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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Deutschland im Drohnenkrieg

Kom­mu­nen und Behör­den in Rhein­land-Pfalz sind erfin­de­risch, wenn es dar­um geht, einen gro­ßen Bogen um das The­ma »Ram­stein« zu machen. Das zeigt ihr Umgang mit Peti­tio­nen und Aus­kunfts­er­su­chen zur Rol­le der Air Base Ram­stein bei extra­le­ga­len Tötun­gen durch US-Kampf­droh­nen, was meh­re­re Ver­wal­tungs­ge­richts­ver­fah­ren nach sich gezo­gen hat.

Vor allem dank der Berich­te des Whist­le­b­lo­wers Bran­don Bryant steht die Rol­le der Air Base Ram­stein bei extra­le­ga­len Tötun­gen ver­meint­li­cher Ter­ror­ver­däch­ti­ger durch US-Kampf­droh­nen bereits seit meh­re­ren Jah­ren in der öffent­li­chen Kri­tik. Bryant hat­te ent­hüllt, dass die Signa­le der Droh­nen per Glas­fa­ser­ka­bel von der US-Luft­waf­fen­ba­sis Creech in Neva­da in das Haupt­quar­tier der US-Luft­waf­fe nach Ram­stein wei­ter­ge­lei­tet wer­den, wel­ches in das Com­mond Ground System ein­ge­bet­tet ist, mit dem die Droh­nen­ein­sät­ze koor­di­niert wer­den. Von der in Ram­stein sta­tio­nier­ten Relais­sta­ti­on wer­den die Daten dann per Satel­lit in die Kampf- und Auf­klä­rungs­droh­nen wei­ter­ge­lei­tet. Damit kön­nen die Droh­nen von Neva­da aus in Echt­zeit gesteu­ert wer­den, wäh­rend dem Com­mond Ground System per­ma­nent Bil­der und Daten vom lau­fen­den Ein­satz gelie­fert wer­den: »Ohne Deutsch­land wäre der gesam­te Droh­nen­krieg des US-Mili­tärs nicht mög­lich«, so Bryant gegen­über der Süd­deut­schen Zei­tung.

Nach dem Nato-Trup­pen­sta­tut sind die Ver­ei­nig­ten Staa­ten indes dazu ver­pflich­tet, dass sich ihre Streit­kräf­te auf deut­schem Boden an die Geset­ze der Bun­des­re­pu­blik hal­ten. Und immer wie­der haben sie auch ver­si­chert, genau das zu tun, was den Ver­ant­wort­li­chen in Ber­lin und Mainz bis­her aus­ge­reicht hat. Doch trotz jah­re­lan­ger Pro­te­ste der Kam­pa­gne »Stopp Air Base Ram­stein«, trotz meh­re­rer par­la­men­ta­ri­schen Anfra­gen im Deut­schen Bun­des­tag sowie im Land­tag Rhein­land-Pfalz und trotz einer Kla­ge jeme­ni­ti­scher Staats­bür­ger vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt auf ein Tätig­wer­den der Bun­des­re­gie­rung zur Ver­hin­de­rung von Droh­nen­ein­sät­zen unter Nut­zung der Air Base Ram­stein, darf die in Ram­stein sta­tio­nier­te Relais­sta­ti­on auch wei­ter­hin ihre unheil­vol­le Auf­ga­be bei extra­le­ga­len Tötun­gen ausüben.

