Wenn Pfizer inzwischen im Halbjahres-Takt seine Milliarden-Profite »boostern« darf, wenn Staaten in den Verträgen mit der Pharma-Industrie für alle Risiken und Nebenwirkungen haften müssen, wenn Kritiker von Kinder-Impfungen als Corona-Leugner gebrandmarkt werden, wenn Ungeimpfte wie Unmenschen dargestellt und 2G-Skeptiker mit Rechtspopulisten in Verbindung gebracht werden, dann wissen wir, dass wir mitten im medialen Mainstream von Corona-Deutschland des Jahres 2021 angekommen sind.
Als 2019 von einer Bertelsmann-Studie die Schließung der Hälfte aller Krankenhäuser gefordert wurde, sagte der sogenannte Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, dazu: »Wir haben schlicht zu viele Krankenhäuser« (Main Post v. 16.6.2019). »Ende Februar (2020) noch hatte Gesundheitsminister Jens Spahn mehr Mut bei Krankenhausschließungen empfohlen« (ZEIT v. 7.4.2020). Dem gelernten Bankkaufmann und Pharmalobbyisten war noch vor kurzem Aufrüstung wichtiger als Soziales: »Etwas weniger die Sozialleistungen erhöhen in dem einen oder anderen Jahr – und mal etwas mehr auf Verteidigungsausgaben schauen«, forderte Spahn gegenüber BILD (21.2.2017). Die auch von Spahn unterstützten Fallpauschalen und der Marktwettbewerb im Gesundheitssystem bzw. im kapitalistischen Krankheits-Geschäft haben ihren Preis. Seit 1991 wurden in der BRD mehr als 500 Krankenhäuser geschlossen. Auch während der Pandemie 2020 machten über 20 Krankenhäuser dicht. Weitere 600 Krankenhäuser sind insolvenzgefährdet. Ähnliches lässt sich auch im Feld der Kinder- und Jugendkliniken zeigen: »Seit vor mehr als 25 Jahren die Fallvergütung eingeführt worden ist, mussten bundesweit rund ein Viertel aller Kinderkliniken und Kinderabteilungen aufgegeben werden, 40 Prozent der kinderklinischen Betten wurden abgebaut. Zeitaufwand und Zuwendung, eine Selbstverständlichkeit besonders in der Kindermedizin, kennt das Fallpauschalensystem nicht«, schreibt der ehemalige Chirurg der Klinik in Frankfurt-Höchst, Bernd Hontschik (FR v. 27./28.2.2021).
Wer in den letzten anderthalb Jahren über die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als »Geisel potenter Geldgeber« berichtet hätte, wäre im medialen Mainstream als »Verschwörungstheoretiker«, »Schwurbler«, »Corona-Leugner«, »Über-Leichen-Geher«, »Wissenschafts-Feind« oder »Halb-Nazi« diffamiert oder gleich ganz totgeschwiegen worden. Das war bis kurz vor dem Jahr 2020 noch ganz anders. Selbstverständlich gab es mindestens bei sich als links verstehenden Menschen eine kritische Analyse pharma- und kapital-getriebener Gesundheitspolitik auf nationaler wie internationaler Ebene. Thomas Gebauer konnte im Deutschlandfunk vom 18. Mai 2015 über die WHO als »Eine Geisel potenter Geldgeber« berichten. In der ZEIT vom 4. April 2017 setzte sich Jakob Simmank unter der seit anderthalb Jahren im Medien-Mainstream fast verbotenen Überschrift »Der heimliche WHO-Chef heißt Bill Gates« noch intensiver mit Finanzierungs- und Beeinflussungspraktiken milliardenschwerer Geldgeber der globalen Gesundheitsorganisation auseinander. Die Großspender entscheiden nämlich seit einigen Jahren auch darüber, was die WHO mit ihrem Geld tun soll, zu welchen Themen gearbeitet und welche Projekte unterstützt werden. Seit dem 15. März 2020 wären ähnliche Stimmen in den genannten Medien fast unmöglich, und manche strichen ältere Beiträge sogar aus ihrem Medien-Archiv oder veränderten nachträglich Teile des Titels. Was immer die Corona-Krise noch alles sein mag, sie ist offensichtlich auch eine Krise der Pressefreiheit.
