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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Der rote Stern

Im Umriss eines roten Sterns sind zwei mit Erde beschmutz­te Hand­flä­chen zu sehen. Eine hält einen sowje­ti­schen Tap­fer­keits­or­den, die ande­re zeigt eine deut­sche Wehr­machts-Erken­nungs­mar­ke. Die Objek­te wur­den bei Aus­gra­bun­gen in Küstrin – heu­te Kostrzyn nad Odra – neben ande­ren Zeug­nis­sen des bar­ba­ri­schen Krie­ges, gefun­den. Die »Festung Küstrin« unter dem Kom­man­do des SS-Grup­pen­füh­rers Rei­ne­farth, des »Hen­kers von War­schau«, soll­te unbe­dingt gehal­ten wer­den. Unzäh­li­ge sinn­lo­se Opfer sind zu bekla­gen. Rei­ne­farth wur­de in der BRD Abge­ord­ne­ter des Schles­wig-Hol­stei­ni­schen Land­tags und Bür­ger­mei­ster von Wester­land auf Sylt. Für sei­ne Taten wur­de er nie belangt.

Das Foto mit dem roten Stern ist auf dem Titel­bild von Gabrie­le Senfts neu­em Bild­band »Leuch­tend prang­ten rings­um Apfel­blü­ten /​ Der lang­ersehn­te Früh­ling« abge­bil­det. Ein kras­ser Gegen­satz bewegt: die leuch­ten­den Apfel­blü­ten und der Flie­der, der in die­sem Früh­jahr 1945 beson­ders präch­tig blüh­te – und die vom Krieg zer­stör­ten Orte und die unzäh­li­gen Grä­ber der Opfer.

Das Buch ist dem 75. Jah­res­tag der Befrei­ung der Völ­ker Euro­pas vom deut­schen Faschis­mus gewid­met, es geht zu Her­zen. Beim Lesen erin­nert man sich an Fil­me: »Ich war 19«, »Ein Men­schen­schick­sal«, »Die Kra­ni­che zie­hen« und ande­re; auch sie brin­gen die­se unaus­lösch­ba­ren histo­ri­schen Ereig­nis­se wie­der ins Bewusst­sein. Die Autorin ver­folgt den Weg der Roten Armee von der Oder im Janu­ar 1945 bis zum Mai in Ber­lin. Sie hat vie­le Orte besucht und sprach mit Zeit­zeu­gen. Erin­ne­run­gen von Umsied­lern, Schrift­stel­lern, Kom­man­dan­ten und Fil­me­ma­chern las­sen die­se schwe­re Zeit nach­er­le­ben. Ein­fühl­sa­me Natur­auf­nah­men ver­voll­stän­di­gen das Buch, ergänzt durch gut aus­ge­wähl­te, kur­ze Tex­te. Von Fritz Cremers Buchen­wald-Denk­mal sieht man ins wei­te, fried­li­che Wei­ma­rer Land. Der Schwur der Häft­lin­ge von Buchen­wald ist für uns heu­te eine bit­ter nöti­ge Ver­pflich­tung. Und uns wird beim Betrach­ten und Lesen des Buches immer mehr bewusst: Es sind nicht nur Anfän­ge, derer wir uns heu­te zu erweh­ren haben!

Ganz selbst­ver­ständ­lich schließt sich ein gut durch­dach­ter Teil des Buches an; hier wird das Hel­den­tum der Sol­da­ten der Roten Armee mit berüh­ren­den Fotos gewür­digt. Das Buch endet mit einem Abschnitt »Ent-
deckun­gen«, der Wis­sens­wer­tes zu den Foto­gra­fien ent­hält. Die her­vor­ra­gen­de künst­le­ri­sche Gestal­tung, die in den Hän­den des Ver­le­gers Wil­jo Hei­nen lag, ent­spricht ganz dem anspruchs­vol­len Inhalt. Gera­de heu­te, wo alle Regi­ster gezo­gen wer­den, um Russ­land zu ver­teu­feln, ist die­ses Buch so wich­tig. Es macht nach­denk­lich, doch es ermu­tigt auch, das Leben zu fei­ern. Wer es in der Hand hält, der legt es nicht so schnell zurück.

Gabrie­le Senft: Leuch­tend prang­ten rings­um Apfel­blü­ten /​ Der lang ersehn­te Früh­ling. Ver­lag Wil­jo Hei­nen 2020, 195 Sei­ten mit zahl­rei­chen Abbil­dun­gen, 28