Zu Beginn des Jahres wurde deutlich, dass »Lockdown«, der englische Begriff für »Ausgangssperre«, hierzulande eine andere Bedeutung haben muss: »Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 um 5,0 Prozent gesunken«, meldete das Statistische Bundesamt. Fast fünf Monate »Lockdown« in 2020 und die Produktion lässt nur um fünf Prozent nach? Das war für manche dann doch zu offensichtlich. Eine interessante Diskussion über das Infektionsrisiko in Betrieben und auf dem Weg zur Arbeit flammte kurz auf. Im Infektionsschutz-Gesetz, dem »Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite« gibt es keine Regelungen zu Unternehmen, die Belegschaften in den Betrieben bleiben unerwähnt. Nicht nur in Rüstungsbetrieben wurde 2020 durchgängig in drei Schichten gearbeitet.
»Wir müssen endlich in einen richtigen Lockdown gehen« forderte hin-gegen der Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow. »Ob letztlich nicht ein kompletter Lockdown von zwei bis drei Wochen besser ist als eine endlose Hängepartie«, fragte selbst Thorsten Frei, Unionsfraktionsvize im Bundestag.
»Sie können doch nicht alle Betriebe schließen«, entgegnete Rainer Dulger, Präsident der »Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände« (BDA), und sprach damit wohl ein Machtwort. Im März streikten in Norditalien Arbeiter für Betriebsschließungen als Corona-Schutzmaßnahme – für den DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann ist dies unvorstellbar: »Um die ohnehin angespannte Wirtschaft nicht weiter zu belasten und die Beschäftigung der Menschen zu sichern, sollten Betriebe unter Wahrung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes geöffnet bleiben.«
Im Vorfeld der Januar-Beratungen zwischen Bundeskanzleramt und Ministerpräsidenten wurden dann zunehmend Forderungen zum Schutz von Verwaltungsangestellten diskutiert. Auch der Bundespräsident positionierte sich. »Leider erkranken bei uns im Land nach wie vor viel zu viele Menschen an Corona. Und die hohe Zahl der Menschen, die an dem Virus sterben, ist traurig und erschütternd«, betonte Frank-Walter Steinmeier. Dies »veranlasst mich heute zu dem Schritt, gemeinsam mit dem Präsidenten der BDA und dem Vorsitzenden des DGB, an alle Menschen in Deutschland zu appellieren: Wir müssen auch die Kontakte – wo irgend möglich – am Arbeitsplatz reduzieren. Weniger ist mehr«, deshalb erfolge »unser gemeinsamer Aufruf an Unternehmen, Personalverantwortliche und Führungskräfte: Ermöglichen Sie das Arbeiten von zu Hause!«
Als reine Show-Veranstaltung entpuppte sich dieser Appell schnell, denn Konsequenzen hatte er keine – weder wurde ein Gesetzesentwurf eingefordert, noch sorgten BDA und DGB für entsprechende Tarifverträge mit klaren Beschäftigtenrechten und Entschädigungen für die Raumnutzung des Heimarbeitsplatzes.
The show must go on: Bund und Länder einigten sich am 19. Januar 2021 auf eine vorübergehende Pflicht von Unternehmen, Homeoffice anzubieten, meldeten die meisten Medien. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte umgehend die Unternehmen auf, die neuen Homeoffice-Möglichkeiten zu nutzen. Das dies als reine Showveranstaltung gemeint war, um etwa im »Lockdown« Einschränkungen für die Exportindustrie zu vermeiden, wurde beim Blick in die von Heil später erlassene »SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung« deutlich. Diese sieht in § 2 für Büroarbeiten lediglich vor, dem Angestellten »anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen«. Sanktionen fehlen völlig. Stattdessen heißt es in der Begründung der Verordnung: »Auch künftig soll es keinen Rechtsanspruch auf Arbeiten im Homeoffice geben. Ein subjektives Klagerecht von Beschäftigten ist, wie im Arbeitsschutzrecht üblich, damit nicht verbunden.«
»Wo es möglich ist, sollen sie es ermöglichen und das wird im Zweifelsfall auch von Arbeitsschutzbehörden überprüft«, tönte Heil trotzdem medienwirksam. Dass dies nur leere Drohungen sind, war Kennern der rechtlichen und betrieblichen Situation bewusst. Das Bundesarbeitsministerium kann gar nicht kontrollieren, da die Arbeitsschutzämter Ländersache sind. Und was machen die? »Auch die Ämter für Arbeitsschutz haben in weiten Teilen auf Home-Office umgestellt«, erläutert der IG BAU-Vorsitzende, Robert Feiger, und kritisiert: »Einige Bundesländer lassen so den Arbeitsschutz regelrecht schleifen – und das betrifft ausdrücklich auch die Corona-Prävention, also den Schutz vor einer Infektion mit dem Covid-19-Virus am Arbeitsplatz.«
Sehr viel deutlicher wird die Kampagne »#ZeroCovid«. Sie fordert Fabriken, Büros, Betriebe und Baustellen zu schließen – Gesundheitsschutz soll wichtiger als Profit sein! Die Initiative ist zu finden unter: https://zero-covid.org/.