Warum tut sich DIE LINKE mit den Auslandeinsätzen der Bundeswehr eigentlich so schwer? Wenn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stellvertretend für die Weltgemeinschaft wegen einer Bedrohung des internationalen Friedens zu einem gemeinsamen militärischen Vorgehen gegen diese Bedrohung aufruft, kann und darf Deutschland angesichts seiner Geschichte nicht abseitsstehen. Es geht also um das unerlässliche UNO-Mandat, ohne das sich die Bundeswehr auf die Landesverteidigung beschränken muss. Ein bloßes Mandat des Bundestages genügt im Gegensatz zu der geläufigen, verkürzten Darstellung des out-of-area-Urteils von 1994 für einen Auslandseinsatz der Bundeswehr nicht.
Das hat das Bundesverfassungsgericht damals so festgeschrieben, und die Abgeordneten des Bundestages sollten die Begründung dieses Urteils vielleicht noch einmal lesen, bevor sie bei der nächsten Abstimmung über einen Auslandseinsatz die Hand heben. Mit seinen 108 Druckseiten ist es eines der längsten Urteile, das die Karlsruhe Richter jemals gefällt haben. Einer der Kernsätze lautet: »Die von der Bundesregierung beschlossenen Einsätze deutscher Soldaten, denen jeweils ein vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erteiltes Mandat zugrunde liegt, finden ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes, der den Bund ermächtigt, sich einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzuordnen.«
Verfassungsrechtlich abgesegnet wurden also nur Einsätze, die auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen erfolgten. Alle anderen Auslandseinsätze sind demnach nicht verfassungskonform, es sei denn, Deutschland wird von außen mit Waffengewalt angegriffen und macht von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch. In dem Fall muss der Sicherheitsrat unverzüglich informiert werden, der sich dann alle weiteren Schritte vorbehält. Gemäß Artikel 51 der UNO-Charta ist er berechtigt, »jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält«.
Der Beteiligung an einer Friedenstruppe unter dem Kommando der Vereinten Nationen kann sich Deutschland nicht verschließen. Das sollte DIE LINKE aufgrund ihres antifaschistischen Selbstverständnisses, das mit der Friedenssehnsucht der Menschen in einer unauflösbaren Wechselbeziehung. steht, endlich akzeptieren. Die apodiktische Forderung des Parteivorstandes vom 23. Januar 2021, die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückzuholen und sich UNO-Missionen auch weiterhin zu verschließen, ist weltfremd. Sie zementiert die Isolation der Linken und beraubt sie jeglicher politischen Gestaltungsmöglichkeit.
Mit diesem Klotz am Bein wird es die neue Linken-Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow schwer haben, die Partei zu neuen Ufern zu führen. Sie kann sich nämlich eine Beteiligung an klassischen Einsätzen unter dem Dach der Vereinten Nationen durchaus vorstellen. Nach ihren Worten muss DIE LINKE ein klares Bekenntnis zur Verantwortung ablegen und das Regieren als Chance betrachten. Fazit: Ohne einen Kurswechsel in die von Hennig-Wellsow angedeutete Richtung bleibt die Hoffnung auf eine Bundesregierung ohne CDU Schall und Rauch.
Die Auseinandersetzung mit dem Irrglauben, militärische Gewalt könne irgendeins der großen Probleme lösen, muss deswegen ebenso wenig notleidend werden wie der Kampf um eine gerechte Verteilung des gemeinschaftlich erwirtschafteten Reichtums. Noch immer gilt, was Heine voller Humor im »Wintermärchen« auf faszinierende Weise beschreibt: »Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, / was fleißige Hände erwarben. / Es wächst hienieden Brot genug / für alle Menschenkinder, / auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, / und Zuckererbsen nicht minder. / Ja, Zuckererbsen für jedermann, / sobald die Schoten platzen! / Den Himmel überlassen wir / den Engeln und den Spatzen.«