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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Einfache Rechnereien

Täg­li­che Medi­en-Aggres­si­vi­tät zum Ukrai­ne-Krieg, zur Ener­gie-Unab­hän­gig­keit, zu »per­fi­den« rus­si­schen Hand­lun­gen, zu Sank­tio­nen, zu den Lie­fe­run­gen »schwe­rer« Waf­fen… Lang­sam wir­ken die­se Ergüs­se wie ein Video­spiel: Ein­fach mal los­bal­lern, Ver­lu­ste und Fol­gen sind egal, ist ja nur ein Spiel! Aber es ist kein Spiel; jede Waf­fen­lie­fe­rung ist nicht nur kriegs­ver­län­gernd und töd­lich, son­dern beein­flusst unse­ren Staats­haus­halt. Lei­der spielt dies aktu­ell in den Main­stream-Aus­sa­gen fast kei­ne Rol­le, denn es wür­de unbe­que­me Wahr­hei­ten ans Licht brin­gen. Da es aber nicht aus dem Blick­win­kel gera­ten darf – anbei ein wenig »Rech­ne­rei«.

Die BRD hat bis heu­te für ca. 190 Mil­lio­nen Euro an Waf­fen und Rüstungs­gü­ter in die Ukrai­ne gelie­fert (laut dpa). Rech­net man die­se Sum­me allein für zwei wei­te­re Mona­te Krieg hoch, erge­ben sich ca. 380 Mil­lio­nen € »Mili­tär-Geschen­ke« in Rich­tung Ukrai­ne. Von wel­chem Haus­halts­po­sten wird das begli­chen? Ist dies in dem 40-Mil­li­ar­den-Nach­trag 2022 des Finanz­mi­ni­sters ent­hal­ten? Gemäß Web­site des Bun­des­fi­nanz­mi­ni­ste­ri­ums schein­bar nicht. Und es ist doch bekannt: Russ­land zer­stört vie­le Waf­fen­lie­fe­run­gen beim Ein­tref­fen auf ukrai­ni­schem Boden – mal geschätzt ein Drit­tel. Damit wer­den von die­ser Sum­me viel­leicht 250 Mil­lio­nen € ein­ge­setzt – die rest­li­chen knapp 130 Mil­lio­nen € sind buch­stäb­lich pul­ve­ri­siert. Das heißt: Die Bun­des­re­gie­rung ver­schleu­dert die­se 130 Mil­lio­nen € glatt – und die Waf­fen­fir­men krie­gen trotz­dem ihren Pro­fit! Eine ein­fa­che Rechnung.

Auch die jetzt beschlos­se­ne Lie­fe­rung schwe­rer Waf­fen nach Osten wirkt skur­ril: Die Ukrai­ne wird Gepard-Pan­zer bestel­len, Rhein­me­tall wird sie lie­fern (dort gro­ßes Froh­locken!), und die BRD wird sie bezah­len (Aus­sa­ge der BRD vor dem Ram­stein-Tref­fen), pro Stück ca. 1,2 Mil­lio­nen. Irgend­wie erin­nert mich das an einen Kauf bei Ama­zon – die »Gro­ßen« bezah­len und die »Klei­nen« krie­gen es geschenkt. Mit­un­ter hört man von Gesprä­chen, für die­se Trans­fers die ein­ge­fro­re­nen rus­si­schen Aus­lands­ver­mö­gen »umzu­len­ken«. Wenn sich dies inter­na­tio­nal durch­set­zen soll­te, wäre das ein Prä­ze­denz­fall staat­li­cher Will­kür bis hin zur Pira­te­rie: Jeder könn­te dann jeden ent­eig­nen; seriö­se Bezie­hun­gen zwi­schen Staa­ten wären hin­fäl­lig. Wird dann inter­na­tio­nal nur noch Pira­te­rie vor­herr­schen? Die USA schei­nen in die­ser Hin­sicht bereits vor­zu­pre­schen – mal wieder!

