Ich gebe zu, etwas spröde und unspektakulär wirkt der neue Roman von Christoph Hein, auch, weil das Beschriebene bekannt scheint. Im Unterschied zu seinen letzten Büchern geht es diesmal nicht um ein interessantes Einzelschicksal, sondern um die Drauf-sicht auf die Kleinstadt Guldenberg, die schon mehrmals im Werk von Hein vorkam. Jetzt ist Guldenberg renoviert und den Verhältnissen angepasst. Die wöchentlichen Skatrunden stehen fest wie die Gerichte auf der Speisekarte. Die Amtspersonen haben ihre Netzwerke. Der reiche Unternehmer bekam natürlich für den Bau seiner Villa Sonderbedingungen. Obwohl sie nichts tut, stört da eine Gruppe minderjähriger Migranten, die im Alten Seglerheim untergebracht wurde, die »Ordnung« gewaltig. »Zigeuner« waren schon einmal in der Stadt und sind verschwunden. Syrer und Afghanen sind in den Augen der Städter nichts anderes, und jeder – bis auf ein paar um die Jungen bemühte Frauen – tut auf seine Weise etwas, damit die Asylanten nicht bleiben. Da werden Überfälle vorgetäuscht, gar Brandsätze gelegt, und eine ungewollte Schwangerschaft könnte doch mit einer Vergewaltigung zu tun haben?
Das Buch besticht durch Genauigkeit. Hein kennt die heutige Kleinstadt: Die Polizeistation ist in die nächste größere Stadt verlegt, Filz, Feigheit, Heuchelei und Duckmäuserei dominieren. Der Autor betätigt sich wieder ganz als Chronist: Er lässt die Protagonisten untereinander selbst zu Wort kommen, und das ist armselig und entlarvend.
Christoph Hein: Guldenberg, Berlin 2021, 285 S., 23 €.