Ein Gericht in Kiew hat einen 21 Jahre alten russischen Soldaten nach Medienberichten wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Es handelt sich um den ersten Prozess dieser Art seit dem Angriff auf die Ukraine. Der fast noch kindlich wirkende Angeklagte hatte gestanden, einen Zivilisten erschossen zu haben. Er bereue die Tat und bedauere sein Verhalten. Ereignet hat sich der Vorfall bereits am vierten Tag des Überfalls auf die Ukraine in dem Dorf Tschupachiwka im Norden des Landes.
Nach der Schilderung des Soldaten, dessen Name mit Wadim Sch. angegeben wird, war seine Panzerkolonne unter Beschuss geraten. Dabei verloren er und andere Angehörige der Truppe die Verbindung zu ihrer Einheit. Um wieder Anschluss zu finden, hätten sie ein Auto gestohlen. Dabei seien sie von einem Mann in der Nähe beobachtet worden, der daraufhin zu seinem Telefon gegriffen habe. Die versprengten Soldaten befürchteten, dass er ihren Aufenthaltsort verraten wolle. Nachdem er aus den eigenen Reihen mehrmals von einem Fähnrich aufgefordert worden sei, auf den Mann zu schießen, so der Angeklagte, habe er einen kurzen Feuerstoß abgegeben, sich dann aber von seinen Leuten abgesondert, um sich in ukrainische Gefangenschaft zu begeben.
Ein anderer russischer Soldat, der sich ebenfalls freiwillig in ukrainische Gefangenschaft begeben hat, bestätigte als Zeuge die Darstellung seines Kameraden. Die Witwe des Getöteten sagte aus, sie habe ihren Mann auf der Straße liegend mit einer Kugel im Kopf aufgefunden.
Nimmt die Gerechtigkeit mit der hohen Strafe für den 21jährigen Wadim Sch. nun also ihren Lauf? Im normalen Leben ist der unbedingte Vorsatz zur Tötung eines Menschen Voraussetzung für die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Süddeutsche Zeitung wertete den Schuldspruch des Kiewer Gerichts als Signal, dass der Krieg kein rechtsfreier Raum sei. Gemessen an den Kiewer Maßstäben müssten in den USA viele neue Gefängnisse gebaut werden. Dort wurden seit Beginn dieses Jahres bis zum 9. Mai nach Angaben der Gesellschaft »Kriminalität, Recht und Justiz« 6.696 zivile Todesopfer durch Schusswaffen registriert; Selbstmorde nicht mitgerechnet.
Nach Angaben der ukrainischen Behörden kamen seit Beginn des Krieges bis zum 10. Mai 23.974 Zivilisten ums Leben. Hingegen sprechen die Vereinten Nationen von 3.381 Opfern. Als Kriegsverbrechen werden schwere Verstöße von Angehörigen eines Krieg-führenden Staates gegen die Regeln des Völkerrechts gewertet. Eine verbindliche völkerrechtliche Definition des Begriffes Kriegsverbrechen existiert nicht. Nach dem gegenwärtigen Stand können Kriegsverbrechen nur von natürlichen, nicht von juristischen Personen begangen werden. Vor internationalen Tribunalen können weder Organisationen noch Staaten für Kriegsverbrechen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Die USA töten nach Darstellung der Salzburger Nachrichten vom 20. November 2017 weltweit mit Hilfe von unbemannten Drohnen Terrorverdächtige ohne Anklage und Gerichtsverfahren. Die Zeitung beruft sich dabei auf ein Buch des österreichischen Autors Emran Feroz. Regelmäßig kämen bei diesen Angriffen auch Zivilisten zu Tode.
Das amerikanische Verteidigungsministerium hat am 17. September des vergangenen Jahres eingeräumt, dass bei einem Drohnenangriff in Kabul bis zu zehn Zivilisten, darunter bis zu sieben Kinder durch einen »tragischen Fehler« ums Leben gekommen seien. Das Militär »bedauere jeden Verlust eines unschuldigen Lebens«.
Dem 21jährigen russischen Soldaten Wadim Sch. hat es nichts genutzt, dass er seine Tat bedauert. Er kann sich hinter niemandem verstecken. Auch in diesem Fall beißen den Letzten die Hunde.