Die­se Kriegs­lie­fe­run­gen flie­ßen aus dem Staats­haus­halt her­aus und sind für unser Land nicht mehr ver­füg­bar. Dazu kom­men dann noch zwei ande­re gro­ße »Brocken«: der Nach­trags­haus­halt mit 40 Mil­li­ar­den € für 2022 und die 100 Mil­li­ar­den € »Son­der­ver­mö­gen« für inter­ne Auf­rü­stung – alles mit dem Ukrai­ne-Krieg begrün­det. Mal ange­nom­men, die 100 Mil­li­ar­den € wer­den inner­halb von 5 Jah­ren aus­ge­ge­ben – das wäre eine Zusatz­be­la­stung von 20 Mil­li­ar­den Euro pro Jahr. Damit sind zu erwar­ten: 40 plus 20 Mil­li­ar­den plus erwar­te­te 380 Mil­lio­nen aktu­el­le Ukrai­ne-Lie­fe­run­gen gleich über 60 Mil­li­ar­den – allein für 2022! Das ent­spricht in etwa dem Etat der Mini­ste­ri­en für Ver­kehr sowie für Bildung/​Forschung. Man stel­le sich vor, deren Etat wür­de gegen Null gehen – hie­ße das: kein Geld mehr für kaput­te Brücken, Glas­fa­ser­ka­bel, für For­scher, Inno­va­tio­nen und Bil­dungs­an­ge­bo­te? Egal, wel­che Mini­ste­ri­en betrof­fen sind: Die Lei­stun­gen für die Bevöl­ke­rung wer­den nicht nur 2022, son­dern dar­über hin­aus run­ter­ge­stri­chen, wenn nicht sogar Zukunfts-Inve­sti­tio­nen gestoppt. Auch dies ist leicht auszurechnen.

Wür­de die genann­te Sum­me durch Kre­di­te finan­ziert, geschieht das u. a. durch Staats­an­lei­hen. Die aktu­el­le Anla­ge-Ren­di­te dabei ist ca. 1 Pro­zent (noch!), sie muss auf­ge­bracht wer­den und beträgt ca. 600 Mil­lio­nen pro Jahr – Geld, das vom All­ge­mein­wohl abfließt. Die­ses Man­ko im Staats­haus­halt mutet uns die Regie­rung zu, wir haben das zu ertragen.

Aber es ist noch nicht alles an Zumu­tung. Denn alle Din­ge, die im täg­li­chen Leben benö­tigt wer­den, erfor­dern Ener­gie – nicht nur Strom und Wär­me, auch Bro­te wer­den in der Hit­ze gebacken, Kunst­stof­fe wer­den aus orga­ni­schen Koh­len­was­ser­stof­fen her­ge­stellt, eben­so Auto­rei­fen usw. Wer­den die­se Ener­gie­men­gen nicht mehr von Russ­land bezo­gen, ver­schiebt sich das welt­wei­te Preis­ge­fü­ge und die Rich­tung die­ser Ver­schie­bung konn­ten wir schon beim Tan­ken mer­ken, näm­lich steil »nach oben«. Mitt­ler­wei­le wird auch der »Pfer­de­fuß« sicht­bar, der hin­ter der Ener­gie­um­stel­lung steckt: Die ver­schie­de­nen Ener­gie-Roh­stof­fe sind nicht gleich; ein Wech­sel der Erd­gas- oder Ölquel­le kann u. U. star­ke Inve­sti­tio­nen erfor­dern; sie sind auch nicht von heu­te auf mor­gen rea­li­sier­bar. Die­se ein­fa­che Wahr­heit konn­te auch der Wirt­schafts­mi­ni­ster in Katar erfah­ren. Eben­so müs­sen für die Flüs­sig­gas-Ent­la­dung gro­ße Umschlag­plät­ze gebaut wer­den, die eine Lager- und Trans­port­tem­pe­ra­tur von minus 162 Grad Cel­si­us ermög­li­chen – käl­ter als Flüs­sig­stick­stoff! Ergo: noch­mals teu­re Inve­sti­tio­nen durch den Staats­haus­halt. Und wenn mitt­ler­wei­le die USA argu­men­tie­ren: »Wir müs­sen den Preis für Flüs­sig­gas erhö­hen, weil wir die EU statt Asi­en belie­fern sol­len« – war nicht genau das abzu­se­hen, als die texa­ni­schen Sena­to­ren »Nord Stream 2« medi­al attackierten?

