Jürgen Block
Ein zunächst ganz normaler Satz: »Kerstin riss sich die Beine aus.« Wortwörtlich verstanden bedeutet er: Kerstin tut sich selbst Gewalt an, um ihre Mutter zu pflegen. Und umgekehrt heißt es, ebenso wortwörtlich verstanden, dass den Pflegebedürftigen in den Heimen Gewalt angetan wird: »Heute wurden sie auf Biegen und Brechen mobilisiert.« Auf der einen Seite opfern […]
Keine halbe Lösung
Viele Jungautoren schreiben in ihren Romanen aus der Ich-Sicht über Döntjes aus ihrer Jugendzeit und Studierenden-WG. Vorteil: Ein solches autofiktionales Erzählen zieht den Leser barrierefrei und ungetriggert in die Geschichte hinein. Ken Merten ist in diesem Sinne kein normaler Jungautor, denn in seinem Debütroman »Ich glaube jetzt, dass das die Lösung ist« hat er den […]
Der hinkende Teufel vom »Zauberberg«
Vor hundert Jahren erschien der »Zauberberg« von Thomas Mann, zehn Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Dieses Jubiläum soll Anlass sein, den Roman einmal in Form eines Experiments vorzustellen, und zwar ausgehend von einer Nebenfigur: des hinkenden Concierge. In dem tausendseitigen Roman über das Leben gutbetuchter Tuberkulose-Patienten im Sanatorium »Berghof« im Schweizer Hochgebirge kurz vor […]
Quo vadis deutsche Literatur?
Welche Art von Literatur wird heutzutage von Literaturhäusern für förderungswürdig erachtet? Als Beispiel sollen der Text einer diesjährigen Bremer Autorenstipendiatin und dessen Begründung der Jury betrachtet werden. Zunächst ein Auszug aus dem prämierten Essay »Du Tier, ich Mensch?« für Leser ab 12 Jahren: »Wenn wir unsere Existenz herunterbrechen bis auf die kleinsten Bestandteile, aus denen […]
Bloß ein Mensch sein
»Ich will eines Tages bloß ein Mensch sein«, sagt Maries Schwester. Aber: Wie wird man bloß ein Mensch? Und viel wichtiger: Wie erzählt man, wie man ein solcher wird? In Sabine Peters neuestem Roman kann der Leser miterleben, wie die aus den vorherigen Romanen gut bekannte Marie zusammen mit ihren drei Schwestern unter den gestrengen […]
Die Liebe und die »dritte Sache«
»Man lernt nur, wenn man liebt.« Dieser Satz von Friedrich Schiller galt auch und besonders für die Arbeitsweise von Bertolt Brecht, sagt Ruth Berlau, seine Mitarbeiterin und Geliebte, in ihrer Biografie »Brechts Lai-tu«. Damit erscheint Brecht gleich in doppelter Hinsicht als Dichter der Liebe: Die Liebe ist Gegenstand und Quelle seiner Dichtung. Ruth Berlau gehört […]
Jürgen Block, geb. 1963, ist nach dem Studium (Deutsch, Geschichte, Philosophie) als Studienrat tätig – und hält sich mit Schreiben über Wasser. Er veröffentlicht (seit 2016) regelmäßig Romane (z.B. „Die Handlungsreisenden“, Bremen 2016) Kurzgeschichten (z.B. „Meine Top Ten der gewichtigsten Romane“, in: Der Zweiundvierziger – das Buch, Putlitz 2024), Literaturkritik, Essays und Blogbeiträge.