Wolfgang Schäuble – Ist der Ruf erst ruiniert … – Verehrter Bundestagspräsident, wir erwarten nicht nur eine klare Stellungnahme, sondern konkrete Maßnahmen, um das massiv beschädigte Ansehen des Parlaments wiederherzustellen. Wenn Mitglieder (und Mitgliederinnen) des Bundestags – egal welcher Partei – ihr Mandat dazu nutzen (können), um schamlos »Kohle zu machen«, ist das wichtigste Verfassungsorgan der parlamentarischen Demokratie im Grunde nichts anderes als ein Bordell. Der Schaden für die Demokratie könnte kaum größer sein. Und wenn Herr Nikolas Löbel (Mitglied der CDU wie Sie) dann auch noch zynisch einräumt, die Angelegenheit »sensibler« – also wohl »heimlicher« – hätte handhaben müssen, fällt man vollends vom Glauben ab. Während Zigtausende nicht wissen, wie sie die allenthalben per Verordnung geforderten Masken bezahlen sollen, weil ihre Einkommen durch den Lockdown drastisch reduziert (Kurzarbeit) oder gar auf null (Solo-Selbständige, Künstler, Freiberufler) gestellt sind, streicht der – aus Steuergeldern gut bezahlte, bei Krankheit und im Alter bestens abgesicherte – Herr für die »Vermittlung« von Masken-Großbestellungen mal eben eine Viertelmillion zusätzlich ein – als »marktübliche Provision«, wie er zu seiner Verteidigung vorbringt. Werter Herr Schäuble, wenn das nicht faul ist und »faul« genannt wird, dann droht dem Staat und den Parteien das Wichtigste verloren zu gehen: der Rückhalt der Bürger dieses Landes. Daran ändert auch nichts, dass dieser »Volksvertreter« inzwischen, auf öffentlichen Druck, seinen Rückzug aus der Politik verkündet hat. Dass ordentlich alimentierten Parlamentariern eine solche Selbstbereicherung an der Not anderer möglich ist, ist der Skandal, nicht dass Einzelne diese Möglichkeit dann auch zum eigenen Vorteil nutzen.
Volker Wirth, Widerspruch – Verehrter Herr Wirth, in einem Schreiben an die Redaktion kritisieren Sie unsere »Antwort« an Wladimir Putin (Heft 3/2021) auf das Schärfste. Wir würden darin »unzulässige Schuldzuweisungen« erheben. Von »völkerrechtswidrigen« Aktivitäten seitens Russlands in Syrien, der Ost-Ukraine und Bergkarabach könne keine Rede sein. Den Vorwurf haben wir in dieser Form auch gar nicht formuliert, aber zweifellos insinuiert. Das bedauern wir. Denn im Falle Syriens haben Sie uneingeschränkt Recht. In formaler Hinsicht ist der russische Militäreinsatz völkerrechtskonform, weil er auf »Einladung« von Assad erfolgte, um den »IS« zu bekämpfen. Es ging uns aber auch gar nicht darum, Noten zu verteilen oder den Schiedsrichter zu stellen. Wir kennen und schätzen etwa die sehr differenzierten Analysen des Völkerrechtsjuristen Reinhard Merkel. Es war uns »lediglich« wichtig, und darin bestand das Motiv unserer Antwort, an die tragenden Grundpfeiler des Völkerrechts zu erinnern: das Verbot von Gewaltanwendung und die unbedingte Anerkennung territorialer Integrität. Das gilt selbstverständlich, und wir haben nicht versäumt, es zu erwähnen, auch für »den Westen«. Solche »Äquidistanzkonzeption«, wie Sie das kryptisch nennen, als sei das Gleichheits-Postulat irgendwie verdächtig, mögen Sie falsch finden. Für uns sind die Menschen- und Völkerrechte tatsächlich für alle gleich verbindlich.
P.S. Die »Antworten« in Ossietzky sind »üblicherweise« nicht namentlich gezeichnet. Sie stammen aus der Redaktion, und die ist namentlich bekannt.
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