Die paar abstrusen rechten Gestalten, die da in Corona-Zeiten in Simmering auf und abgehen oder sich am Heldenplatz zusammenrotten, versuchen nach und nach, in größeren Zusammenhängen skandierend zu denken. Das »chinesische Virus« und der Umgang der Regierungen mit der Pandemie sowie den Auswirkungen derselben auf die Volksgesundheit sind für die eine oder andere Hausfrau mit ihrem biertrinkenden Mann im Schlepptau die Einübung in eine weltpolitische Dimension des rechten Denkens.
So haben es die gescheiteren Gescheiterten unter ihnen, die Intellektuellen der Inneren Partei gerne, auf ihre »Prolos« (Orwell) ist Verlass. Verschwörungstheorien sind gut für den Kreislauf und bringen das Blut in Wallung. Keine Maske zu tragen, das bedeutet auch mehr Sauerstoff und lässt den Intellekt der Biertrinker zur Hochform auflaufen. Längst ist nicht mehr nur von Vaszinen die Rede, es geht um den bevorstehenden Untergang des Abendlandes. Unter Anleitung der Vordenker der Inneren Partei (Orwell) erweitert sich der Horizont über Simmering hinaus bis in den Kaukasus, einer der letzten Bastionen des christlichen Abendlandes, bedroht und belagert von türkischen Horden und Islamisten-Söldnertrupps.
Diese martialische Definition von Kulturkampf trifft vor allem auf das traurige Schicksal der Armenier zu, der ersten christlichen Nation der Welt. Diese befinden sich tatsächlich in einem Kulturkampf, weil es um die Rettung ihrer Existenz geht, um die Bewahrung ihrer Kultur, die jedoch – und hier irren die Rechtsradikalen aus Simmering – eben nicht martialisch, sondern von christlichen Traditionen wie Toleranz oder menschenfreundlicher Intelligenz geprägt ist, den Tugenden und Werten der »Weicheier«, wie die Retter des Abendlandes im fernen, Corona-geknechteten »Altreich« konstatieren.
Bisher ist es für die Armenier im aktuellen Karabach-Konflikt tatsächlich blöd gelaufen, was hatten die Nachfahren des sagenumwobenen Stammvaters »Hayk«, der älter ist als jeder »Tuisco« oder cheruskische Hermann. den islamistischen Horden auch schon entgegenzusetzen? Ausgerechnet von den Russen, diesem minderwertigen slawischen Volk mussten sie sich retten lassen. Für die österreichischen Rechten, ob für die Prolos oder die Mitglieder der Inneren Partei ist das naturgemäß ein Skandal und ein weiterer Hinweis auf den Untergang des Abendlandes, der nicht mehr nur bevorsteht, sondern längst im Gange ist – groteskerweise haben sich jetzt auch ein paar fundamentalistische Opus-Dei-Jünger und konservative Anthroposophen hinzugesellt. Derselben Meinung sind sogar die von den arischen Rechten unter ihre Fittiche genommenen Kleinslawen (Tschechen, Polen etc.), die ja auch ihre Probleme mit den großslawischen Russen hatten und haben und als nationale Entität ebenso kleindimensioniert sind wie die Armenier, die am äußersten Rand, an der vordersten Front des untergehenden Abendlandes gerade noch existieren. So ist der Existenzkampf der ur- oder proto-arischen Armenier ein Fanal und exemplarisch für die rechtsintellektuellen Internationalisten unter den hanebüchenen und viel zu kurz zum Beispiel gegen Kanzler Kurz denkenden Simmeringer Prolos.
Der Feind des Abendlandes ist eben nicht ein scheinheiliger christlich-sozialer Bundeskanzler mitten im Stimmbruch (O-Ton in Burschenschafterkreisen), der Feind, in größeren Dimensionen gedacht, ist der menschen- und kulturverachtende Islamismus. Schön und gut, das mag wohl stimmen, der islamistische Stumpfsinn ist ja im wahrsten Sinn des Wortes tödlich. Was aber wird von den rechten Recken oder den listigeren Denksportlern und Rhetorik-Freaks als Alternative angeboten? Offizielle Vertreter der AfD bieten den Armeniern Söldnerkontingente an und beteiligen sich an der chauvinistischen Aufrüstung der vom Christentum verweichlichten Blutsbrüder im heiligen »Haystan«, dem Land des Hayk. Der Vorteil ist, und das beruhigt auch die Prolos in Simmering, dass ihre Führer und Vordenker, selbst die aus kleinslawischem Geblüt (Hojac, Nawratil und wie sie alle heißen), immer recht haben, und das kommt ja, gemäß dem Hausfrauenverstand der Corona-Revoluzzer, eben von »Rechts«. Hinzu kommt, fast nebenbei, dass man mit dem Stichwort »Türkenbelagerung« bei den Armeniern in offenen Wunden rührt. Somit können sie sich der ritterlichen Faschisten oder Austrofaschisten kaum erwehren, die sie nach ihrer Façon retten wollen.
Bevor diese rassistischen, zum Teil mafiösen Strömungen höhere Wellen zu schlagen begonnen hatten, in der ersten Zeit der von der Sowjetunion unabhängig gewordenen Republik ab 1990, hatte eine ausgleichende Nachbarschaftspolitik auf vernünftiger wirtschaftspolitischer Basis für Armenier in dieser sensiblen Kaukasus-Region ganz gut zu funktionieren begonnen. Die deutschen Kreuzritter mit ihrer Simmeringer Rhetorik kippen aber dann doch – »Gott sei Dank« – oft wieder ins Lächerliche und fallen immer wieder von ihren deutschen Hengsten und Stuten. Die Armenier haben schon vieles mit Stolz und Witz überlebt, hoffentlich auch den Ansturm des ritterlichen Stumpfsinns aus dem christlichen Abendland. Immerhin gehört die Heilige Corona als Patronin des Geldes, der Metzger und Schatzgräber ja der ganzen Christenheit.