In ihrem Bericht vom 15. September 2021 zu »Gesundheitlichen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona« fasste die interministerielle Arbeitsgruppe (IMA) aus dem Bundesfamilien- und dem Bundesgesundheitsministerium den bisherigen Forschungsstand zu Corona und Kindern zusammen: »Kinder und Jugendliche haben ein geringes Risiko für schwere COVID-19-Krankheitsverläufe und dadurch bedingte Krankenhausaufnahmen. Doch die sozialen Einschränkungen der Pandemie belasten junge Menschen besonders stark – vor allem diejenigen, die bereits vor der Pandemie unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen sind« (BMFSFJ/BMG 2021, S. 1). Der interministerielle Regierungsreport für das Bundeskabinett stellt damit immerhin unter Beweis, dass auch die Bundesregierung prinzipiell in der Lage ist, wenigstens indirekt zu differenzieren zwischen den Folgen von Corona (Krankheitsverläufe) und den Auswirkungen der Regierungsmaßnahmen. Dass die Pandemie womöglich soziale Einschränkungen notwendig gemacht hat, sollte dabei nicht in Abrede gestellt werden, aber die Pandemie selbst hat die sozialen Einschränkungen für Kinder und Jugendliche nicht betrieben oder beschlossen, sondern die Regierung, die Ministerpräsident(inn)enkonferenz – und ab und zu auch Parlamente.
Die seit anderthalb Jahren in Politik, Medien und großen Teilen populärer Wissenschaften buchstäblich zelebrierte Weltuntergangs-Stimmung vom »Killer-Virus«, das alle positiv Getesteten, die natürlich ausschließlich »Infizierte« und »Erkrankte« genannt werden, dahinrafft und Kinder als »Super-Spreader« behandelt, die am besten weggesperrt werden sollten, passt allerdings mit den bisherigen evidenzbasierten Erkenntnissen in der wissenschaftlichen Begründung der Ständigen Impfkommission (Stiko) kaum zusammen. Wer dieses offensichtliche Missverhältnis anspricht, wird jedoch im medialen Mainstream weitestgehend beschwiegen.
So wurde zwar millionenfach die Empfehlung der Ständigen Impfkommission vom 16. August 2021 für die Impfung von 12- bis 17-jährigen zitiert, ohne auch nur einmal einen Blick in ihre drei Tage später erfolgende wissenschaftliche Begründung zu werfen. Im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch Instituts (RKI) fasst die Ständige Impfkommission (Stiko) am 19. August den bisherigen Forschungsstand zur Bedeutung von Covid-19 für Kinder und Jugendliche zusammen. Wörtlich heißt es dort: »COVID-19 ist in der Regel eine milde Erkrankung im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Bei einem geringen Anteil der betroffenen Kinder und Jugendlichen kann sich aber ein schwerer Krankheitsverlauf entwickeln, der eine intensivmedizinische Versorgung und eventuell eine invasive Beatmung erforderlich macht. Todesfälle sind im Kindes- und Jugendalter jedoch sehr selten« (STIKO 2021, S. 13). Seit Beginn der Pandemie habe es unter den etwa 14 Millionen Minderjährigen in Deutschland insgesamt 14 Tote gegeben (STIKO 2021, S. 23). Unter den 4,5 Millionen 12-17-Jährigen habe es in anderthalb Jahren zwei Tote gegeben, wobei beide schwerste Vorerkrankungen hatten (STIKO 2021, S. 21). Auch referiert die Stiko auf Seite 23 f. die Forschungsergebnisse der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). In deren Stellungnahme vom 21. April 2021 über »Hospitalisierung und Sterblichkeit von COVID-19 bei Kindern in Deutschland« heißt es: »Jeder einzelne Fall eines schwer erkrankten oder verstorbenen Kindes an einer SARS-CoV-2-Infektion ist ein Fall zu viel und ein unerträgliches Einzelschicksal für Kind und Familie. Die nun seit Beginn der Pandemie gemachte Beobachtung, dass von den schätzungsweise 14 Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland nur etwa 1200 mit einer SARS-CoV-2-Infektion im Krankenhaus (< 0,01 %) behandelt werden mussten und 4 an ihrer Infektion verstarben (< 0.00002 %), sollte Anlass sein, Eltern übergroße Sorgen vor einem schweren Krankheitsverlauf bei ihren Kindern zu nehmen.« Und weiter: Die »extreme Seltenheit eines schweren oder gar tödlichen Verlaufes von SARS-CoV-2 bei Kindern und Jugendlichen ist nicht geeignet, als Argument für Schul- und Kita-Schließungen benutzt zu werden. Nur die verbleibende Behauptung, dass zwischen den Infektionen bei Kindern und Jugendlichen und der Überlastung der Intensivstationen und den schweren und tödlichen Verläufen der älteren Erwachsenen ein Zusammenhang bestehe, könnte Kita- und Schulschließungen rechtfertigen. Daten, die diese These bestätigen, fehlen allerdings« (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI)/Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) 2021, S. 1 f.).
