Dass Heinrich Peuckmann ein großer Fußballfan ist, vor allem des Traditionsvereins Borussia Dortmund, dem großen Klub in Nachbarschaft seines Wohnorts, zeigte er nicht nur in seinen Sachbüchern wie »Fußballhelden im Westen«. Immer wieder erweist er sich als profunder Kenner der schönsten Nebensache der Welt, besonders wenn es um vermeintlich Abseitiges, Skurriles, Vergessenes und scheinbar Nebensächliches geht, Begebenheiten an der Seitenauslinie sozusagen. Hierfür liefern auch die drei Erzählungen seines Buches »Gefährliches Spiel, Fußball um Leben und Tod« erschütternde und bedrückende Beispiele.
»Gefährliches Spiel«, das kann auf dem Fußballfeld vorkommen, ein aufmerksamer Schiedsrichter wird es in der Regel schon ahnden. Aber gleich »Fußball um Leben und Tod«, wie es der Untertitel vermerkt?
Auch das, weiß Peuckmann, hat es durchaus gegeben. Wenn nämlich, wie in seiner kurzen Geschichte »Gefährlicher Sieg«, ein erfolgreiches Spiel unter Umständen eben Verderben bedeuten und tödlich enden kann, weil die vom Diktator favorisierte Mannschaft unterliegt. So bei einem Fußballspiel unter den Augen Stalins auf dem Roten Platz, bei dem der Sieg gleichbedeutend ist mit zehn Jahren Gulag. Die Begründung für die Verbannung lautete: Gründung einer terroristischen Kampfgruppe von Sportlern. Und ausgerechnet ihr fußballerisches Können war dann der Grund dafür, dass sie es schafften, den Gulag zu überleben.
Oder das Schicksal des Nationalspielers Gottfried Fuchs, Deutscher Meister mit dem Karlsruher FV, Kriegsversehrter und ausgezeichnet mit einem Tapferkeitsorden. Rekordtorschütze mit 10 Toren in einem Länderspiel, ein Rekord für die Ewigkeit. Ein deutscher Jude, der im letzten Augenblick über den Rhein und die Schweiz fliehen konnte und sich erst im fernen Kanada sicher fühlte.
Oder Otto Harder, genannt Tull, ein großer Fußballstar der Zwanziger Jahre, wenn man denn damals schon solche Maßstäbe anlegte, immerhin Kapitän der Nationalmannschaft, sogar Spielfilmheld. Er tritt in die SS ein und wird Kommandant eines KZ. Einer der Häftlinge, gequält und gefoltert, ist ein ehemaliger Mannschaftskamerad, Mitglied der norwegischen Nationalmannschaft. Nach dem Krieg kommt es zu einem Zusammentreffen auf der Tribüne des Hamburger Volksparkstadions, es folgt ein intensives und rückhaltloses Gespräch. Rückblicke auf Stationen ihres Lebens, Fragen nach Schuld und Sühne, nach Vergeben, Vergessen und Verleugnen. Ein angesehener Sportler, ein Held der Jugend, ein Kriegsverbrecher. Die Rolle Tull Harders, die Rolle des Hamburger Sportvereins, die des DFB.
Als in einer Broschüre des HSV zur Weltmeisterschaft 1974 die große Vereinstradition und die verdienstvollen Spieler des HSV, Vorbilder für die Jugend, gewürdigt werden sollten, neben dem Weltmeister Jupp Posipal und dem famosen Uwe Seeler auch Otto Tull Harder, erinnerte sich jemand in letzter Minute, dass Tull ja auch für etwas ganz anderes gestanden hatte: Als SS-Mann und KZ-Kommandant war er aktiv beteiligt am übelsten Kapitel deutscher Geschichte. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde die Seite hastig aus der Broschüre entfernt.
Heinrich Peuckmann, Gefährliches Spiel, Kulturmaschinen Verlag, 122 S., 10,80 €.