Im Herbst, wenn das Wetter ungemütlicher und man selbst etwas melancholischer wird, darf man auch einmal über Vergänglichkeit sinnieren. Passend dazu hat sich in Leipzig ein denkwürdiger Diebstahl ereignet. Entwendet wurde eine 70 Kilogramm schwere Dame aus Bronze. Sie kniete nackt am See und sah verträumt auf das Wasser hinaus.
Die Figur zierte einen Naherholungspark, der irgendwann nach dem Krieg auf dem Brachland eines Braunkohletagebaus geschaffen worden war: Wiesen und Baumgruppen, dazu drei Seen und ein begrünter Hügel mit weitem Blick über die Messestadt. Dazu ein Spielplatz, eine Skaterbahn, Bänke und zahlreiche Skulpturen: eine kleine Wohlfühl-Oase im Süden von Leipzig. Enten, Schwäne, Reiher – morgens lassen sich hier sogar Rehe beobachten.
Aber die Idylle trügt. Der Klimawandel macht sich auch hier mit aller Macht bemerkbar. Der Schäfereisee und der Silbersee, der dem Park seinen Namen gegeben hat, liegen seit ein paar Jahren trocken. Eine Graslandschaft breitet sich in den leeren Senken aus. Auch der dritte und größte See, der oft irrtümlich für den eigentlichen Silbersee gehalten wird, aber tatsächlich ganz unspektakulär »Stauteich Lößnig« heißt, verkleinert sich zusehends. Am Ufer liegen die steinernen Befestigungen bloß, ein Steg führt in die Luft, und Wasservögel und Fische werden seltener.
Der Wassermangel verändert auch den Park. Bänke, die einst am See standen, zeigen nun einen Blick auf Büsche. Skulpturen, die mit der Landschaft interagierten, stehen plötzlich dumm herum. Wie die Bronzedame: Einst kniete sie am Schäfereiteich, als ob sie im Wasser ihr Spiegelbild suchte. »Wasserzauber« hieß das Kunstwerk. Zuletzt starrte die Frau einfach nur in mannshohes, trockenes Gras. Keiner weiß, wieso.
Ein Stück DDR-Landschaftsarchitektur verlor so seine Sinnhaftigkeit und wohl auch seine Bedeutung für die Anwohner. Dazu passt, dass sich der Diebstahl der Statue kaum datieren lässt. Dort hinten, in das Gras, hat kaum einer noch geguckt. Ein stiller Abgesang.
Und nun? Der Materialwert der Bronze wird auf ein paar hundert Euro geschätzt. Vielleicht ist die Frau schon längst zersägt und eingeschmolzen. Anders als die kleine Meerjungfrau von Kopenhagen, der immer mal von fehlgeleiteten Andersen-Fans der Kopf abgesägt wird, ist ein Ersatz wohl nicht angedacht. Die Figur war schon vor ihrem Diebstahl überflüssig geworden. Der See ging verloren und damit auch die künstlerische Ufergestaltung. Geblieben sind Bänke und Gras. Und ein leerer Sockel, der – anders als die Figur – nicht mehr erzählen kann, wie es hier einmal gewesen war.