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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Das (Polit-)Barometerproblem

Der gebil­de­ten, aber auch weni­ger gebil­de­ten Bevöl­ke­rung ist bekannt, dass ein Baro­me­ter ein Mess­ge­rät zur Bestim­mung des sta­ti­schen Abso­lut-Luft­drucks ist (das ist der Luft­druck, der an einem belie­bi­gen Ort der Erd­at­mo­sphä­re herrscht) und zur Wet­ter­vor­her­sa­ge benutzt wird.

Die­ser Druck ent­steht durch die Gewichts­kraft einer Luft­säu­le auf die Erd­ober­flä­che oder einen auf ihr befind­li­chen Kör­per. Druck und Gewichts­kraft stim­men nicht über­ein, man kann aber die eine Grö­ße aus der ande­ren berech­nen. Der mitt­le­re Luft­druck der Atmo­sphä­re beträgt auf Mee­res­hö­he 101325 Pa = 1013,25 hPa (Hek­to­p­as­cal) = 1,01325 bar = 1013,25 mbar (Mil­li­bar) und ist somit ein Teil der Nor­mal­be­din­gun­gen. Nor­mal­be­din­gun­gen wer­den durch die deut­sche DIN-Norm 1343 fest­ge­legt. Wird der Luft­druck für meteo­ro­lo­gi­sche Zwecke ein­ge­setzt, so ist dies stets es ein vir­tu­el­ler Wert, der dem aero­sta­ti­schen Luft­druck auf Mee­res­hö­he entspricht.

Die Aero­sta­tik, das wol­len wir hier nicht uner­wähnt las­sen, ist ein Teil­ge­biet der Leh­re der unbe­weg­ten, ins­be­son­de­re der strö­mungs­frei­en, kom­pres­si­blen Gase. Die Aero­sta­tik beschäf­tigt sich mit der Dich­te­ver­tei­lung vor­nehm­lich in der Luft.

Wer sich mit einem oder meh­re­ren mit Luft gefüll­ten Gum­mi­rei­fen durch die mehr oder weni­ger durch Indu­strie (samt Poli­tik) ver- und zer­stör­te Land­schaft bewegt, der muss, um stö­rungs­frei vor­an­zu­kom­men, bekannt­lich auf den Rei­fen­druck ach­ten. Das Mess­ge­rät, das auch dabei eine Rol­le spielt, ist eben­falls das Baro­me­ter. Mein Groß­va­ter, der es wäh­rend des 2. Welt­kriegs in Sibiu (Her­mann­stadt) nicht ver­säum­te, den »Feind­sen­der« BBC zu hören, war aber vor allem am Wet­ter inter­es­siert. Mei­ne Groß­mutter wie­der­um, ein wenig kurz­sich­tig, klopf­te immer auf die Glas­hül­le des Baro­me­ters, bevor sie sich von die­sem Gerät über das Wet­ter infor­mier­te, was Groß­va­ter jedes Mal zu der wei­sen Bemer­kung ver­an­lass­te: »Durch klop­fen ändert sich das Wet­ter nicht.«

In unse­ren gro­ßen Zei­ten, in denen Infor­ma­ti­on alles ist, betreibt das mit einem Auge aus­kom­men­de öffent­lich-recht­li­che Fern­se­hen eine wahr­lich ein­di­men­sio­na­le Poli­tik, die bald durch den Slo­gan »Augen zu und durch – ZDF« abge­löst wer­den könn­te. Damit wäre auch end­lich die Funk­ti­on der drei Affen, nichts sehen, nichts hören, nichts sagen, die Geschäfts­grund­la­ge für jene 17,50 €, die jede Bür­ge­rin, jeder Bür­ger, der in Deutsch­land gemel­det ist, zu zah­len hat, ohne die »bezahl­te« Ware rekla­mie­ren oder gar rück­sen­den zu kön­nen – natür­lich gegen Erstat­tung der gezahl­ten Gebüh­ren. Wür­den die nicht nur im ZDF gezeig­ten Todes­op­fer der zahl­rei­chen Kri­mi­se­ri­en tat­säch­lich mas­sa­kriert, blie­be bald nur noch die Poli­zei übrig, die sich dann selbst bewa­chen könn­te. Nur, wer gefähr­det denn dann jene Sicher­heit, die uns Innen­mi­ni­ste­rin oder -mini­ster stän­dig verspricht?

Wir nähern uns lang­sam dem Ziel mei­ner Bemü­hun­gen, denn im ZDF läuft seit Jah­ren jeden zwei­ten Frei­tag im Monat, das »Polit­ba­ro­me­ter«. Wel­cher »Druck« hier eine Rol­le spielt und wie Mensch auf die­se Zah­len reagiert, hat mit dem Mess­ge­rät »Baro­me­ter« und dem Luft­druck nichts zu tun.

