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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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EU-Wahl 2019

Wähl­bar ins 9. Euro­päi­sche Par­la­ment am 26. Mai ist für Lin­ke nur, wer die­se EU ablehnt. Sol­ches Para­do­xon erklärt sich aus dem soge­nann­ten EU-Reform­ver­trag von Lis­sa­bon 2009, der die Auf­rü­stung und die Nach­ord­nung der sozia­len Men­schen­rech­te unter die Inter­es­sen der soge­nann­ten frei­en Markt­wirt­schaft ver­ein­bar­te. Die dar­in ent­hal­te­ne mili­tä­ri­sche und struk­tu­rel­le Gewalt hin­der­te das nor­we­gi­sche Komi­tee nicht, die EU 2012 mit dem Frie­dens­no­bel­preis zu beloh­nen. Das ver­wun­dert nicht, wenn wir die Gleich­schal­tung mit den glo­ba­len Leit­me­di­en bedenken.

Eine wei­te­re Klä­rung ist mir wich­ti­ger: das Ver­hält­nis einer supra­na­tio­na­len Zen­tral­macht wie der EU zur Sou­ve­rä­ni­tät von Natio­nal­staa­ten. Natio­nal­staa­ten (grö­ße­re in der föde­ra­len Form) bie­ten durch gemein­sa­me Spra­che eine Ver­wal­tungs­form an, die von Bür­gern und der Legis­la­ti­ve kon­trol­liert wer­den kann. Der öffent­li­che Debat­ten­raum ist eine Vor­aus­set­zung für Demo­kra­tie, die nur dezen­tral lebens­fä­hig ist. Öffent­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen und hand­lungs­fä­hi­ge Gewerk­schaf­ten gehen immer von regio­na­len Ver­hält­nis­sen aus.

Glo­ba­le Soli­da­ri­sie­run­gen sind nicht aus­ge­schlos­sen, wenn es um Über­le­bens­fra­gen geht. »Eine euro­päi­sche Öffent­lich­keit ist hin­ge­gen nicht vor­han­den, für sie feh­len alle Vor­aus­set­zun­gen« schreibt Andre­as Wehr (jun­ge Welt 8.4.15 »Kampf­feld ›Natio­nal­staat‹«). Wegen der neo­li­be­ra­len Ideo­lo­gie der EU, die den Sozi­al­staat abbaut, haben kürz­lich 40 fran­zö­si­sche Wis­sen­schaft­ler und Intel­lek­tu­el­le den Aus­tritt auch Frank­reichs aus der EU vor­ge­schla­gen. Auch das Grund­ge­setz zeigt die Unver­ein­bar­keit mit der soge­nann­ten EU-Ver­fas­sung auf: Nach Arti­kel 20 Absatz 1 ist die BRD ein »demo­kra­ti­scher und sozia­ler Bun­des­staat«. Arti­kel 15 ent­hält sogar die Ermäch­ti­gung zu Sozia­li­sie­run­gen. Danach »ste­hen Nati­on und Sozia­lis­mus nicht mehr im Gegen­satz zuein­an­der«. Gram­sci schrieb: »Gewiss treibt die Ent­wick­lung auf den Inter­na­tio­na­lis­mus zu, aber der Aus­gangs­punkt ist natio­nal.« (zit. nach Wehr)