»Einer für alle – alle für einen« – mit diesem Wahlspruch stürzten sich die Helden von Alexandre Dumas ins Getümmel. Er war einer der erfolgreichsten, beliebtesten und produktivsten Schriftsteller seiner Zeit, der Abenteuergeschichtenerzähler des 19. Jahrhunderts. Er erfand nicht nur »Die drei Musketiere«, sondern auch den märchenhaften Rachefeldzug des »Grafen von Monte Christo«. Mit seinen Mantel-und-Degen-Geschichten sind Generationen von Lesern aufgewachsen.
Als Alexandre Dumas Davy de la Pailleterie am 24. Juli 1802 in Villers-Cotterêts im französischen Département Aisne geboren, war er der Sohn des ersten dunkelhäutigen Generals der französischen Armee und einer Gastwirtstochter. Der Großvater war ein reicher Plantagenbesitzer auf Saint Domingue (heute Haiti) gewesen und hatte mit der Sklavin Marie-Césette vier Kinder. Später wurde Alexandre Dumas trotz seines literarischen Erfolges wegen seiner Herkunft und Hautfarbe oft geschmäht.
Der Vater starb schon 1806, so erhielt der kleine Dumas keine ordentliche Schulbildung. Bereits mit vierzehn Jahren arbeitete er als Schreiber in einer Notarskanzlei, wo er früh sein schriftstellerisches Talent erkannte. Dazu kam sein ausgesprochener Bildungshunger. Mit zwanzig ging er nach Paris, wo er einen Posten im Büro des Herzogs von Orléans erhielt, dem späteren »Bürgerkönig« Louis-Philippe. Nebenbei versuchte sich Dumas als Stückeschreiber. Zunächst mit wenig Erfolg, aber bei der Premiere seines historischen Dramas »Heinrich III. und sein Hof« (1829) gab es tosenden Beifall. Es folgten zahlreiche weitere erfolgreiche Stücke, oft in Zusammenarbeit mit anderen Autoren.
Während der Juli-Revolution 1830 kämpfte Dumas auf den Pariser Barrikaden: Nach eigener Darstellung wurde er sogar zum Retter der Revolution, da es ihm angeblich mit einem Husarenstreich gelang, aus dem hundert Kilometer entfernten Soissons Schießpulver heranzuschaffen. Neben seinen dramatischen Werken wandte sich Dumas ab 1835 der Prosa zu. Zunächst verfasste er zahlreiche Reisebilder, die von den Zeitungen als »malerische und poetische Reiseführer« abgedruckt wurden.
Die Ereignisse der gescheiterten Revolution hatten bewirkt, dass sich Dumas intensiv mit der französischen Geschichte beschäftigte, was ihn zum damals modischen Genre der historischen Erzählungen und Romane führte. Die Tageszeitungen unternahmen ungeheure Anstrengungen, um ihren Leserkreis zu erweitern. Das konnte man am besten mit dem Feuilleton erreichen, das zur großen Triebfeder des Fortsetzungsromans wurde. Dumas beherrschte wie kein anderer die Technik des Feuilletons; als Stückeschreiber kam ihm hier sein Sinn für das Dramatische trefflich zustatten. Außerdem verstand er es, seine Leser mit effektvollen Dialogen und schillerndem Lokalkolorit zu fesseln. Mit spannungsgeladenen Kapitelschlüssen machte er sie neugierig auf die nächste Ausgabe der Zeitung. »Pauline« und »Le Capitaine Paul« (beide 1838) waren seine ersten historischen Romane, die beim Lesepublikum großen Anklang fanden.
