erhält. Er benötigt halt ein neues Arbeitsverhältnis und damit einen neuen Kapitaleigner, der ihn am Arbeitsmarkt nachfragt.
Vor diesem ökonomischen Hintergrund ständig von »Arbeitnehmern« und »Arbeitgebern« zu sprechen ist völlig kontrafaktisch und mystifizierend zugleich. Der hier vorgenommene sprachliche Rollentausch stellt die tatsächlichen ökonomischen Verhältnisse auf den Kopf. Die Bezeichnungen sind nur umgekehrt richtig! Der sogenannte »Arbeitgeber« ist derjenige, der nicht die Arbeit gibt, sondern der sie nachfragt und der sogenannte »Arbeitnehmer« ist derjenige, der die Arbeit bzw. seine Arbeitskraft anbietet, anbieten muss. Der gute »Arbeitgeber«, der angeblich die Arbeitsplätze schafft, steht hier gesellschaftlich gegen den »Arbeitnehmer«, der gefälligst zufrieden und dankbar sein soll; ist er doch nur derjenige, der die Arbeit vom »Arbeitgeber« erhält. Wie sagt hier der Volksmund? »Geben ist halt seliger als nehmen.«