»Normales Leben«, den »Alltag« und seine »Tücken«, das »wirkliche Dasein« zu beschreiben aus der Perspektive: »Ich bin wie du, und du bist wie ich« – das verheißen viele Bücher. Insofern ist es mutig von Autor und Verlag, mit eben diesem Programm im Klappentext des Buches »Letzter Mann« anzutreten: »In Peter Bergs Geschichten, in denen sich der sprichwörtliche Alltag mit so heillos leisen wie lustigen Übertreibungen vereint, geht oft auf berührende wie zärtliche Weise einiges schief …«
Leser sollten alles am besten gegen den Strich bürsten, um in den Genuss witzig geschriebener Geschichten zu kommen. Sie erzeugen ein Gelächter, dem etwas Bitternis beigemischt ist. Sehr schön wird das exerziert in der Titelgeschichte, in der auf hintergründige Weise die Ignoranz – gemeint ist »Blödheit« – des Protagonisten im Sportunterricht und beim Fußballtraining vorgeführt wird, die mit dem Nichtverstehen der Sportlersprache beginnt, einem Manko, das weit verbreitet ist. Logisch, dass man eines Tages »irgendwas ohne Menschen« machen muss beim Sport.
Berg vermag pointiert zu erzählen, überzeugend immer dann, wenn er das Sprachspiel gewinnt, das er liebt. Der Sieg ist meistens seiner, mitunter freilich soll unbedingt noch ein witziger Donnerschlag ertönen, wo es nur wetterleuchtet. Dass es Geschichten zum Vorlesen sind – sie wirken dann besonders gut, was ich bezeugen kann –, sollte niemanden davon abhalten, sie zu lesen. Denn einige entfalten ihre Hintergründigkeit vor allem, wenn man ihnen allein ausgeliefert ist. So erging es mir mit der Geschichte »Rügen«, von der ich mich »erwischt« fühlte. Geschildert werden die Ängste eines Urlaubers angesichts der etwas aufdringlichen Vermietungsangebote einer Floristin namens Ursula Viehmann, die hexenhaft wirkt und einen Häcksler gekauft hat. Wer könnte der Vision entgehen, bald geschlachtet, zerkleinert und gegrillt zu werden? Glücklicherweise gibt es in solchen Situationen eine Freundin, die immer wieder für die Landung im Reich der nüchternen Betrachtung sorgt. Ein Vorzug der Geschichten ist es ohnehin, dass bei aller Übertreibung, die sie enthalten, es unsere Existenz ist, nämlich die Art, wie wir leben, die den lachhaften Aberwitz erzeugt. Bei dessen Beschreibung gelingen dem Autor schöne Sarkasmen: »… in meiner Vorstellung ist der Himmel eine Art Festsaal, wo alle alten Verwandten mit ihren Kaffeetässchen sitzen (…), da will man dann doch lieber aufs Klo und eine rauchen.«
Alltagsgeschichten müssen sich des Alltagsdeutschs bedienen, das ist klar. Zumal, wenn sie für den Vortrag in der »Lesebühne Kreis mit Berg« geschrieben sind. (Kreis, das ist des Autors Freund, Inspirator und Widerpart Christian Kreis, der in vielen Geschichten »erscheint«.) Umgangssprache, der sich Berg gut bedient, entsteht aber nicht immer durch zweifelhafte Grammatik und durch die selbstbestätigende Floskel: »Und ja, es …« Das ist mit den versuchten Donnerschlägen bei Wetterleuchten gemeint.
Doch tut es gut, amüsante Geschichten zu lesen, die einem den Spiegel vorhalten und ohne den Klamauk auskommen, der heute nicht nur im Fernsehen und Radio, sondern auch in Büchern für unabdingbar gehalten wird, wenn Menschen erheitert werden sollen.
Peter Berg: Letzter Mann, Erzählungen, Mitteldeutscher Verlag, 160 Seiten, 12 €