»Wohlan, lasset uns einen Turm bauen«, hieß vor vier Jahren – in Anlehnung an die Geschichte vom Turmbau zu Babel – das Thema einer Tagung der Martin-Niemöller-Stiftung. Und seither wird an der neuen Potsdamer Garnisonkirche in der Breiten Straße gebaut.
Drei Viertel des überaus hohen Bauwerks (Endhöhe 88 Meter) strecken sich schon in den Himmel und überragen die hübschen Häuser des alten Potsdams. Vier bis fünf Millionen Ziegel braucht es, zurzeit wirbt man um »Ziegelspenden«: Wer den bescheidenen Betrag von 2.500 Euro zuwendet, bekommt seinen Namen in einen der Ziegelsteine eingraviert. Das ist doch mal eine hübsche Idee. Mit der Höhe des Turmes wächst allerdings auch die Kritik an ihm.
Dem Wiederaufbau des Kirchturms ging der Nachbau seines Glockenspiels voraus, aus dem Westen gestiftet, der Stadt Potsdam geschenkt, mit Gruß von einem Haudegen aus der Bundeswehr, Oberstleutnant Klaar. An diesem Krieger, dem Vorsitzenden des in Iserlohn ansässigen revisionistischen »Verbands Deutscher Soldaten«, erkannte der Berliner Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke schon früh »die Propaganda der Nationalsozialisten«. Dennoch schrieb der Potsdamer OB an die Stifter, die rechtslastige Traditionsgemeinschaft in Iserlohn, vor 25 Jahren sorglos: »Zeichenhaft dafür, dass Potsdam den Turm der Garnisonkirche wiederhaben will, steht seit 1991 das Glockenspiel auf der Plantage.« Ganz anders urteilte der Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde, der zuständigen Ortsgemeinde; er hatte bereits im Dezember 1990 die politisch Verantwortlichen vor den Ansichten und Ambitionen der Iserlohner Gruppe gewarnt. Ausdrücklich verwahrte er sich namens der Gemeinde gegen einen Wiederaufbau. Doch die politisch Entscheidenden kümmerte es nicht.
Zwei Lebenslügen sind zu hören aus der Wiederaufbaupartei, der »Stiftung Garnisonkirche« (deren verführender Vertreter der Altbischof Huber ist, geistlicher Nachfolger im Amt von Otto Dibelius, und deren Reihen kürzlich durch Militärbischof Dr. Felmberg vervollständigt wurden). Zum einen die Legende, dass diese preußische Kirche gegen ihre eigentliche Intention von Nazis und anderen Fremdlingen missbraucht worden sei. Das ist ungefähr so sinnvoll, wie zu behaupten, ein Casino sei von einem Glücksspieler »missbraucht« worden. Eine Garnisonkirche kann von Militaristen kaum missbraucht werden. Auch von der amtlichen Kirche wurde der berüchtigte Tag von Potsdam 1933 tatkräftig mitgestaltet, wobei Kirchenführer Dibelius im Hintergrund einige Fäden zog.
Zum andern wird behauptet, man hätte sich mit der Geschichte gründlich auseinandergesetzt und mache den Turm zum »Teil einer weltweiten Topografie des Friedens und der Versöhnung«. Mit diesen Worten erläuterte der Oberkirchenrat Vogel das Nutzungskonzept, das jetzt fertig erstellt ist. Außer ein paar Floskeln (»das Militärische dominierte«) ist keine Einsicht, kein Eingeständnis der Unheilsgeschichte zu erkennen (vgl. »Potsdamer Spitze. Mitteilungen der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau«, Ausgabe 2001, Seite 8 f.).
Aber es gibt auch Positives zu melden. Die Stadt, die das anrüchige Geschenk mit großdeutschen Inschriften, mit Umrissen Deutschlands von 1937, vom Oberstleutnant Klaar einst freudig annahm und aufstellte, hat sich besonnen. Vor zwei Jahren hat man das Iserlohner klingende Glockenspielwerk wegen seiner rechtsradikalen Inschriften und seiner Symbolik für die Neue Rechte abgestellt, und es wird ins neue Bauwerk auch nicht integriert werden.
Der Bau ist zwar weit vorangeschritten, aber noch ist es nicht zu spät für eine konstruktive Idee. Der erwähnte Professor Hajo Funke machte kürzlich im Oktober einen bemerkenswerten Vorschlag: Da die Garnisonkirche für den feierlichen Beginn der Naziherrschaft stehe und sich nicht davon trennen lasse, sei ein Bruch notwendig. Der neue Turm solle als Zeichen der Besinnung und Umkehr unvollendet bleiben. Das Bauwerk als Ruine wäre das richtige Symbol.
Anmerkung: Sehr zu empfehlen ist der Besuch der kritischen Ausstellung »lernort garnisonkirche« zur Geschichte des Bauwerkes. Sie wurde von der Martin-Niemöller-Stiftung zusammen mit Potsdamer Initiativen vor Jahresfrist eröffnet und befindet sich direkt neben dem neuen Turmbau im Kreativhaus Rechenzentrum, Dortustr. 46, 14467 Potsdam, geöffnet mo-fr 8.oo bis 20.oo Uhr. Auf Anfrage sind auch Besuche am Wochenende möglich.
Immer noch lesenswert ist die gründliche Darstellung von Matthias Grünzig: Für Deutschtum und Vaterland. Die Potsdamer Garnisonkirche im 20. Jahrhundert, Berlin 2017.