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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die Maßnahme

Da ich ein poli­tisch und am Gemein­wohl unse­res Lan­des inter­es­sier­ter Bür­ger bin, habe ich beschlos­sen, zur Gesun­dung der Staats­fi­nan­zen bei­zu­tra­gen. Anlass ist ein Hin­weis durch die uns poli­tisch Lei­ten­den in den Medi­en, wir alle, wie es heißt, hät­ten über unse­re Ver­hält­nis­se gelebt (wobei ich nicht so genau weiß, was die­je­ni­gen, die von »unse­ren« bzw. mei­nen Ver­hält­nis­sen reden, damit mei­nen). Nun ist es mir gelun­gen, mei­nen Gür­tel enger zu schnal­len, das heißt ich habe ihn von 105 Zen­ti­me­ter Län­ge auf 95 Zen­ti­me­ter ver­kürzt. Der Gür­tel sitzt jetzt auf dem soge­nann­ten letz­ten Loch, aus dem man­che Leu­te dann noch pfei­fen kön­nen sol­len. Mehr geht aus Alters- und medi­zi­ni­schen Grün­den nicht, denn mein Haus­arzt hat war­nend sei­nen Fin­ger erho­ben und mir ver­si­chert, ein wei­te­res Loch zur Ver­kür­zung zu boh­ren sei ernst­haft gesund­heits­schäd­lich. Auch mei­ne Kran­ken­kas­se pro­te­stier­te, denn ich sei ver­pflich­tet, mich um mei­ne Gesund­heit zu küm­mern, um nicht die Gemein­schaft der Ver­si­cher­ten unnö­tig zu bela­sten. Zum ersten Mal habe ich übri­gens als jun­ger Mensch vom Gür­tel­en­ger­schnal­len gehört, als ein gewis­ser Lud­wig Erhard Bun­des­kanz­ler war. Der hat­te vor­her als Wirt­schafts­mi­ni­ster angeb­lich für das deut­sche Wirt­schafts­wun­der gesorgt, aber das Gür­tel­pro­blem wohl vergessen.

Was nun?

Ich esse nur noch die Hälf­te und kau­fe vor­wie­gend bei ALDI und NETTO, die aber, was die Behand­lung ihrer Ange­stell­ten und den Bezug ihrer Waren betrifft, kei­nen all­zu guten Ruf haben. Da unse­re Gesell­schaft in Deutsch­land dabei ist zu über­al­tern, wie man fast allen Medi­en ent­neh­men kann, möch­te ich auch aus die­sem Grund mein Scherf­lein zur Gesun­dung unse­rer Staats­fi­nan­zen bei­tra­gen (mei­ne eige­nen Finan­zen habe ich bis­her in Ord­nung hal­ten kön­nen, ich bin nicht über­schul­det). Mei­ne Ren­te ist nicht sehr hoch, sodass ich damit den Sozi­al­sy­ste­men nicht all­zu sehr zur Last fal­le. Da ich – wie emp­foh­len – pri­vat zusätz­lich vor­ge­sorgt habe, wäre mög­li­cher­wei­se alles eini­ger­ma­ßen in Ord­nung gewe­sen. Lei­der ist durch die Finanz-, Wirt­schafts- und System­kri­se so eini­ges durch­ein­an­der­ge­ra­ten, auch das Zins­ni­veau. Ich bekom­me einen Zins­satz für mei­ne Erspar­nis­se, der erheb­lich unter der Infla­ti­ons­ra­te liegt. Zur­zeit beträgt die­ser Satz 0,01 Pro­zent. Das kann man wohl gar nicht mehr aus­rech­nen. Auch haben unse­re Regie­rung und die Ver­ei­ni­gung der Ver­si­che­run­gen ziem­lich klamm­heim­lich eine Neu­re­ge­lung beschlos­sen, wodurch mei­ne Lebens­ver­si­che­rung mir wesent­lich weni­ger als geplant aus­zah­len wird. Das bedeu­tet, der Gür­tel wird mir auto­ma­tisch durch die Ver­hält­nis­se enger geschnallt. Ret­tungs­schir­me gibt es, wie mir das Bun­des­amt für Finan­zen mit­teil­te, nicht für Pri­vat­per­so­nen. Wo kämen wir da hin! Ein­ma­li­ge Son­der­zah­lun­gen nüt­zen im Prin­zip nichts, denn ich brau­che jeden Monat eine Sum­me Gel­des, die aus­reicht. So aber wer­de ich auto­ma­tisch ärmer gemacht und kann lei­der die Bin­nen­nach­fra­ge nicht erhö­hen. Des­halb wer­de ich in man­chen Medi­en als gei­zig verschrien.

Medi­ka­men­te und Bei­trä­ge für Kran­ken­kas­sen wer­den ste­tig teu­rer. Geneh­migt hat das der soge­nann­te Gesetz­ge­ber, also unse­re Ver­tre­ter, obwohl zur­zeit drei Min­der­heits­par­tei­en, die ich nicht gewählt habe, zusam­men die Regie­rung bil­den. Die Mehr­heit des Vol­kes woll­te es so. Man kann von Lem­min­gen aller­dings kei­nen Ver­stand erwar­ten, obwohl die mei­sten Men­schen, im Gegen­satz zu den Lem­min­gen, lesen, hören und den­ken kön­nen soll­ten. Wie lan­ge ich mir noch ein rela­tiv nor­ma­les Leben in die­sem unse­ren Staat lei­sten kann, weiß ich nicht. Hartz IV und das Sozi­al­amt sind kei­ne ver­locken­den Ange­bo­te. Ich habe schon ein­mal einem Hartz-IV-Emp­fän­ger gehol­fen und ken­ne mich da ein wenig aus. Ich habe mein Auto abge­schafft, weil das einen unkal­ku­lier­ba­ren Kosten­fak­tor bedeu­tet. Aller­dings wer­den die Monats­fahr­kar­ten der öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel ste­tig teu­rer, die Lei­stun­gen schlech­ter. Ob wenig­stens eine Art Sozi­al­ticket zustan­de kommt, ist noch offen. Die Lei­stun­gen der öffent­li­chen Ver­kehrs­an­bie­ter wer­den dadurch wohl nicht auto­ma­tisch besser.

Da ich bei mei­nem Able­ben nicht viel hin­ter­las­sen wer­de, weiß ich nicht, wozu es nötig ist, dass die mir gegen mei­nen Wil­len zuge­teil­te Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer zwan­zig Jah­re über mei­nen Tod hin­aus ihre Gül­tig­keit behält. Dass sie auch ab der Geburt gilt, inter­es­siert mich nicht, da es die­se Rege­lung der Erfas­sung zum Zeit­punkt mei­ner Geburt in Nazi­deutsch­land noch nicht gab. Aller­dings hat­ten die Nazis auch schon raf­fi­nier­te Mög­lich­kei­ten der Erfas­sung, ihnen ist schon damals kaum jemand ent­gan­gen. All­zu weit in die Zukunft schau­en möch­te ich im Augen­blick nicht. Das ist mir zu unge­wiss – und wer kann das schon? Selbst die Pro­g­nos AG in der Schweiz ist in die­ser Hin­sicht sehr vorsichtig.

Wie ich gele­sen habe, ist die näch­ste Diä­ten­er­hö­hung der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten und eine Gehalts­er­hö­hung der Mini­ster und Mini­ste­rin­nen nebst Kanz­ler bereits von die­sen selbst beschlos­sen worden.

Ich wün­sche uns allen gut Loch und hof­fe, dass die Maß­nah­men greifen.