Robert Cohen, geboren 1941 in Zürich, ist Literaturwissenschaftler und Schriftsteller, der lange Zeit an der New-Yorker Universität lehrte, unter anderem deutsche Exilliteratur. Dabei ging es ihm nicht nur um die genauen Fakten, ihm lag besonders das tiefe Verständnis für seine Protagonisten am Herzen. Das neue Buch ist ein hervorragender Beweis dafür.
Aus einem Foto von Anna Seghers in einem tropischen Garten anlässlich ihres Besuchs 1963 bei Jorge Amado in Brasilien erfindet er eine sich erinnernde und nachdenkende Anna Seghers. Sie erinnert sich der Kindheit am Rhein, der Emi-gration in Mexiko, denkt an die Kinder, Freunde, an ihre Ehe mit Rodi und fühlt sich in dieser exotischen Welt in Amados Garten wie verzaubert – von den Tieren, Pflanzen und dem Licht. Märchenhaft und fantastisch erscheinen die Ereignisse ihres Lebens, und der Autor nutzt die erfundene Atmosphäre, um Anna Seghers in den vielen Facetten ihres Lebens aufzuspüren. So debattiert sie wie in ihrer Erzählung »Reisebegegnung« mit Franz Kafka über Literatur und vergleicht ihr Leben in der bunten Ausnahmesituation in Brasilien mit dem graueren Dasein in der DDR, für das sie sich letztendlich doch entscheidet. Hier hat sie Aufgaben, denen sie sich ein Leben lang gewidmet hat.
Cohen ist ein exzellenter Kenner der Fakten von Anna Seghers’ Biografie, aber ebenso beeindruckend ist es, wie er literarische Mittel einsetzt, um Anna Seghers verständlich und lebendig zu machen.
Robert Cohen: Anna Seghers im Garten von Jorge Amado. Erzählung, Faber & Faber, 103 S., 20 €.