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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Berliner Art zu erinnern

In der Mit­te des Bebel­plat­zes befin­det sich die Biblio­thek, das Denk­mal »Die Bücher­ver­bren­nung vom 10. Mai 1933«. Es wur­de von dem israe­li­schen Künst­ler Micha Ull­man geschaf­fen und 1995 ein­ge­weiht. Die Tex­te auf den bei­den iden­tisch beschrif­te­ten Bron­ze­ta­feln neben der Glas­plat­te begin­nen mit Hein­rich Hei­nes Wor­ten aus der Tra­gö­die Alman­sor: »Das war ein Vor­spiel nur, dort wo man Bücher ver­brennt, ver­brennt man am Ende auch Menschen.«

1993 hat­te das Land Ber­lin, ver­tre­ten durch den dama­li­gen Bau­se­na­tor Wolf­gang Nagel, einen Wett­be­werb aus­ge­lobt. Zwar erin­ne­re eine Gedenk­ta­fel am Alten Palais an die Bücher­ver­bren­nung von 1933. Aber: »Sie wird dem Anlass aus heu­ti­ger Sicht nicht gerecht.« Hät­te der Mann sich doch gründ­li­cher informiert.

Nur weni­ge Schrit­te sind es von hier bis zum Por­tal der »Kom­mo­de«, wie die Ber­li­ner die Bau­lich­keit nen­nen. Dane­ben hat die erwähn­te Bron­ze­ta­fel ihren Platz. Sie geht, so heißt es, auf den DDR-Schrift­stel­ler Heinz Knob­loch zurück, der mit sei­nem Moses-Men­dels­sohn-Buch für ein Den­ken und Han­deln in Tole­ranz warb. Die Gedenk­plat­te selbst hat eine wech­sel­haf­te Geschichte.

Auf Abbil­dun­gen von 1980 ist zunächst nur die Inschrift ohne Datum zu lesen. Spä­ter dann: »Auf die­sem Platz ver­nich­te­te nazi­sti­scher Ungeist die besten Wer­ke der deut­schen und der Welt­li­te­ra­tur. Die faschi­sti­sche Bücher­ver­bren­nung vom 10. Mai 1933 sei ewi­ge Mah­nung, wach­sam zu sein gegen Impe­ria­lis­mus und Krieg. 12. Mai 1983.«

Der lang­jäh­ri­ge Thea­ter­in­ten­dant Dr. Sieg­fried Wein erin­ner­te unlängst dar­an, wie die­se Inschrift ad hoc ent­stan­den war (nd vom 10. Mai 2021: »Gesicht zei­gen«). Er hat­te von Kon­rad Nau­mann, damals Bezirks­chef der SED in Ber­lin, den Auf­trag bekom­men, einen Text für die Gedenk­ta­fel zu ent­wer­fen. Wein wand­te sich an sei­nen Freund Peter Edel und bat ihn um Ideen. So kam der Text zustande.

Hei­nes Wor­te stan­den im Win­ter 1943 auf heim­lich gedruck­ten Zet­teln. Als Sta­lin­grad zum Mene­te­kel für die deut­schen Angrei­fer wur­de, kleb­ten sie zwei jun­ge Leu­te nachts hastig am dama­li­gen Opern­platz an die Mau­ern. Mit­ten in der brau­nen Bann­mei­le für ihres­glei­chen – »Stern­trä­ger« nann­ten sie sich selbst. Es waren der spä­te­re Jour­na­list und Schrift­stel­ler Peter Edel-Hirsch­weh und sei­ne Frau Lie­se­lot­te, die Ausch­witz nicht überlebte.

Mit aus­ge­löst wur­de die­se Akti­on durch die Ver­haf­tung des Vaters und den Fund eines klei­nen Reclam-Bänd­chens mit Hei­nes »Gedan­ken und Maxi­men«. Es war in der »Reichs­kri­stall­nacht« der Ver­nich­tung ent­gan­gen, als drei SA-Män­ner die Biblio­thek von Erich Hirsch­weh ver­wü­ste­ten und die Bücher aus dem Fen­ster war­fen (vgl. Peter Edel »Wenn es ans Leben geht«, 4. Auf­la­ge 1979, S. 285 ff.).