Poli­ti­sche Ent­schei­dungs­trä­ger wei­chen kri­ti­schen Fra­gen zu die­sem bri­san­ten Sach­ver­halt all­zu gern aus und ver­wei­sen dabei immer wie­der auf ste­reo­typ anmu­ten­de Bekun­dun­gen der US-Admi­ni­stra­ti­on, wonach auf der Air Base Ram­stein schon alles mit rech­ten Din­gen zuge­hen wür­de. Vor die­sem Hin­ter­grund wur­de im ver­gan­ge­nen Jahr eine Ram­stein-kri­ti­sche Peti­ti­on an die für den Mili­tär­stand­ort zustän­di­gen kom­mu­na­len Par­la­men­te (Stadt- und Ver­bands­ge­mein­de­rat Ram­stein-Mie­sen­bach, Kreis­tag Kai­sers­lau­tern) und den Land­tag Rhein­land-Pfalz gerich­tet. In der Peti­ti­on an die Kom­mu­nal­par­la­men­te heißt es: »Set­zen Sie sich im Rah­men Ihrer kom­mu­nal­po­li­ti­schen Ein­fluss­mög­lich­kei­ten dafür ein, dass es zu kei­nen völ­ker- und men­schen­rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen der US-Army unter Nut­zung der Mili­tär­lie­gen­schaft Ram­stein kommt!« Und die Peti­ti­on an den Land­tag Rhein­land-Pfalz for­dert: »Set­zen Sie sich im Rah­men Ihrer poli­ti­schen Mög­lich­kei­ten dafür ein, dass die auf dem Mili­tär­stütz­punkt Ram­stein sta­tio­nier­te Relais­sta­ti­on nicht wei­ter für extra­le­ga­le Tötun­gen durch US-Droh­nen genutzt wird.«

Die Peti­tio­nen führ­ten zu über­ra­schen­den Reak­tio­nen: Der Erste Bei­geord­ne­te der Ver­bands­ge­mein­de Ram­stein-Mie­sen­bach und CDU-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Mar­cus Klein erklär­te zunächst: »Ihre soge­nann­te ›Peti­ti­on‹ wird im Hau­se unter kei­nem AZ geführt. Man­gels Zustän­dig­keit der ört­li­chen Ver­wal­tung wird die­se nicht wei­ter­ver­folgt. (…) Sehen Sie bit­te von wei­te­ren Ein­ga­ben an unser Haus ab.« Nach­dem Kla­ge vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Neu­stadt a. d. Wein­stra­ße erho­ben wur­de, beauf­trag­ten Stadt- und Ver­bands­ge­mein­de den Rechts­an­walt Dirk Polishuk (Fach­an­walt für gewerb­li­chen Rechts­schutz) zur Wahr­neh­mung ihrer Inter­es­sen, der wort­reich dar­leg­te, war­um die Peti­ti­on »kei­ne Peti­ti­on« sei, sie mit­hin »for­mell unwirk­sam« sei und es sich bei dem Peti­ti­ons­ge­gen­stand um »kei­ne Ange­le­gen­heit der ört­li­chen Ver­wal­tung« han­de­le. Die Kreis­ver­wal­tung Kai­sers­lau­tern nahm über ihren Rechts­de­zer­nen­ten die Hal­tung ein, dass die Peti­ti­on ganz grund­sätz­lich nicht behan­delt wer­den kön­ne: »Auf die Tages­ord­nung des Kreis­ta­ges kön­nen nur The­men gesetzt wer­den, die die Ver­bands- und Organ­kom­pe­tenz des Land­krei­ses Kai­sers­lau­tern betref­fen. Dies ist unse­res Erach­tens auf die vor­ge­brach­ten Peti­ti­ons­for­de­run­gen (…) nicht gegeben.«