Dumas, bereits vierzig Jahre alt und inzwischen ein literarischer Star, hatte aber noch keine einzige Zeile jener Romane geschrieben, die später seinen Weltruhm begründeten. Das sollte sich im nächsten Jahrzehnt grundlegend ändern. Dumas gewann den Historiker Auguste Maquet (1813 – 1888) als zuverlässigen und belesenen Mitarbeiter für seine Romanproduktionen. Mit seinen Recherchen in Archiven und Bibliotheken war Maquet für Dumas ein genialer Lieferant. Es begannen zehn glorreiche Jahre, in denen das Team Dumas-Maquet alle Rekorde brach. Mit mehrbändigen Romanen nahm man die Feuilletons mehrerer großer Zeitungen regelrecht in Beschlag, bevor sie als Bücher gedruckt und zum Teil anschließend für die Bühne adaptiert wurden. Dumas wollte sein Publikum auf unterhaltsame Weise mit der französischen Geschichte vertraut machen. Dabei kümmerte er sich wenig um die historischen Fakten, vielmehr ließ er seiner Phantasie freien Lauf. Täglich mussten neue Texte produziert werden. Das war nur mit einer ganzen Mannschaft anonymer Mitarbeiter zu schaffen. Eine Serienproduktion, die einer literarischen Fließbandarbeit gleichkam. »Die drei Musketiere«, »Der Graf von Monte Christo«, »Zwanzig Jahre danach«, »Königin Margot«, »Der Mann mit der eisernen Maske« oder »Das Halsband der Königin« waren nur die bekanntesten Werke der grandiosen Schaffensperiode, der wir heute noch die packendsten Romane der Weltliteratur verdanken. In einem einzigen Jahr veröffentlichte das Team sogar einmal sechzig Bücher. Die fruchtbare Zusammenarbeit endete 1851 mit einem erbitterten und jahrelangen Streit um die Urheberschaft der Werke. Vor Gericht wurde Maquet schließlich eine finanzielle Beteiligung von 20 Prozent zugesprochen, allerdings keine Nennung als Autor.
Aber nicht nur die Romane waren mit Abenteuern, Intrigen, Liebesbeziehungen oder tödlichen Duellen angereichert, auch Dumas‘ Leben glich einem wahren Abenteuer. Er duellierte sich mehrfach, unterstützte den italienischen Revolutionär Garibaldi und hatte mehrere Affären. Durch seinen extravaganten Lebensstil geriet er immer wieder in finanzielle Not. Auf der Flucht vor seinen Gläubigern reiste er oft quer durch Europa. Die Aufenthalte vermarktete er anschließend als Reisereportagen. Zudem publizierte er sein bewegtes Leben in vielbändigen Memoiren. In seinen letzten Lebensjahren lebte Dumas bei seinem Sohn Alexandre (Dumas der Jüngere und Autor der berühmten »Kameliendame«). Er starb am 5. Dezember 1870 in Puys. 2002, zum 200. Geburtstag, wurden seine Gebeine ins Pariser Pantheon überführt. Eine späte Würdigung und wohl auch ein politisches Zeichen gegen Rassismus in unserer heutigen Zeit. Zu Lebzeiten wurde ihm offizielle Anerkennung stets verwehrt.
Dumas‘ Werk wird auf etwa 600 Bände geschätzt, bevölkert mit rund 37.000 Romanfiguren. Er soll einmal geäußert haben, dass er seine eigenen Werke niemals vollständig gelesen habe. Er hatte sich auf das Schreiben konzentriert, das Lesen überließ er weitgehend seinem Publikum.
Zum diesjährigen 150. Todestag hat der Kulturwissenschaftler Ralf Junkerjürgen eine bemerkenswerte Biografie vorgelegt, die die wichtigsten Lebensstationen Dumas‘ mit seinem schriftstellerischen Schaffen verbindet. Sie beleuchtet den Weg von der »Schreibkraft zum Dichter«, die Eroberung der Theaterbühnen und schließlich die Hinwendung zum historischen Roman. Auch die enge Verzahnung von Literatur, Gesellschaft und Geschichte in der Mitte des 19. Jahrhunderts wird aufgezeigt. Die Biografie schließt außerdem eine Lücke im deutschsprachigen Raum, denn seit 2002 (Günter Berger: »Alexandre Dumas«, dtv) wurde eine Würdigung schmerzlich vermisst. Im Anaconda Verlag ist eine Jubiläums-Kassette mit den drei Romanen über die Musketiere erschienen. Auf 2000 Seiten kann man in die Abenteuer des Draufgängers d’Artagnan und seiner drei unzertrennlichen Freunde Athos, Porthos und Aramis eintauchen. Ergänzt wird die Schmuckausgabe durch ein umfangreiches Nachwort von Christine Wolter. Etwas handlicher ist die dtv-Taschenbuchausgabe der »Drei Musketiere« in einer Überarbeitung der Übersetzerin Michaela Meßner.
Ralf Junkerjürgen: »Alexandre Dumas – Der vierte Musketier«, wbg Theiss, 272 Seiten, 28 €. Alexandre Dumas d. Ä.: »Die drei Musketiere / Die drei Musketiere – 20 Jahre später / Der Mann mit der eisernen Maske – 10 Jahre später«, Anaconda Verlag, Box mit 3 Bänden, 2000 Seiten, 19,95 €. Alexandre Dumas d. Ä.: »Die drei Musketiere«, Deutscher Taschenbuch Verlag, 752 Seiten, 13,90 €.