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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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12 Thesen zum Überleben

  1. Der Ein­fluss von wirt­schaft­li­chen, poli­ti­schen und stra­te­gi­schen Füh­rungs­kräf­ten des Mili­tär­sek­tors hält die Mensch­heit davon ab, die Zukunfts­ge­fähr­dun­gen abzu­wen­den und die noch nicht nach­hal­tig geschä­dig­ten Berei­che der Bio­sphä­re der Erde den Nach­fah­ren zu erhal­ten. Die Wor­te von US-Prä­si­dent Eisen­hower aus sei­ner Abschieds­re­de im Janu­ar 1961 haben an ihrer Aktua­li­tät nichts ver­lo­ren: »Wir (…) müs­sen uns vor unbe­fug­tem Ein­fluss (…) durch den mili­tä­risch-indu­stri­el­len Kom­plex schüt­zen. Das Poten­zi­al für die kata­stro­pha­le Zunah­me fehl­ge­lei­te­ter Kräf­te ist vor­han­den (…). Wir dür­fen es nie zulas­sen, dass die Macht die­ser Kom­bi­na­ti­on unse­re Frei­hei­ten oder unse­re demo­kra­ti­schen Pro­zes­se gefähr­det. Wir soll­ten nichts als gege­ben hinnehmen.«
  2. Der Krieg der rus­si­schen Armee gegen die Ukrai­ne ver­stößt allein schon durch die Gewalt gegen die Zivil­be­völ­ke­rung gegen die Haa­ger Land­kriegs­ord­nung. Er ist nicht nur ein Ver­bre­chen gegen die unmit­tel­bar und mit­tel­bar in Leid und Tod gestürz­ten Men­schen vor Ort, er geht zudem das unver­ant­wort­li­che Risi­ko für die Zivi­li­sa­ti­on Euro­pas ein, das davon aus­geht, dass in der Ukrai­ne 15 Atom­re­ak­to­ren am Netz sind. Wenn hier durch Kriegs­fol­gen auch nur bei einem Reak­tor die Küh­lung aus­setzt und eine Kern­schmel­ze ein­setzt, sind Regio­nen in ganz Euro­pa in Gefahr, von der radio­ak­ti­ven Wol­ke erfasst zu wer­den. Nichts recht­fer­tigt den tau­send­fa­chen Tod von Zivi­li­sten und die Zer­stö­run­gen gro­ßer Tei­le der zivi­len Infra­struk­tur. Die Nato-Poli­tik der Ost­erwei­te­rung ist für die Span­nungs­stei­ge­rung im Vor­feld des ver­bre­che­ri­schen Krie­ges ver­ant­wort­lich, inso­fern als sie gegen recht­lich grund­le­gen­de Doku­men­te zur gemein­sa­men Sicher­heit wie den Ver­trag zur Deut­schen Ein­heit und die Schluss­ak­te der Kon­fe­renz für Sicher­heit und Zusam­men­ar­beit in Euro­pa von Hel­sin­ki 1975 verstößt.

Die Ver­let­zung völ­ker­recht­li­cher Vor­ga­ben durch die Nato nimmt der rus­si­schen Föde­ra­ti­on nichts von ihrer Ver­ant­wor­tung für das Ver­bre­chen des Krie­ges selbst. Die Trau­ma­ti­sie­rung, die von den Krie­gen der Gegen­wart für die Mensch­heit schon in der unmit­tel­ba­ren Zukunft aus­geht, nimmt der Mensch­heit ein Stück ihrer Resi­li­enz gegen­über den Zukunfts­ge­fähr­dun­gen. Die Pro­pa­gan­da der Mili­tär-Lob­by und ihrer Unter­stüt­zer im Ange­sicht von zivi­len Opfern ist schein­hei­lig und mani­pu­la­tiv. Sie blen­det Kriegs­ver­bre­chen west­li­cher Mili­tärs aus, etwa im Anti-IS-Kampf gegen Mos­sul, als schwe­re Bom­ben auf dicht­be­sie­del­tes Gebiet fie­len. Men­schen­rech­te sind nicht selek­tiv nur in Kon­flik­ten zu ver­tei­di­gen, die der eige­nen Pro­pa­gan­da die­nen, sie gel­ten universell.