Nach dem »Polit­ba­ro­me­ter«, das selbst­ver­ständ­lich weder die Luft noch den Druck der­sel­ben misst, son­dern unschul­di­ge Men­schen befragt, wel­che poli­ti­sche Par­tei sie denn wäh­len wür­den, wäre am kom­men­den Sonn­tag Bun­des­tags­wahl, wird regel­mä­ßig Oli­ver Wel­kes heu­te-show aus­ge­strahlt, der wir, mit Blick auf die gera­de prä­sen­tier­ten »Baro­me­ter-Wer­te« fol­gen­den neu­en Trai­ler emp­feh­len wollen:

DAS LIED DER GLOTZOPHONGERMANEN

**unwür­dig** (Ton­la­ge) Musik nach Joseph Haydn (1732 – 1809)

Glot­zo­phon du gibst uns alles, was wir brau­chen in der Welt, denn du lügest, betrügst, ver­blen­dest, dass nichts mehr zusammenhält.

Längst erobert Maas und Memel und ver­gif­tet Etsch und Belt, auch, du gro­ßes Deutsch­kotz­fern­sehn, sen­dest viel fürs Werbegeld.

Polit­par­tein als Volks­ver­neb­ler, Sta­si, Akten, Unter­gang, lasst uns doch die Welt erschrecken

mit rhein­me­tall­schem Waf­fen­klang. Musi­kan­ten­schwin­del­sta­del, ach wir sind so Fern­seh­krank! Anti­fuß­schweiß, Slip­ein­la­gen, pfeif aufs deut­sche Vaterland!

Tat­ort­ti­me und Sex­film­näch­te, Markt­wirt­schafts­ge­schwa­fel­land, dabei woll’n wir ewig blei­ben, Gips ersetzt uns den Ver­stand! Ände­rung des Grund­ge­setz­tes ist des Glückes Unter­pfand, Hein­rich Hoff­mann Fal­lers­le­ben wäre sicher Asylant!

 

Die­se klei­ne Hym­ne könn­te hel­fen, die »Ergeb­nis­se« des ZDF-Polit­ba­ro­me­ters bes­ser ein­zu­schät­zen, und die Zah­le­rin­nen und Zah­ler die­ses ver­meint­li­chen »Mess­ge­rä­tes« zu fol­gen­dem, kla­ren Schluss füh­ren: Den Wert der poli­ti­schen Arbeit so zu bewer­ten, hat Ähn­lich­keit mit der Zie­hung der Lot­to­zah­len. Den­ken ist Glücks­sa­che. Man soll­te es bes­ser den Pfer­den über­las­sen, die haben die grö­ße­ren Köpfe.

Wer die­sem, Wis­sen­schaft­lich­keit nur sug­ge­rie­ren­den »Instru­ment«, das von nie­man­dem geeicht und auf Mess­ge­nau­ig­keit über­prüft wird, aber in der Pro­fit­ma­xi­mie­rungs­ge­sell­schaft zwei­fel­los sei­nen vor­züg­li­chen Dienst ver­rich­tet, ver­traut und mög­li­cher­wei­se sogar das eige­ne Wahl­ver­hal­ten davon beein­flus­sen lässt, könn­te bald einen Blut­druck­sen­ker brau­chen. Wäre es nicht über­aus wich­tig, wenig­stens einen Monat vor wich­ti­gen Wahl­ter­mi­nen alle Ergeb­nis­se sol­cher Polit­ba­ro­me­ter­be­fra­gun­gen zu ver­bie­ten, um das wäh­len­de Volk ein wenig zum eige­nen Den­ken anzuregen?

Ach ja, und kann mir eigent­lich jemand erklä­ren, war­um vor der wich­tig­sten Abend­nach­rich­ten­sen­dung im »öffent­lich-recht­li­chen« Fern­se­hen ein »Bör­sen­be­richt­erstat­tung« erfolgt? Wäre da nicht ein »Bericht aus der Arbeits­welt« ange­mes­se­ner, um über den tat­säch­li­chen Zustand die­ser Gesell­schaft mit nied­ri­gen Löh­nen, Arbeits­un­fäl­len und dem Wider­spruch zwi­schen Kapi­tal und Arbeit auf­zu­klä­ren? Ein all­zu from­mer Wunsch. Aber es bleibt die Fra­ge: Wel­chen Auf­trag erfül­len die Öffent­lich-recht­li­chen? In wes­sen Namen sen­den sie?

Übri­gens, auch durch das Klop­fen am Polit­ba­ro­me­ter­glas ändert sich an der Poli­tik gar nichts.