Weite Ozeane und fremde Fantasiewelten muss der Junge Vagus durchqueren, um das Mädchen Artis hinter den sieben Meeren und den sieben Bergen zu finden. Zahlreiche Abenteuer muss er bestehen, um die Gefahr zu bannen, die von dem schwarzen Drachen ausgeht, der die Welt mit seinem Feuer zu vernichten droht.
Fabelwesen, Ritter und Piraten, wilde Tiere, Trolle und Kobolde tummeln sich auf stattlichen 200 Buchseiten, und Thomas Bachmann gelingt es mit seinem märchenhaften Erzählduktus, die Neugier des Lesers zu wecken und wach zu halten. Mag kommen, was will.
Ein poetisches, ein vielschichtiges, unterhaltsames, optimistisches Märchen also, anregend und nachdenklich stimmend. Dennoch ist Vagus und der schwarze Drache kein normales, kein gewöhnliches, erst recht kein alltägliches Kinderbuch. Kriegswaffen aus einer mittelalterlichen Rüstkammer zeigt der Umschlag. Bachmanns Buch kommt im üblichen, soliden Gewand des Berliner Verlags Am Park daher, unterscheidet sich beim ersten Blick auf das Cover kaum von den Schlafenden Hunden, den Gedichtsammlungen, bei denen das Leipziger Allround-Talent bereits seit vielen Jahren als Herausgeber fungiert.
Auf Altersempfehlungen verzichtet Thomas Bachmann in seinem neuesten Werk zu Recht, auch junggebliebene Ältere lesen Vagus und der schwarze Drache mit Gewinn – oder vermitteln es der nachfolgenden Generation. Ein wunderbares Buch zum Schmökern, ebenso gut geeignet für kapitel- oder seitenweises Vorlesen für die Jüngsten, deren Fantasie noch nicht verschüttet, vielmehr entwicklungsfähig ist und nur wachgehalten werden muss.
Thomas Bachmann schafft es, den Leser mitzunehmen auf eine märchenhafte Abenteuer- und Lebensreise, die man durchaus auch politisch interpretieren darf. Handlung und Figuren lassen dabei im Kopf bekannte und gängige, zugleich aber eigene, unverbrauchte und zeitlos gültige Bilder entstehen, denen sich jüngere und ältere Leser getrost anvertrauen dürfen. Auf diese Weise beflügelt der Autor die Fantasie, erzeugt Spannung, macht Mut und mündig.
Unaufdringliche, sparsam verteilte, farblich zarte Illustrationen runden das Buch ab, lassen Raum für Fantasie und ergänzen den Text auf ihre Art. Thomas Bachmanns ist eben nicht nur Musiker, Komponist, bemerkenswerter Lyriker und nebenbei auch Grafiker. In diesem Fall erweist er sich darüber hinaus als fantasiereicher Fabulierer und unaufgeregter Erzähler, der seine Geschichte stringent und facettenreich voranbringt, dabei trefflich zu nuancieren vermag und feine Stimmungen und Schwingungen erzeugt. Bachmanns jüngstes Werk macht nachdenklich, gerade in dieser Zeit der Kriege und Krisen, der Gefährdungen, Verluste und großen Verwerfungen.
Dass es auch Hoffnung macht, belegt folgendes kleines Zitat: So ist das wohl, wenn man eine Gefahr überstanden hat. Dann scheint die Sonne besonders hell, das Gras ist besonders grün und der Himmel besonders blau. Und die Sommersprossen natürlich, die tanzen an einem solchen Morgen ganz besonders auf den Nasen herum, es kann einem wirklich schwindlig davon werden. Aber wenn man es genau bedenkt, so sind es natürlich nicht die Sommersprossen selbst, es ist die Liebe, die sie tanzen lässt.
Ohne Durchhaltevermögen, ohne Liebe und ohne verlässliche Freunde und Verbündete, lautet eine Bachmannsche Einsicht, lässt sich das Abenteuer Leben nicht bestehen. Gleichzeitig macht Vagus und der schwarze Drache auch jede Menge Spaß: ein berührendes, fantasiereiches, zugleich ehrliches und mutiges Buch – nicht nur für Kinderhände.
Thomas Bachmann: Vagus und der schwarze Drache, Eine Abenteuergeschichte für Kinder; Verlag am Park, Berlin, 18 €.