  1. Die Nato ist mit ihren weit mehr als 50 Pro­zent der Welt­rü­stungs­aus­ga­ben ein Bünd­nis der Zer­stö­rung des Rechts, der Natur, der Wahr­heit, der Zivi­li­sa­ti­on und in letz­ter Kon­se­quenz der Mensch­heit. Die Bun­des­wehr und die »Gemein­sa­me Sicher­heits- und Außen-Poli­tik« der EU im Zusam­men­wir­ken mit der Nato, all das hat Anteil an der Bedro­hung der Zukunft mensch­li­chen Lebens. Die offi­zi­ell laut SIPRI 2100 Mil­li­ar­den US-Dol­lar Jah­res­aus­ga­ben der Regie­run­gen der Welt erge­ben eine Ver­nich­tung von natür­li­chem und gesell­schaft­li­chem Reich­tum im Umfang von 2 Mil­lio­nen Dol­lar pro Minute.
  2. Frie­dens­po­li­tik statt soge­nann­ter Sicher­heits­po­li­tik ist auf glo­ba­le Part­ner­schaft und Koope­ra­ti­on gerich­tet, nicht auf Kon­kur­renz, Riva­li­tät, Abschreckung und Hoch­rü­stung. Koope­ra­ti­on statt Riva­li­tät ist Grund­la­ge jeder Öko­lo­gie im 21. Jahr­hun­dert. Zitat des UN-Gene­ral­se­kre­tärs von 1969 dazu: »Ich will die Zustän­de nicht dra­ma­ti­sie­ren. Aber nach den Infor­ma­tio­nen, die mir als Gene­ral­se­kre­tär der Ver­ein­ten Natio­nen zuge­hen, haben nach mei­ner Schät­zung die Mit­glie­der die­ses Gre­mi­ums noch etwa ein Jahr­zehnt zur Ver­fü­gung, ihre alten Strei­tig­kei­ten zu ver­ges­sen und eine welt­wei­te Zusam­men­ar­beit zu begin­nen, um das Wett­rü­sten zu stop­pen, den mensch­li­chen Lebens­raum zu ver­bes­sern (…). Wenn eine solch welt­wei­te Part­ner­schaft inner­halb der näch­sten zehn Jah­re nicht zustan­de kommt, so wer­den, fürch­te ich, die erwähn­ten Pro­ble­me der­ar­ti­ge Aus­ma­ße erreicht haben, dass ihre Bewäl­ti­gung mensch­li­che Fähig­kei­ten über­steigt.« Dem Gebot der glo­ba­len Koope­ra­ti­on ste­hen die Kri­sen­an­fäl­lig­keit und die öko­no­mi­schen Geset­ze der Kon­kur­renz um Markt­an­tei­le im Kapi­ta­lis­mus entgegen.

Frie­dens­po­li­tik ist auf die Über­win­dung des Systems gegen die Zukunft der Mensch­heit gerich­tet. Die Zeit zur Abwen­dung der sozi­al-öko­lo­gi­schen Zukunfts­ge­fähr­dun­gen fällt in die Zeit vor dem Ende des Kapi­ta­lis­mus, die ent­we­der als ein öko­lo­gi­sches Ersticken der Mensch­heit oder durch Krieg ein­tritt, wenn alter­na­ti­ve Kräf­te die­ses Sze­na­rio nicht abwen­den; Nach­hal­tig­keit des Lebens gibt es nur mit­tels sei­ner Ablö­sung durch eine auf Koope­ra­ti­on auf­bau­en­den Gesell­schafts­ord­nung eines geplant-scho­nen­den Umgangs mit Ressourcen.