Im Bild­ar­chiv Foto Mar­burg wird zu einem Foto von 1992 mehr erwähnt: Gedenk­ta­fel zur Erin­ne­rung an die Bücher­ver­bren­nung am 10. Mai 1933, Stand­ort: Ber­lin, Mit­te (Ber­lin), Bebel­platz. Und wei­ter: »Ent­wurf Peter Edel, Zeich­ner; Datie­rung 1983; Guss 1983 05.12; Denk­mal­skulp­tur, Bron­ze, Maße 70 x 100 cm.« Woher die­se Anga­ben des Foto­gra­fen zu der Auf­nah­me her­rüh­ren, ließ sich bis­lang nicht ergründen.

In den neun­zi­ger Jah­ren der »Dele­gi­ti­mie­rung« der DDR kann ein Ver­weis auf den Urhe­ber irgend­wie ver­schwun­den sein. Das wür­de dem Text ent­spre­chen, den die Ber­li­ner Senats­bau­ver­wal­tung dem Bebel­platz wid­me­te. Prä­gnan­te Bau­ten, heißt es da, weit­ge­hend im 18. Jahr­hun­dert geplant und gebaut, säu­men ihn. Im Zwei­ten Welt­krieg aus­nahms­los stark zer­stört, wur­den sie im Wesent­li­chen bis Mit­te der 60er Jah­re wie­der­her­ge­stellt. Es sind die Deut­sche Staats­oper, die Alte Biblio­thek, die St.-Hedwigs-Kathedrale, die Hum­boldt-Uni­ver­si­tät und ein Bank­ge­bäu­de, also Reprä­sen­tan­ten von Kunst, Reli­gi­on, Wis­sen­schaft und Finanzen.

Voll­bracht haben das Auf­bau­wun­der offen­bar die ille­gal ein­ge­schleu­sten Köl­ner Hein­zel­männ­chen. Selig sind, die das glau­ben. Nur, um nicht Ber­lin, Haupt­stadt der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik, nen­nen und dem zwei­ten deut­schen Staat der Nach­kriegs­zeit Aner­ken­nung für die auf­wän­di­ge Wie­der­her­stel­lung zol­len zu müssen.

Es wäre an der Zeit, die Gedenk­ta­fel am Alten Palais um den Hin­ter­grund ihrer Ent­ste­hung zu berei­chern und an Peter Edel und sei­ne Frau Lilo zu erin­nern. Die Hum­boldt-Uni­ver­si­tät und sin­ni­ger Wei­se die Juri­sti­sche Fakul­tät als Haus­herr der »Kom­mo­de« könn­ten der Wahr­heit und Gerech­tig­keit und dem Geden­ken einen guten Dienst erweisen.

Die zer­kratz­te Spe­zi­al­schei­be über der »Biblio­thek« muss übri­gens regel­mä­ßig aus­ge­tauscht wer­den. Die Kosten über­nahm bis Ende 2018 die Wall AG. Seit Ende März 2019 trägt der ehe­ma­li­ge Unter­neh­mer Hans Wall wie­der die Kosten zur Instand­hal­tung des Denk­mals. Eine neue Glas­plat­te kostet etwa 2000 Euro, was man sich, nach sei­nen Wor­ten, ja wohl noch lei­sten kön­ne. »Es wäre fatal, wenn der Ein­druck ent­stün­de, Ber­lin küm­me­re sich nicht um das Denk­mal«, sag­te er damals. Ganz ohne bit­te­ren Bei­geschmack ist die­se cau­sa sicher nicht

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Am 12. Juli 2021 jährt sich der Geburts­tag von Peter Edel zum 100. Male. Nach der Befrei­ung aus dem KZ Eben­see berei­cher­te er von Bad Ischl aus mit sei­nen Tex­ten auch Die Weltbühne, in der er erst­mals sei­ne Zeit im »Block neun­zehn« schil­der­te, der Fäl­scher­werk­statt im KZ Sachsenhausen.