Man will es einfach nicht glauben, aber kaum hat ein Fußballteam ein Spiel verloren, tritt der Trainer oder die Trainerin frustriert und nach einer Erklärung ringend vor die Kamera, und der erste Satz, den sie ins Mikrofon in ihrer Enttäuschung preisgeben, lautet: »Das kann nicht unser Anspruch sein!« Anschließend wiederholen gebetsmühlenartig einige Spieler oder Spielerinnen diesen Spruch in verschiedenen Variationen: »Es ist nicht unser Anspruch, in so einem Spiel wie heute ohne Punkte rauszugehen«, oder: »Ich weiß nicht, was hier gerade passiert ist. Das ist nicht unser Anspruch.« Auch den Verantwortlichen fällt wenig später im Interview nichts Besseres ein und sie blasen in das gleiche Horn: »Das ist nicht unser Anspruch!«
Die oft verwendete Floskel ist aber nicht nur im Fußball oder bei anderen Sportarten anzutreffen, auch Politiker bedienen sich ihrer immer öfter bei niedrigen Umfragewerten oder nach Wahlschlappen: »Mittelmaß ist nicht unser Anspruch, wir hatten andere Erwartungen. Unsere Inhalte sind zu wenig rübergekommen. Wir müssen unsere Ziele klarer formulieren.«
Was dabei häufig übersehen wird: Es klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Sie sind häufig zwei Paar Schuhe. Gerade in der Politik ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität groß – von der Bildungsmisere bis zur Klimapolitik.
Nicht unser Anspruch? Gewünscht oder real? Auf was haben wir Anspruch, wenn die Leistung nicht dahintersteckt? Mit der abgegriffenen Phrase umschreibt man auf relativ vornehme Art und Weise das eigene Versagen. Doch diese Schönrederei ist nur ein Selbstbetrug.