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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Dein Zug!

»Mein Zug kommt«, ver­ab­schie­de ich mich und bei­ße mir auf die Zun­ge, dass mir kei­ne düm­me­re Aus­re­de ein­ge­fal­len ist, um dem lang­wei­li­gen Gespräch zu ent­kom­men. »Wel­cher Zug?«, fragt mein Gegen­über, »glau­ben Sie an fah­ren­de Züge? An den Storch glau­ben Sie wohl auch noch.« Ich dre­he mich um und gehe unent­schul­digt. Da schwebt eine Die­sel­wol­ke vom Him­mel her­ab und ent­bin­det einen Regio­nal­zug, der Fol­gen­des zu mir spricht:

Du hast mich mäch­tig ange­zo­gen /​ an mei­ner Sphä­re lang geso­gen. /​ Da bin ich! – Welch erbärm­lich Grau­en /​ fasst Fahr­gast dich! Wo bleibt der Freu­den­ruf /​ zu dem die Deut­sche Bahn dich einst erschuf? /​ Bist du es, der von mei­nem Rauch umwit­tert /​ in Alt­me­tall­wag­gons das Land durch­zit­tert, /​ ein wie Ver­kehrs­we­ge gekrümm­ter Wurm? /​ Auf Aus­fall­plä­nen, im Lügen­sturm /​ fahr ich hin und her, /​ schlaf ich ein und aus! /​ Im Durch­sa­gen-Lügen­meer /​ und in dei­ner Fan­ta­sie zu Haus. /​ Ein wech­seln­des Feh­len /​ ein Zeit-und-Geld-Steh­len /​ so schlaf ich auf dem Web­stuhl der Zeit /​ als Got­tes mobi­le Unsichtbarkeit!

Aber ich seh schon: Klas­sik trö­stet auch nicht. Dau­er­kar­ten­in­ha­ber, du dau­erst mich. »Host dem Auto abge­schworn, hot sich’s fia di aus­ge­fohrn.« Ist noch vom Andi, dem alten Ver­kehrs­mist­bau­er. Der neue kann gar kein Baye­risch, ich frag mich, wie der das CSU-Wahl­pro­gramm feh­ler­frei abschrei­ben konn­te. Aber ich merk schon, Poli­tik ist auch nicht so deins. Du reist ger­ne? Ja, das ist grad schlecht. Die Zei­ten haben gewen­det, weißt du: U-Turn gemacht und weg. Über­all Ver­gan­gen­heit. Aktu­ell ist Ver­wei­len ange­sagt. Wie vie­le deut­sche Bahn­hö­fe kennst du über­haupt? Behaup­tet, ich wür­de nir­gends mehr fah­ren, und belegt sei­ne Behaup­tung mit fünf bis sie­ben Hei­mat­bahn­hö­fen. Da beleg ich jedes Gleis wahr­schein­li­cher als der die Tat­sa­che mei­nes Nicht­vor­han­den­seins. Man kommt schließ­lich mit dem Fahr­rad auch zum Bahn­hof. Ein­fach mal Fres­se hal­ten und die Bahn­hö­fe des Hei­mat­lands abra­deln! Ich könnt grad nei­disch wer­den, ich weiß gar nim­mer, wie ihr aus­schaut, ihr stil­len Guten allüberall.

Trotz­dem sage ich: Gara­ge ist bes­ser. In der Gara­ge geht nichts kaputt. Also nicht, weil nichts mehr ganz wär. Son­dern, weil da ganz ande­re Bedin­gun­gen herr­schen. Gara­gen sind die Boden­hal­tung der Fahr­zeu­ge. Ein Fahr­zeug­wohl­label ist mei­nes Wis­sings schon im par­la­men­ta­ri­schen Ver­fah­ren. O Gott, das klingt so nach »Fah­ren« …! Nee, lang­sam, die Mehr­heit kommt zu Stan­de, read it from my screen. Immer bloß die Tier­ar­ten wer­den geret­tet – wir Züge ster­ben auch aus! Der lan­des­wei­te Muse­ums­sta­tus muss jetzt kom­men und dann darf kein Weiß- oder Schwarz­fah­rer mehr in uns fah­ren dür­fen. Dann muss jeder ste­hend von der Bahn­steig­kan­te Abstand hal­ten müs­sen, und zwar von uns. Da kann es kei­ne zwei Mei­nun­gen mehr geben und am besten gar kei­ne mehr. Nur noch die Laut­spre­cher­durch­sa­ge auf dem Bahn­steig. Reicht doch. Was für die Deut­sche Bahn gut ist, kann für Deutsch­land nicht schlecht sein. STOP STOP STOP = Deutsch­lands Galopp!

Ach komm, jetzt ist er mir ein­ge­schla­fen, der Fahr­gast. Na den werd ich wecken. Der wird vor sei­nem fahr­plan­mä­ßig erwar­te­ten Zug noch mal ein­schla­fen! Ganz lei­se alles Lie­be ins Ohr geflüstert:

Dein Zug!

Schach­matt!! – Ääh. – Wiebittewass?? 

Sor­ry. Ist mir noch nie pas­siert: In der eige­nen Kolum­ne ein­ge­schla­fen! Peinlich. 

Aber was hat­te ich auch für einen süßen Traum! Einen Schach-Traum. Grad hat­te ich einem rot-gelb-grü­nen König Matt IN EINEM ZUG angesagt …