  1. Eine sozi­al-öko­lo­gi­sche Markt­wirt­schaft gibt es nicht. Nicht ein­mal 150 Kon­zer­ne kon­trol­lie­ren laut einer Stu­die der ETH Zürich die Welt­wirt­schaft, und 100 Kon­zer­ne sind für über 70 Pro­zent des welt­wei­ten indu­stri­el­len CO2-Aus­sto­ßes ver­ant­wort­lich. Der Begriff »Markt« lenkt die Auf­merk­sam­keit weg von der Sphä­re der Pro­duk­ti­on der Waren unter den gege­be­nen Eigen­tums­ver­hält­nis­sen und Mensch-Mensch-Abhän­gig­kei­ten zwi­schen Lohn­ar­beit und Kapital.
  2. Womit begin­nen? Ohne radi­ka­le schnel­le Abrü­stung und ohne ein Umschwen­ken der Welt­wirt­schaft und der inter­na­tio­na­len Poli­tik sowie der Gesell­schaf­ten in allen Erd­tei­len auf eine kon­se­quen­te Frie­dens­po­li­tik auf der Basis der UNO-Char­ta wach­sen sich die Zukunfts­ge­fähr­dun­gen für die Mensch­heit in eine Grö­ßen­ord­nung aus, deren Bewäl­ti­gung mensch­li­che Fähig­kei­ten über­steigt. Um das durch­zu­set­zen, bedarf es eines Zusam­men­wir­kens der Frie­dens-, Öko­lo­gie- und Gewerk­schafts­be­we­gung. Die­se Kräf­te bezie­hen die Mehr­heit der Gesell­schaft und die auf Zukunfts­fä­hig­keit gerich­te­ten sozi­al enga­gier­ten Spek­tren ein.
  3. Eine Frie­dens­po­li­tik glei­cher gemein­sa­mer Sicher­heit aller Staa­ten, auch Russ­lands und der Ukrai­ne ist die Basis dafür, dass sich die Mensch­heit die Chan­ce bewahrt, eine zukunfts­fä­hi­ge Gesell­schaft aufzubauen.
  4. Eine zukunfts­fä­hi­ge Poli­tik ist nur gegen die Akteu­re durch­zu­set­zen, die noch immer und noch eine Wei­le von der kapi­ta­li­sti­schen Struk­tur pro­fi­tie­ren und die ihre Pri­vi­le­gi­en sowie ihre noch nicht implo­dier­te Macht mit allen Mit­teln ver­tei­di­gen. Sie hat die Macht des mili­tä­risch-indu­stri­el­len Kom­ple­xes zu brechen.
  5. Ob ein Enga­ge­ment zur Abwen­dung der Zukunfts­ge­fähr­dun­gen von Erfolg gekrönt sein wird, ist offen. Das ist kein Grund dafür, zu resi­gnie­ren. Das Enga­ge­ment frie­dens­öko­lo­gi­scher Kräf­te macht so lan­ge Sinn, solan­ge das Schick­sal der Mensch­heit nicht besie­gelt ist. Solan­ge es Men­schen gibt, ist Mensch­lich­keit die bes­se­re Idee.
  6. Der Tita­nic-Effekt ist das über­ra­schen­de Ein­tre­ten des Vor­her­seh­ba­ren. Die Kräf­te für die Zukunft des Lebens haben die Auf­ga­be, gemein­sam als Treu­hän­der der Kin­der unse­rer Zeit das Leben zu bewah­ren. Sei­ten­the­men dür­fen die Bewe­gun­gen nicht spal­ten. Die Kon­zen­tra­ti­on auf das Wesent­li­che ist die Kon­zen­tra­ti­on auf die gemein­sa­me Schnitt­men­ge. Und das ist die, die Ver­gif­tung der Atmo­sphä­re, der Böden, der Gewäs­ser und der Bezie­hun­gen der Men­schen zu sich selbst und zuein­an­der zu verhindern.
  7. Öko­lo­gi­sche Poli­tik ver­bin­det eine anti­ka­pi­ta­li­sti­sche Ori­en­tie­rung mit unmit­tel­ba­ren Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Lebens­ver­hält­nis­se schon vor der Über­win­dung der Gesell­schaft, die aus Zer­stö­rung, solan­ge es geht, Gewinn für weni­ge bereits Rei­che generiert.
  8. Glo­ba­le Bezü­ge und uner­wünsch­te Neben­ef­fek­te gegen­wär­ti­ger Akti­vi­tä­ten von Indi­vi­du­en, Grup­pen, staat­li­chen und wirt­schaft­li­chen Akteu­ren in der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit­ein­an­der auf­zu­decken, das herr­schen­de Nach­rich­ten­ma­nage­ments in Zwei­fel zu zie­hen und zer­stö­ren­de Pro­zes­se durch lebens­er­hal­ten­de Abläu­fe zu über­win­den, eröff­net die ein­zig ver­blie­be­ne Aus­sicht auf ein Über­le­ben. Die Kräf­te, die sich für die Zukunft enga­gie­ren, sind dann erfolg­rei­cher, wenn sie sich jeweils nicht nur auf weni­ge Aspek­te der Zukunfts­ge­fähr­dun­gen aus­rich­ten, son­dern wenn sie ganz­heit­lich und nicht nur reagie­rend arbei­ten und Zukunfts­fä­hig­keit durch eine auf Ursa­chen gerich­te­te The­ra­pie der Gesell­schaft auf­bau­en. Die­ser Auf­bau ver­bin­det eine kon­kre­te Über­win­dung von Bedro­hun­gen mit der Über­win­dung ihrer Wur­zeln in einer koope­ra­ti­ven Poli­tik, die nicht mehr auf Bilanz­zeit­räu­me aus­ge­rich­tet ist, son­dern auf das Über­le­ben der Zivilisation.