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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Das romantische Berlin

Die Epo­che der lite­ra­ri­schen Roman­tik lässt sich in Deutsch­land vom Ende des 18. Jahr­hun­derts bis zur Mit­te des 19. Jahr­hun­derts ver­or­ten. Zunächst ver­sam­mel­ten sich in Jena die Früh­ro­man­ti­ker, und in Hei­del­berg agier­ten dann die Hoch­ro­man­ti­ker, wäh­rend Ber­lin als gei­sti­ges Zen­trum der Spät­ro­man­ti­ker galt. Aber wo wohn­ten und wirk­ten die Poe­ten hier in Ber­lin, das damals rund 150.000 Ein­woh­ner hat­te, und was arbei­te­ten sie im »rich­ti­gen« Leben?

Der Kul­tur­jour­na­list und Stadt­füh­rer Micha­el Bie­nert, der schon zahl­rei­che Bücher zur Lite­ra­tur- und Kul­tur­ge­schich­te Ber­lins ver­öf­fent­licht hat, nimmt in sei­ner Neu­erschei­nung die Lese­rIn­nen mit auf einen Spa­zier­gang durch das roman­ti­sche Ber­lin. Hier stell­te vor zwei­hun­dert Jah­ren eine jun­ge Gene­ra­ti­on alle über­kom­me­nen Tra­di­tio­nen in Fra­ge, und die Groß­stadt wur­de zum Expe­ri­men­tier­feld für neue Poe­sie und eine Ver­mi­schung von Kunst und Leben.

Nach einer kur­zen Ein­lei­tung geht es auch schon los mit der Roman­tik-Ent­deckung in Ber­lin. Erste Sta­ti­on ist das Goe­the-Denk­mal im Tier­gar­ten. Der Dich­ter­fürst aus Wei­mar wur­de von den Früh­ro­man­ti­kern hoch ver­ehrt. Der Goe­the­kult gehör­te zur Roman­tik wie die Ver­klä­rung des Mit­tel­al­ters oder die blaue Blu­me. In unmit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft des Pots­da­mer Plat­zes mit sei­nen impo­san­ten Hoch­häu­sern erin­nern Stra­ßen­na­men wie die Brü­der-Grimm-Gas­se, die Schel­lings­tra­ße oder die Joseph-von-Eichen­dorff-Gas­se noch heu­te dar­an, dass in die­sem Quar­tier zahl­rei­che Roman­ti­ker zeit­wei­se ihr Zuhau­se hatten.

Wei­te­re Sta­tio­nen auf dem Rund­gang sind das Kleist­haus am Zie­ten­platz, die Schlei­er­ma­cher­häu­ser oder der Doro­thea-Schle­gel-Platz, der seit 2005 an die Schrift­stel­le­rin und Über­set­ze­rin erin­nert, die auch eine Vor­rei­te­rin der Eman­zi­pa­ti­on in Deutsch­land war. Die 1810 gegrün­de­te Ber­li­ner Uni­ver­si­tät war eben­falls ein Hort der Roman­tik. An ihr lehr­ten damals unter ande­ren auch die bei­den Phi­lo­so­phen Schlei­er­ma­cher und Fich­te. Fich­tes »Reden an die deut­sche Nati­on« waren nicht nur ein flam­men­der Appell zum Wider­stand gegen Napo­le­on, mit ihnen ent­wickel­te er auch das Ide­al eines auf phi­lo­so­phi­sche Prin­zi­pi­en gegrün­de­ten Staates.

Auf dem Arn­im­platz erin­nert eine gro­ße Bron­ze­skulp­tur des Bild­hau­ers Micha­el Klein an das Dich­ter­ehe­paar Bet­ti­na und Achim von Arnim. Jah­re­lang führ­te das Paar eine Fern­be­zie­hung (sie in Ber­lin, er auf sei­nem Gut Wie­pers­dorf in der Nähe von Jüter­bog), was aber zu einem umfang­rei­chen Brief­wech­sel führ­te. Heu­te ein Glücks­fall für die Literaturgeschichte.

An rund drei­ßig Orte führt Bie­nerts roman­ti­sie­ren­der Streif­zug. Anschau­lich und leben­dig erzählt er nicht nur von den Ber­lin-Auf­ent­hal­ten der Roman­ti­ker, er gibt auch einen Über­blick über ihre gesam­te Bio­gra­fie und lässt sie gele­gent­lich mit Gedich­ten oder kur­zen Pro­sa­tex­ten selbst zu Wort kom­men. Die Neu­erschei­nung ent­puppt sich damit als ein Stadt­füh­rer und eine kom­pak­te Lite­ra­tur- und Kul­tur­ge­schich­te in einem. Auch Ber­lin-Durch­rei­sen­de wie Napo­le­on, Stendhal oder Ger­maine de Staël fin­den Berücksichtigung.

Bie­nert ist ein aus­ge­zeich­ne­ter Ken­ner des lite­ra­ri­schen Ber­lins, der die Roman­tik des 19. Jahr­hun­derts sicht­bar macht – selbst wenn an einer neu­ver­putz­ten Fas­sa­de nur noch eine Gedenk­ta­fel dar­an erin­nert. Dem begna­de­ten Fla­neur und Erzäh­ler auf den 200 Sei­ten zu fol­gen, garan­tiert Wis­sens­zu­wachs und Unter­hal­tung, denn neben Fak­ten und Details wer­den auch immer wie­der Geschich­ten und Anek­do­ten ein­ge­streut. Zum Lese­spaß trägt auch die üppi­ge Illu­stra­ti­on mit histo­ri­schen Abbil­dun­gen und aktu­el­len Fotos bei.

Micha­el Bie­nert: Das roman­ti­sche Ber­lin – Lite­ra­ri­sche Spa­zier­gän­ge, Ver­lag für Ber­lin-Bran­den­burg, Ber­lin 2022, 200 S., 25 €.