Die Kla­ge vor dem VG Neu­stadt führ­te letzt­lich dazu, dass die kom­mu­na­len Par­la­men­te die Peti­ti­on doch noch behan­del­ten, aber in der Fol­ge ablehn­ten, da es sich bei dem Peti­ti­ons­an­lie­gen »nicht um Ange­le­gen­heit der ört­li­chen Ver­wal­tung« han­de­le bzw. es »nicht die Ver­bands­kom­pe­tenz des Kreis­ta­ges« betref­fe. Hin­sicht­lich der an den Land­tag Rhein­land-Pfalz gerich­te­ten Peti­ti­on nahm der Vor­sit­zen­de des Peti­ti­ons­aus­schus­ses, der SPD-Abge­ord­ne­te Jörg Den­ning­hoff, fol­gen­de Hal­tung ein: »Ihre Schrei­ben an alle Abge­ord­ne­ten des Land­tags ent­hal­ten inhalt­lich eine Mei­nungs­äu­ße­rung, der sich der Land­tag Rhein­land-Pfalz anschlie­ßen soll. (…) Ich bit­te um Ver­ständ­nis, dass eine for­mel­le Befas­sung des Peti­ti­ons­aus­schus­ses mit die­sen poli­ti­schen For­de­run­gen nicht mög­lich ist, da Ihre Aus­füh­run­gen kei­ne Peti­ti­on im Sin­ne des Art. 11 der Ver­fas­sung für Rhein­land-Pfalz dar­stel­len.« Das Ver­wal­tungs­ge­richt Mainz hat eine dage­gen gerich­te­te Kla­ge abge­wie­sen, wor­auf Rechts­an­walt Wil­helm Achel­pöh­ler (Mün­ster) einen Antrag auf Zulas­sung der Beru­fung vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Rhein­land-Pfalz gestellt hat.

Ähn­lich ver­hält es sich mit Aus­kunfts­er­su­chen an meh­re­re Ein­rich­tun­gen der Bun­des­wehr und an das Justiz­mi­ni­ste­ri­um Rhein­land-Pfalz über den »Kennt­nis­stand des in Ram­stein-Mie­sen­bach sta­tio­nier­ten Ver­bin­dungs­kom­man­dos der Luft­waf­fe United (VKdoLw) bei dem Ein­satz von US-Kampf­droh­nen«. Dem VKdoLw obliegt das Hal­ten von Ver­bin­dun­gen zwi­schen dem Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­ri­um und der US-Army. Die ange­frag­ten Behör­den wur­den schrift­lich über die Rol­le der in Ram­stein sta­tio­nier­ten Relais­sta­ti­on für den US-Droh­nen­krieg infor­miert und unter Beru­fung auf das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz hier­zu befragt: 1. Wel­che kon­kre­ten Erkennt­nis­se hat das in Ram­stein-Mie­sen­bach sta­tio­nier­te Ver­bin­dungs­kom­man­do der Luft­waf­fe über die Hin­ter­grün­de und die Funk­ti­on der US Air Base Ram­stein bei dem Ein­satz von US-Kampf­droh­nen? 2. Hat das in Ram­stein-Mie­sen­bach sta­tio­nier­te Ver­bin­dungs­kom­man­do der Luft­waf­fe in die­sem Zusam­men­hang sei­nen Ein­fluss gel­tend gemacht und gegen­über der US-Army die Ein­hal­tung der in Deutsch­land gel­ten­den Straf- und Ver­fas­sungs­nor­men ein­ge­for­dert? 3. Hat das in Ram­stein-Mie­sen­bach sta­tio­nier­te Ver­bin­dungs­kom­man­do der Luft­waf­fe die deut­schen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den über die in die­sem Zusam­men­hang in Rede ste­hen­den Rechts­ver­stö­ße informiert?

Die Ant­wor­ten der Behör­den waren glei­cher­ma­ßen ernüch­ternd und ent­täu­schend. Es lägen hier­zu kei­ne Infor­ma­tio­nen vor bzw. sei ein Zugang zu sol­chen Infor­ma­tio­nen nicht vom Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz erfasst. Vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Mainz ist nun in der Fol­ge eine dies­be­züg­li­che Kla­ge anhängig.

Man fühlt sich an Franz Kaf­kas Abgrün­de erin­nert, an die Ohn­macht des­sen, der vor »Instan­zen« steht, die sich nicht zu erken­nen geben und deren Hand­lun­gen undurch­schau­bar sind. Etwas geschieht, für alle offen­sicht­lich, vie­le sind aktiv oder indi­rekt betei­ligt, aber nie­mand ist »zustän­dig« oder gar verantwortlich.

Her­mann Thei­sen ist Frie­dens­ak­ti­vist und lebt in Hirsch­berg an der Bergstraße