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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Fußballgeschichten

Dass Hein­rich Peuck­mann ein gro­ßer Fuß­ball­fan ist, vor allem des Tra­di­ti­ons­ver­eins Borus­sia Dort­mund, dem gro­ßen Klub in Nach­bar­schaft sei­nes Wohn­orts, zeig­te er nicht nur in sei­nen Sach­bü­chern wie »Fuß­ball­hel­den im Westen«. Immer wie­der erweist er sich als pro­fun­der Ken­ner der schön­sten Neben­sa­che der Welt, beson­ders wenn es um ver­meint­lich Absei­ti­ges, Skur­ri­les, Ver­ges­se­nes und schein­bar Neben­säch­li­ches geht, Bege­ben­hei­ten an der Sei­ten­aus­li­nie sozu­sa­gen. Hier­für lie­fern auch die drei Erzäh­lun­gen sei­nes Buches »Gefähr­li­ches Spiel, Fuß­ball um Leben und Tod« erschüt­tern­de und bedrücken­de Beispiele.

»Gefähr­li­ches Spiel«, das kann auf dem Fuß­ball­feld vor­kom­men, ein auf­merk­sa­mer Schieds­rich­ter wird es in der Regel schon ahn­den. Aber gleich »Fuß­ball um Leben und Tod«, wie es der Unter­ti­tel vermerkt?

Auch das, weiß Peuck­mann, hat es durch­aus gege­ben. Wenn näm­lich, wie in sei­ner kur­zen Geschich­te »Gefähr­li­cher Sieg«, ein erfolg­rei­ches Spiel unter Umstän­den eben Ver­der­ben bedeu­ten und töd­lich enden kann, weil die vom Dik­ta­tor favo­ri­sier­te Mann­schaft unter­liegt. So bei einem Fuß­ball­spiel unter den Augen Sta­lins auf dem Roten Platz, bei dem der Sieg gleich­be­deu­tend ist mit zehn Jah­ren Gulag. Die Begrün­dung für die Ver­ban­nung lau­te­te: Grün­dung einer ter­ro­ri­sti­schen Kampf­grup­pe von Sport­lern. Und aus­ge­rech­net ihr fuß­bal­le­ri­sches Kön­nen war dann der Grund dafür, dass sie es schaff­ten, den Gulag zu überleben.

Oder das Schick­sal des Natio­nal­spie­lers Gott­fried Fuchs, Deut­scher Mei­ster mit dem Karls­ru­her FV, Kriegs­ver­sehr­ter und aus­ge­zeich­net mit einem Tap­fer­keits­or­den. Rekord­tor­schüt­ze mit 10 Toren in einem Län­der­spiel, ein Rekord für die Ewig­keit. Ein deut­scher Jude, der im letz­ten Augen­blick über den Rhein und die Schweiz flie­hen konn­te und sich erst im fer­nen Kana­da sicher fühlte.

Oder Otto Har­der, genannt Tull, ein gro­ßer Fuß­ball­star der Zwan­zi­ger Jah­re, wenn man denn damals schon sol­che Maß­stä­be anleg­te, immer­hin Kapi­tän der Natio­nal­mann­schaft, sogar Spiel­film­held. Er tritt in die SS ein und wird Kom­man­dant eines KZ. Einer der Häft­lin­ge, gequält und gefol­tert, ist ein ehe­ma­li­ger Mann­schafts­ka­me­rad, Mit­glied der nor­we­gi­schen Natio­nal­mann­schaft. Nach dem Krieg kommt es zu einem Zusam­men­tref­fen auf der Tri­bü­ne des Ham­bur­ger Volks­park­sta­di­ons, es folgt ein inten­si­ves und rück­halt­lo­ses Gespräch. Rück­blicke auf Sta­tio­nen ihres Lebens, Fra­gen nach Schuld und Süh­ne, nach Ver­ge­ben, Ver­ges­sen und Ver­leug­nen. Ein ange­se­he­ner Sport­ler, ein Held der Jugend, ein Kriegs­ver­bre­cher. Die Rol­le Tull Har­ders, die Rol­le des Ham­bur­ger Sport­ver­eins, die des DFB.

Als in einer Bro­schü­re des HSV zur Welt­mei­ster­schaft 1974 die gro­ße Ver­eins­tra­di­ti­on und die ver­dienst­vol­len Spie­ler des HSV, Vor­bil­der für die Jugend, gewür­digt wer­den soll­ten, neben dem Welt­mei­ster Jupp Posi­pal und dem famo­sen Uwe See­ler auch Otto Tull Har­der, erin­ner­te sich jemand in letz­ter Minu­te, dass Tull ja auch für etwas ganz ande­res gestan­den hat­te: Als SS-Mann und KZ-Kom­man­dant war er aktiv betei­ligt am übel­sten Kapi­tel deut­scher Geschich­te. In einer Nacht- und Nebel­ak­ti­on wur­de die Sei­te hastig aus der Bro­schü­re entfernt.

Hein­rich Peuck­mann, Gefähr­li­ches Spiel, Kul­tur­ma­schi­nen Ver­lag, 122 S., 10,80 €.