Rolf Gössner, ausgezeichnet. – Sie haben am 10. Oktober den Hans-Litten-Preis 2020 erhalten. Dazu gratulieren wir herzlich. Mit dem Preis zeichnet die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) Ihre jahrzehntelange berufliche und rechtspolitische Arbeit für die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat aus und würdigt vor allem auch Ihre grundrechtssensible Haltung, sich der Aushöhlung von Grundrechten entgegenzustellen und bürgerrechtliche Opposition zu mobilisieren. Auszeichnungswürdig ist vor allem Ihre investigative Publizistik zur politischen Justiz, zu den Justizopfern des Kalten Krieges und zum Überwachungsstaat. »Besonders verdienstvoll auch, diejenigen, die im Dunkeln wirken – die Nachrichtendienste und vornehmlich das V-Leute-Informationssystem des Verfassungsschutzes – unter Licht gebracht, aus- und durchleuchtet und so auch eigener 38-jähriger rechtswidriger Überwachung durch den Verfassungsschutz sich offensiv widersetzt zu haben«, formuliert die VDJ.
Angela Merkel, vorgeblich großzügig. – Sie haben der Impfstoff-Plattform COVAX der Weltgesundheitsorganisation WHO 100 Millionen Euro aus dem Topf für Entwicklungshilfe spendiert. COVAX soll auch den ärmsten Ländern dieser Welt Zugang zu einem bezahlbaren Impfstoff gegen Covid-19 garantieren. Dafür benötigt die WHO jedoch mindestens 35 Milliarden Dollar, deshalb wirkt Deutschlands Beitrag eher bescheiden. Genauer: Wie der Vorschuss in einen Garantiefonds für Big Pharma. Der unaufhaltsame kapitalistische Moloch wird mit dem Impfstoff ein Jahrhundertgeschäft machen, falls ihm nicht Russland oder China mit besseren und billigeren Produkten Grenzen setzen. Das russische Vakzin »Sputnik V« scheint sich bereits dafür zu eignen. Sicher haben Sie schon daran gedacht, es nicht für den deutschen Markt zuzulassen, Big Pharma und BlackRock zuliebe.
Christine Strobl, CDU, aufsteigend. – Es »hätte nicht ausgesehen«, wenn Sie, Ehefrau des baden-württembergischen Innenministers Strobl und Tochter des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, sich voriges Jahr um den Posten des SWR-Intendanten beworben hätten. Ihre vornehme Zurückhaltung wird jetzt belohnt: Anfang nächsten Jahres treten Sie die Nachfolge des ARD-Programmdirektors Volker Herres (Monatsgehalt 33.000 Euro) an. Das »sieht auch nicht aus«, aber SWR-Intendant Kai Gniffke (Monatsgehalt 28.000 Euro plus Nebeneinkünfte) und die acht anderen ARD-Intendanten haben so entschieden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk zeigt sich von seiner inzestuösen Seite; da kommt keiner zu kurz. Übrigens: Gerade entscheiden die Bundesländer über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Wir leben in der besten Demokratie, die man für Geld kaufen kann.
Monika Grütters, Kulturbeauftragte der Bundesregierung, erforderlichenfalls multi. – Bei der Eröffnung des Sudetendeutschen Museums in München am 12. Oktober haben Sie die Aufgabe der in vierjähriger Bauzeit errichteten und 26 Steuer-Millionen teuren Einrichtung folgendermaßen umrissen: Schüler und Schülerinnen sollen nach der Besichtigung des Museums wissen, wer Sudetendeutscher ist und wo das (auf keinem Atlas eingezeichnete) »Sudetenland« liegt. Immerhin. »Dabei«, fuhren Sie fort, »hat vermutlich jeder schon einmal Bekanntschaft mit einer berühmten Persönlichkeit aus dem Sudetenland gemacht.« Etliche Personen fielen Ihnen ein, die »in vielerlei Hinsicht unsere Geschichte geschrieben« haben: »in der Musik Gustav Mahler, in der Literatur Rainer Maria Rilke oder Marie von Ebner-Eschenbach, in der Kunstgeschichte Alfred Kubin. Und im Film, daran muss man auch manchmal erinnern, ist Oskar Schindler verewigt, der 1200 Juden vor dem nationalsozialistischen Terrorregime rettete. Alles Sudetendeutsche«. Gäste aus Tschechien hätten vermutlich noch andere Namen zu nennen gewusst: Konrad Henlein zum Beispiel oder Karl Hermann Frank, um nur zwei prominente sudetendeutsche Faschisten zu nennen, die »Geschichte geschrieben« haben. Ihre Namen – und ihre Rolle – wurden von keinem der Festredner genannt. So war es vielleicht nicht nur coronabedingt, dass kein Gast aus Tschechien bei der Einweihung begrüßt werden konnte. Und vielleicht war es auch nicht nur ein Zufall, dass im Bericht der Sudetendeutschen Zeitung die Behauptung, die Geschichte werde in dem Museum »immer im Kontext mit den tschechischen Mitbewohnern und Nachbarn und ihrem Staat«, also »auch aus Sicht der anderen« dargestellt, zum Zungenbrecher geriet: erforderlichenfalls sei die Darstellung »multipersketivisch«.
Julia Klöckner (CDU), lobbyistenfreundlich, verbraucherfeindlich. – Dass Sie sich mehr für das Wohl der Agrarindustriellen und der Nahrungsmittelhersteller engagieren (beziehungsweise engagieren lassen) als für die Verbraucher einzutreten, ist längst bekannt. Unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz hatte die Verbraucherschutz-Organisation foodwatch Sie jüngst um Auskunft über Anzahl und Art Ihrer Lobby-Kontakte gebeten. Erst lange nach Ablauf der gesetzlichen Frist gaben Sie Antwort im für Sie typischen Stil: Es gebe eine »solche Vielzahl« von Lobby-Kontakten, dass »jede Auskunft« geeignet wäre, »sich dem Vorwurf mangelnder Vollständigkeit auszusetzen«. Mit anderen Worten: Sie kokettieren damit, so oft mit Vertretern von Partikularinteressen zusammenzukommen, dass es schwierig ist, den Überblick zu bewahren. Der Verdacht liegt damit nahe, dass eine vollständige Auskunft im Sinne des Gesetzes Sie als korrumpierbar entlarven könnte. Und da rücken Sie lieber verspätet oder mit gar nichts heraus. Keine Antwort ist auch eine Antwort.