In der Mitte des Bebelplatzes befindet sich die Bibliothek, das Denkmal »Die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933«. Es wurde von dem israelischen Künstler Micha Ullman geschaffen und 1995 eingeweiht. Die Texte auf den beiden identisch beschrifteten Bronzetafeln neben der Glasplatte beginnen mit Heinrich Heines Worten aus der Tragödie Almansor: »Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.«
1993 hatte das Land Berlin, vertreten durch den damaligen Bausenator Wolfgang Nagel, einen Wettbewerb ausgelobt. Zwar erinnere eine Gedenktafel am Alten Palais an die Bücherverbrennung von 1933. Aber: »Sie wird dem Anlass aus heutiger Sicht nicht gerecht.« Hätte der Mann sich doch gründlicher informiert.
Nur wenige Schritte sind es von hier bis zum Portal der »Kommode«, wie die Berliner die Baulichkeit nennen. Daneben hat die erwähnte Bronzetafel ihren Platz. Sie geht, so heißt es, auf den DDR-Schriftsteller Heinz Knobloch zurück, der mit seinem Moses-Mendelssohn-Buch für ein Denken und Handeln in Toleranz warb. Die Gedenkplatte selbst hat eine wechselhafte Geschichte.
Auf Abbildungen von 1980 ist zunächst nur die Inschrift ohne Datum zu lesen. Später dann: »Auf diesem Platz vernichtete nazistischer Ungeist die besten Werke der deutschen und der Weltliteratur. Die faschistische Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 sei ewige Mahnung, wachsam zu sein gegen Imperialismus und Krieg. 12. Mai 1983.«
Der langjährige Theaterintendant Dr. Siegfried Wein erinnerte unlängst daran, wie diese Inschrift ad hoc entstanden war (nd vom 10. Mai 2021: »Gesicht zeigen«). Er hatte von Konrad Naumann, damals Bezirkschef der SED in Berlin, den Auftrag bekommen, einen Text für die Gedenktafel zu entwerfen. Wein wandte sich an seinen Freund Peter Edel und bat ihn um Ideen. So kam der Text zustande.
Heines Worte standen im Winter 1943 auf heimlich gedruckten Zetteln. Als Stalingrad zum Menetekel für die deutschen Angreifer wurde, klebten sie zwei junge Leute nachts hastig am damaligen Opernplatz an die Mauern. Mitten in der braunen Bannmeile für ihresgleichen – »Sternträger« nannten sie sich selbst. Es waren der spätere Journalist und Schriftsteller Peter Edel-Hirschweh und seine Frau Lieselotte, die Auschwitz nicht überlebte.
Mit ausgelöst wurde diese Aktion durch die Verhaftung des Vaters und den Fund eines kleinen Reclam-Bändchens mit Heines »Gedanken und Maximen«. Es war in der »Reichskristallnacht« der Vernichtung entgangen, als drei SA-Männer die Bibliothek von Erich Hirschweh verwüsteten und die Bücher aus dem Fenster warfen (vgl. Peter Edel »Wenn es ans Leben geht«, 4. Auflage 1979, S. 285 ff.).
Im Bildarchiv Foto Marburg wird zu einem Foto von 1992 mehr erwähnt: Gedenktafel zur Erinnerung an die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, Standort: Berlin, Mitte (Berlin), Bebelplatz. Und weiter: »Entwurf Peter Edel, Zeichner; Datierung 1983; Guss 1983 05.12; Denkmalskulptur, Bronze, Maße 70 x 100 cm.« Woher diese Angaben des Fotografen zu der Aufnahme herrühren, ließ sich bislang nicht ergründen.
In den neunziger Jahren der »Delegitimierung« der DDR kann ein Verweis auf den Urheber irgendwie verschwunden sein. Das würde dem Text entsprechen, den die Berliner Senatsbauverwaltung dem Bebelplatz widmete. Prägnante Bauten, heißt es da, weitgehend im 18. Jahrhundert geplant und gebaut, säumen ihn. Im Zweiten Weltkrieg ausnahmslos stark zerstört, wurden sie im Wesentlichen bis Mitte der 60er Jahre wiederhergestellt. Es sind die Deutsche Staatsoper, die Alte Bibliothek, die St.-Hedwigs-Kathedrale, die Humboldt-Universität und ein Bankgebäude, also Repräsentanten von Kunst, Religion, Wissenschaft und Finanzen.
Vollbracht haben das Aufbauwunder offenbar die illegal eingeschleusten Kölner Heinzelmännchen. Selig sind, die das glauben. Nur, um nicht Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, nennen und dem zweiten deutschen Staat der Nachkriegszeit Anerkennung für die aufwändige Wiederherstellung zollen zu müssen.
Es wäre an der Zeit, die Gedenktafel am Alten Palais um den Hintergrund ihrer Entstehung zu bereichern und an Peter Edel und seine Frau Lilo zu erinnern. Die Humboldt-Universität und sinniger Weise die Juristische Fakultät als Hausherr der »Kommode« könnten der Wahrheit und Gerechtigkeit und dem Gedenken einen guten Dienst erweisen.
Die zerkratzte Spezialscheibe über der »Bibliothek« muss übrigens regelmäßig ausgetauscht werden. Die Kosten übernahm bis Ende 2018 die Wall AG. Seit Ende März 2019 trägt der ehemalige Unternehmer Hans Wall wieder die Kosten zur Instandhaltung des Denkmals. Eine neue Glasplatte kostet etwa 2000 Euro, was man sich, nach seinen Worten, ja wohl noch leisten könne. »Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, Berlin kümmere sich nicht um das Denkmal«, sagte er damals. Ganz ohne bitteren Beigeschmack ist diese causa sicher nicht
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Am 12. Juli 2021 jährt sich der Geburtstag von Peter Edel zum 100. Male. Nach der Befreiung aus dem KZ Ebensee bereicherte er von Bad Ischl aus mit seinen Texten auch Die Weltbühne, in der er erstmals seine Zeit im »Block neunzehn« schilderte, der Fälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen.