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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Corona-Showtime in Berlin

Zu Beginn des Jah­res wur­de deut­lich, dass »Lock­down«, der eng­li­sche Begriff für »Aus­gangs­sper­re«, hier­zu­lan­de eine ande­re Bedeu­tung haben muss: »Brut­to­in­lands­pro­dukt im Jahr 2020 um 5,0 Pro­zent gesun­ken«, mel­de­te das Sta­ti­sti­sche Bun­des­amt. Fast fünf Mona­te »Lock­down« in 2020 und die Pro­duk­ti­on lässt nur um fünf Pro­zent nach? Das war für man­che dann doch zu offen­sicht­lich. Eine inter­es­san­te Dis­kus­si­on über das Infek­ti­ons­ri­si­ko in Betrie­ben und auf dem Weg zur Arbeit flamm­te kurz auf. Im Infek­ti­ons­schutz-Gesetz, dem »Drit­ten Gesetz zum Schutz der Bevöl­ke­rung bei einer epi­de­mi­schen Lage von natio­na­ler Trag­wei­te« gibt es kei­ne Rege­lun­gen zu Unter­neh­men, die Beleg­schaf­ten in den Betrie­ben blei­ben uner­wähnt. Nicht nur in Rüstungs­be­trie­ben wur­de 2020 durch­gän­gig in drei Schich­ten gearbeitet.

»Wir müs­sen end­lich in einen rich­ti­gen Lock­down gehen« for­der­te hin-gegen der Mini­ster­prä­si­dent Thü­rin­gens, Bodo Rame­low. »Ob letzt­lich nicht ein kom­plet­ter Lock­down von zwei bis drei Wochen bes­ser ist als eine end­lo­se Hän­ge­par­tie«, frag­te selbst Thor­sten Frei, Uni­ons­frak­ti­ons­vi­ze im Bundestag.

»Sie kön­nen doch nicht alle Betrie­be schlie­ßen«, ent­geg­ne­te Rai­ner Dul­ger, Prä­si­dent der »Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de« (BDA), und sprach damit wohl ein Macht­wort. Im März streik­ten in Nord­ita­li­en Arbei­ter für Betriebs­schlie­ßun­gen als Coro­na-Schutz­maß­nah­me – für den DGB-Vor­sit­zen­de Rei­ner Hoff­mann ist dies unvor­stell­bar: »Um die ohne­hin ange­spann­te Wirt­schaft nicht wei­ter zu bela­sten und die Beschäf­ti­gung der Men­schen zu sichern, soll­ten Betrie­be unter Wah­rung des Arbeits- und Gesund­heits­schut­zes geöff­net bleiben.«

Im Vor­feld der Janu­ar-Bera­tun­gen zwi­schen Bun­des­kanz­ler­amt und Mini­ster­prä­si­den­ten wur­den dann zuneh­mend For­de­run­gen zum Schutz von Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ten dis­ku­tiert. Auch der Bun­des­prä­si­dent posi­tio­nier­te sich. »Lei­der erkran­ken bei uns im Land nach wie vor viel zu vie­le Men­schen an Coro­na. Und die hohe Zahl der Men­schen, die an dem Virus ster­ben, ist trau­rig und erschüt­ternd«, beton­te Frank-Wal­ter Stein­mei­er. Dies »ver­an­lasst mich heu­te zu dem Schritt, gemein­sam mit dem Prä­si­den­ten der BDA und dem Vor­sit­zen­den des DGB, an alle Men­schen in Deutsch­land zu appel­lie­ren: Wir müs­sen auch die Kon­tak­te – wo irgend mög­lich – am Arbeits­platz redu­zie­ren. Weni­ger ist mehr«, des­halb erfol­ge »unser gemein­sa­mer Auf­ruf an Unter­neh­men, Per­so­nal­ver­ant­wort­li­che und Füh­rungs­kräf­te: Ermög­li­chen Sie das Arbei­ten von zu Hause!«

Als rei­ne Show-Ver­an­stal­tung ent­pupp­te sich die­ser Appell schnell, denn Kon­se­quen­zen hat­te er kei­ne – weder wur­de ein Geset­zes­ent­wurf ein­ge­for­dert, noch sorg­ten BDA und DGB für ent­spre­chen­de Tarif­ver­trä­ge mit kla­ren Beschäf­tig­ten­rech­ten und Ent­schä­di­gun­gen für die Raum­nut­zung des Heimarbeitsplatzes.

The show must go on: Bund und Län­der einig­ten sich am 19. Janu­ar 2021 auf eine vor­über­ge­hen­de Pflicht von Unter­neh­men, Home­of­fice anzu­bie­ten, mel­de­ten die mei­sten Medi­en. Bun­des­ar­beits­mi­ni­ster Huber­tus Heil (SPD) for­der­te umge­hend die Unter­neh­men auf, die neu­en Home­of­fice-Mög­lich­kei­ten zu nut­zen. Das dies als rei­ne Show­ver­an­stal­tung gemeint war, um etwa im »Lock­down« Ein­schrän­kun­gen für die Export­in­du­strie zu ver­mei­den, wur­de beim Blick in die von Heil spä­ter erlas­se­ne »SARS-CoV-2-Arbeits­schutz­ver­ord­nung« deut­lich. Die­se sieht in § 2 für Büro­ar­bei­ten ledig­lich vor, dem Ange­stell­ten »anzu­bie­ten, die­se Tätig­kei­ten in deren Woh­nung aus­zu­füh­ren, wenn kei­ne zwin­gen­den betriebs­be­ding­ten Grün­de ent­ge­gen­ste­hen«. Sank­tio­nen feh­len völ­lig. Statt­des­sen heißt es in der Begrün­dung der Ver­ord­nung: »Auch künf­tig soll es kei­nen Rechts­an­spruch auf Arbei­ten im Home­of­fice geben. Ein sub­jek­ti­ves Kla­ge­recht von Beschäf­tig­ten ist, wie im Arbeits­schutz­recht üblich, damit nicht verbunden.«

»Wo es mög­lich ist, sol­len sie es ermög­li­chen und das wird im Zwei­fels­fall auch von Arbeits­schutz­be­hör­den über­prüft«, tön­te Heil trotz­dem medi­en­wirk­sam. Dass dies nur lee­re Dro­hun­gen sind, war Ken­nern der recht­li­chen und betrieb­li­chen Situa­ti­on bewusst. Das Bun­des­ar­beits­mi­ni­ste­ri­um kann gar nicht kon­trol­lie­ren, da die Arbeits­schutz­äm­ter Län­der­sa­che sind. Und was machen die? »Auch die Ämter für Arbeits­schutz haben in wei­ten Tei­len auf Home-Office umge­stellt«, erläu­tert der IG BAU-Vor­sit­zen­de, Robert Fei­ger, und kri­ti­siert: »Eini­ge Bun­des­län­der las­sen so den Arbeits­schutz regel­recht schlei­fen – und das betrifft aus­drück­lich auch die Coro­na-Prä­ven­ti­on, also den Schutz vor einer Infek­ti­on mit dem Covid-19-Virus am Arbeitsplatz.«

Sehr viel deut­li­cher wird die Kam­pa­gne »#Zero­Co­vid«. Sie for­dert Fabri­ken, Büros, Betrie­be und Bau­stel­len zu schlie­ßen – Gesund­heits­schutz soll wich­ti­ger als Pro­fit sein! Die Initia­ti­ve ist zu fin­den unter: https://zero-covid.org/.