Das Glück hat Pedro Sánchez verlassen. Am 23. und 26. Juli verfehlte er die erforderliche Mehrheit zur Wiederwahl als Ministerpräsident. Er konnte lediglich 123 Stimmen der Partido Socialista Obreo España (PSOE) und eine Stimme der Partido Regionalista de Cantabrica auf sich vereinigen. Mit »Nein« stimmten 170 Abgeordnete. Unidos Podemos und die baskische Linkspartei EH bildu enthielten sich geschlossen ihrer Stimmen. So endete nach drei Monaten der Nervenkrieg um die Regierungsbildung in Spanien.
Zwar hatte die PSOE die Wahl am 28. April für sich entscheiden können, blieb jedoch mit ihren 123 Mandaten deutlich hinter der absoluten Mehrheit von 176 Stimmen zurück. So war Sánchez dringend auf 42 Stimmen der Linkspartei Unidos Podemos (UP) angewiesen. Noch kurz vor der Abstimmung hatte Sánchez eindringlich an Pablo Iglesias von der UP appelliert, die Kräfte beider Parteien zu bündeln, um die wirtschaftliche Situation der Bürger zu verbessern.
Der amtierende Ministerpräsident war lange nicht bereit, eine Koalition mit der Protestpartei einzugehen, denn die Forderungen von UP-Chef Iglesias waren dem Sozialdemokraten Sánchez zu radikal. Iglesias pochte nicht nur auf das Amt des Vizeministerpräsidenten, sondern wollte auch die Schlüsselressorts Finanzen und Arbeit in der Koalition. Erst als Iglesias einlenkte und darauf verzichtete, persönlich im Kabinett zu sitzen, schien ein Durchbruch in Sicht.
Unidos Podemos schlug mit der Enthaltung die Tür aber noch nicht ganz zu.
Pedro Sánchez hielt Pablo Iglesias vor, er habe eine historische Gelegenheit verpasst. Die Sozialisten veröffentlichten inzwischen das Original der Wunschliste von Unidos Podemos: fünf Ministerien und der Posten der stellvertretenden Ministerpräsidentin für Irene Montero, Ehefrau des Parteivorsitzenden Pablo Iglesias und Nummer Zwei von Podemos. Mit neu zugeschnittenen Ministerien hätte Podemos weitgehend die Kontrolle über die Sozial- und Umweltpolitik erhalten. Aber das sind auch die Themen, mit denen Pedro Sánchez und seine PSOE sich profilieren wollen.
Nach den Wahlgängen möchten weder Unidos Podemos noch die PSOE die Wähler dafür bestrafen, dass die erste Linkskoalition noch nicht zustande gekommen ist und der politische Stillstand sich wohl noch bis ins nächste Jahr hinzieht. Beide Parteien überbieten sich derzeit mit Schilderungen ihrer Kompromissbereitschaft und äußern Enttäuschung über ein ausbleibendes Entgegenkommen der anderen Seite.
Kommt bis zum 23. September keine neue Regierung zustande, folgen Neuwahlen. Dazu liegt eine erste Umfrage vor, nach der nur fünf Prozent der Wähler von Sánchez und Iglesias den erneuten Urnengang anstreben. Bei der Partido Popular sind es hingegen 64 Prozent, bei Ciduadanos 52 Prozent und bei der VOX-Partei 79 Prozent der Wähler, die für Neuwahlen votieren.
PSOE liebäugelt inzwischen mit dem portugiesischen Modell: Der dortige Ministerpräsident António Costa von der Sozialistischen Partei (SP) regiert mitseinem 17 Minister umfassende Kabinett aus SP und Unabhängigen seit dem 24. November 2015 geduldet von der Partido Comunista Português und dem Bloco de Esquerda, einer der 4. Internationale nahe stehenden Partei.