Die Schät­zun­gen für die kom­men­den Preis­stei­ge­run­gen lie­gen kaum noch im ein­stel­li­gen Bereich – sie wer­den bis in jeden pri­va­ten Haus­halt durch­schla­gen. Klar, die bedürf­tig­sten Schich­ten wer­den mög­li­cher­wei­se finan­zi­ell unter­stützt, aber für alle ande­ren wird es auf eine rea­le Ver­ar­mung hin­aus­lau­fen: Die Prei­se stei­gen, Löh­ne und Gehäl­ter aber nur gering­fü­gig – ergo sinkt die Kauf­kraft. Wür­de dafür neu­es Geld aus­ge­ge­ben, erhö­hen die­se Mil­li­ar­den die Finanz­mit­tel in Deutsch­land und in der EU, ohne dass sie einer rea­len Wirt­schafts­lei­stung ent­spre­chen – deut­li­che Anzei­chen für eine Finanz-Bla­se, die irgend­wann plat­zen kann. Denn bereits jetzt ist das EU-Finanz­vo­lu­men mehr­fach höher als die Wirt­schafts­lei­stung – ver­gleich­bar mit einem nicht gedeck­ten Scheck. Falls die Ent­schei­dungs­trä­ger hof­fen, für ihre Waf­fen­lie­fe­run­gen von der Ukrai­ne Rück­zah­lun­gen zu bekom­men – wie kann ein vor­her schon armes Land, das durch einen Krieg zer­bombt wird, dies jemals lei­sten (falls es je dar­an denkt)? Im Gegen­teil: Die Ukrai­ne möch­te von den USA 2 Mil­li­ar­den Finanz­hil­fe bekom­men – monat­lich! Und fast wöchent­lich stei­gen die­se Zahlen …

Die­se Zah­len und Zusam­men­hän­ge sind schwer­wie­gend und – da sie auf ein­fa­chen Rech­nun­gen beru­hen – den Ent­schei­dungs­trä­gern der BRD sicher­lich bekannt. Dann ergibt sich zwangs­läu­fig die Fra­ge: Für wel­che Zie­le oder Ver­bes­se­run­gen nimmt man alle die­se Nega­ti­va in Kauf? Wird die – in kür­ze­ster Zeit abseh­ba­re – Ver­schlech­te­rung der Lebens­um­stän­de von zig Mil­lio­nen Deut­schen ein­fach so hin­ge­nom­men? Ver­schie­de­ne Quel­len spre­chen von der »Bünd­nis­pflicht in der Nato« bis hin zum »Lakai­en­tum« gegen­über den USA. Wenn dies die tie­fe­re Ursa­che sein soll­te – wozu dann über­haupt euro­päi­sche Poli­tik? Doch es gibt auch Bei­spie­le, dass die Regie­run­gen eher die eige­nen Inter­es­sen wah­ren als sich in poli­ti­sche Aben­teu­er zu stür­zen: Ungarn und die Slo­wa­kei stel­len die natio­na­le Ener­gie­ver­sor­gung vor­ne­an; Indi­en koope­riert wesent­lich diplo­ma­ti­scher mit Russ­land – und wird natür­lich von der Ukrai­ne als »Böse­wicht« ange­kan­tet. Unse­re Ent­schei­dungs­trä­ger gehen einen ande­ren Weg: Da klingt es von »Russ­land ver­nich­ten« bis zu »öko­no­misch abblocken« – da sind weder poli­ti­sches Gespür noch geschicht­li­ches Abwä­gen zu erken­nen. In eini­gen Aus­sa­gen von EU-Abge­ord­ne­ten der Grü­nen klingt das in etwa so: »Das kann die Bevöl­ke­rungs­mit­te ver­kraf­ten«. Sie neh­men also eine Ver­ar­mung in Kauf – war­um? Soll­te man nicht ver­su­chen, die inter­na­tio­na­len Kon­tak­te zum Mit­ein­an­der aus­zu­bau­en? Hät­te man nicht die Sicher­heits­be­den­ken Russ­lands akzep­tie­ren sol­len? Vor einem hal­ben Jahr war dafür noch Zeit; jetzt hat die Poli­tik sehr viel verspielt.