Für die vielen Millionen Kinder, Jugendlichen, Eltern und Großeltern ist diese Erkenntnis eine enorm wichtige Nachricht zum evidenzbasierten Angst-Abbau und damit auch gesundheitsfördernd.
Auch die Stiko-Empfehlung spricht sich deutlich gegen eine Impfung als Voraussetzung sozialer Teilhabe aus (STIKO 2021, S. 2/3). Sie schreibt: »Die STIKO empfiehlt auch für alle 12-17-jährigen Kinder und Jugendliche die Impfung gegen COVID-19 mit einem der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe (…). Die STIKO spricht sich jedoch explizit dagegen aus, dass der Zugang von Kindern und Jugendlichen zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht wird« (STIKO 2021, S. 2).
Zwar argumentiert die Stiko auch für die Jugendlichen-Impfung aufgrund der Gefährlichkeit der Delta-Variante, doch gesteht sie ebenso ein, dass der bisherige Forschungsstand hierzu nicht ausreichend Belege liefert. So schreibt sie etwa: »Bisher gibt es auf Grundlage der Surveillancedaten zu COVID-19 keine Hinweise darauf, dass das Aufkommen der Delta-Variante zu einer Zunahme von COVID-19-assoziierten Hospitalisierungen und Todesfällen bei Kindern und Jugendlichen führt« (ebd., S. 22).
Auch die bisherigen Studien zu Long-Covid hält die Stiko-Empfehlungsbegründung vom 19. August 2021 für immer noch sehr fragwürdig, zumal häufig sogar empirisch ohne Kontrollgruppe gearbeitet wurde: »Eine Reihe von Studien beschreibt die Häufigkeit von Long-COVID-Symptomen bei Kindern mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion, ohne mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen. Diese Studien erfassen somit die direkte Krankheitslast durch die Infektion und psychosomatische Manifestationen der generellen pandemischen Belastungssituation, ohne zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu differenzieren. Dadurch ist die Aussagekraft limitiert, da auch die veränderten Alltagsbedingungen in der Pandemie (insbesondere lockdown und Schulschließungen) zu Krankheitssymptomen bei Kindern und Jugendlichen führen können« (ebd., S. 16). Insofern scheint die STIKO-Empfehlung vom 16. August 2021 offenbar auch weniger fachlich bedingt gewesen zu sein, denn als Zugeständnis auf politischen und medialen Druck anzusehen (man sei als Wissenschaft »der Politik entgegengekommen«, hieß es folglich vielsagend aus den Reihen der Stiko).
Indessen schlagen seit September 2021 viele Landesregierungen einen autoritäreren Kurs ein, um Druck auf noch nicht geimpfte Personen auszuüben. Dort, wo nur noch geimpfte oder genesene Menschen verkehren dürfen, wird das öffentliche Leben von nicht-geimpften Personen gesäubert. Ein 2G-Modell (genesen oder geimpft) und drohende Einschränkungen bei der Lohnfortzahlung sind Schritte zur Spaltung der Gesellschaft. Negativ getestete Personen haben jedoch nach den bisherigen Studien (bis zum Herbst 2021) in etwa dieselbe Übertragungsgefahr wie Geimpfte oder Genesene. Ihre Schlechterstellung wäre damit nicht begründbar, erst recht nicht, wenn es um Grundrechte und den Zugang zu öffentlicher Teilhabe geht.
Bei den geplanten Einschränkungen der Lohnfortzahlung stellen sich zudem nicht nur soziale, sondern auch (arbeits-)rechtliche Fragen: Um zu wissen, ob ein Arbeitgeber Lohnersatzleistungen für eine/n Beschäftigte/n beantragen darf, muss er zukünftig dessen oder deren Impfstatus kennen. Für einen solchen Zwang zur Offenlegung fehlt jede verfassungsrechtliche Grundlage. Statt skeptische Menschen aus der Öffentlichkeit zu vertreiben, braucht es kritische Aufklärung. Zwang ist in medizinischen Fragen selten ein empfehlenswertes Mittel. Dass sich dies bei entsprechend unter Druck gesetzten Eltern auch nicht gerade förderlich auf die Unterstützung und das Aufwachsen ihrer Kinder auswirken kann, dürfte sich von selbst ergeben. Denn nicht umsonst spricht sich die Ständige Impfkommission trotz Impf-Empfehlung für die 12- bis 17-Jährigen (wie bereits zitiert) »explizit dagegen aus, dass der Zugang von Kindern und Jugendlichen zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht wird« (vgl. STIKO 2021, S. 2).