Von den Konzernmedien ist man es gewohnt, dass sie im Interesse ihrer Eigner Sprachrohr der ihnen genehmen Regierungspolitik sind. Das Gleiche gilt aufgrund seiner Konstruktion und handverlesener Leitungsgremien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – in beiden Fällen mithilfe williger Marionetten.
Anders verhält es sich bei lexikalischen Standardwerken, die der Darstellung nüchterner Fakten und Daten verpflichtet sind. Umso mehr erstaunt es, dass das als seriös geltende Bibliographische Institut von dem ungeschriebenen Gesetz abweicht, wie ein Blick in die kürzlich erschienene 28. Auflage des »Duden – Die deutsche Rechtschreibung: Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der aktuellen amtlichen Regeln« zeigt. In zahlreichen Fällen übernimmt die Redaktion die regierungsamtliche Sichtweise und Sprachregelung. Vermutlich will man als quasi Nationalmedium nicht abseits stehen, was schon durch die Verlegung des Herausgeberortes von Mannheim nach Berlin befördert wurde.
Mit besonderer Verve nimmt man sich Russlands und seiner Führung an. Dessen Präsident wird beiläufig als »Putin (russ. Politiker)« erwähnt und wohl nicht zufällig auf eine Stufe mit »Stalin (sowj. Politiker)« gestellt. Weder werden sein Vorname noch seine Funktion angegeben. Da sieht es bei Gorbatschow als »sowjetischer Staatsmann« schon anders aus, ganz zu schweigen von den Leuchttürmen unseres Wertesystems, die als »Trump, Donald (Präsident der USA)« und »Obama, Barack (Präsident der USA)« gewürdigt werden. Und sogar »Franco, Francisco (span. General u. Politiker)« hat es geschafft! Da fällt einem das Stichwort »Diktatur« ein, das man mit zahlreichen Namen aus allen Zeitepochen assoziieren kann und nicht erläutern muss. Anders der Duden, für den das ausschließlich »Diktatur des Proletariats (marx.)« bedeutet. Keine Deutung ist abwegig genug, wenn sie nur ihren beabsichtigten Zweck erfüllt. Hier ist die Redaktion zu tadeln: Statt des gewählten obsoleten Begriffs wäre doch die von interessierter Seite tagaus, tagein mit vollen Backen posaunte »SED-Diktatur« aktueller und der Sache dienlicher gewesen. Aber sonst erfüllt man auch hier die Vorgaben, wenn man einem Wort wie »Mauer«, unter dem sich selbst ein Bildungsferner etwas vorstellen kann, »Mauerbau«, »Mauerfall« und »Mauerspecht« zuordnet.
Zurück nach Russland. Dass die Herabsetzung Putins kein Zufall ist, wird bei den Angaben zur Wörterbuchbenutzung deutlich. Unter D22 (Bindestrich) wird als Beispiel »Eine Putin-kritische Gruppierung« genannt und – damit es sich besser einprägt – unter D135 (Namen) wiederholt. Wäre das absichtslos, hätte man hier ein anderes Beispiel gewählt.
Beim Stichwort »Kreml« wird unter anderem notiert, dass das Wort übertragen für Regierung Russlands steht, um dann mit »Kremlkritiker«, »Kremlkritikerin« und »kremlkritisch« die Richtung zu weisen. Zu »Krim« findet man nicht etwa den beliebten Krimsekt, sondern selbstverständlich die »Krimannexion«.
Im nächsten Jahr ist Bundestagswahl, deren Ergebnis aus heutiger Sicht eher eine Wende zum noch Schlechteren erwarten lässt, selbst wenn der russophobe Außenminister ein anderer ist. Wenn die wieder anvisierten 75.000 Exemplare der aktuellen Duden-Printausgabe verkauft sind, wartet auf die Redaktion ausreichend neuer Stoff, zumal man in Berlin näher an den Machteliten ist und deren Sichtweise samt Gebrauchsanweisung (sprich: Sprachregelung) schneller und ungefiltert ankommt. Man darf auf die 29. Auflage gespannt sein!
Übrigens lautet das Duden-Leitbild: »Sprache sagt alles.« Und weiter führt der Verlag auf seiner Website aus: »… Duden hilft uns seit Jahrzehnten, den ›Schlüssel‹ Sprache richtig und sinnvoll zu nutzen: um zu verstehen, um uns auszudrücken, um uns zu verständigen.« Man ist sich seiner Macht bewusst und gibt den Schlüssel zur Welt gezielt vor.