Finden Sie nicht auch, dass einem in der Mediensprache immer wieder Floskeln begegnen, die sich wie trockener Kitt im Fensterrahmen halten? Dass jeder Gesprächspartner in Talkshows mit »Schön, dass Sie da sind!« begrüßt wird, ist eine Satzhülse, über die sich schon lange keiner mehr wundert – es sei denn, sie fehlt. Das Gegenstück »Schön, dass Sie jetzt endlich wieder gehen!« habe ich allerdings noch nie gehört, obwohl das oft angebrachter wäre. Es kommt auf das richtige Wort zur richtigen Zeit am richtigen Ort an! Nachhaltig ist mir vor allem in Krimi-Serien aufgefallen, dass die Chefkommissare vom Norddeich bis nach Südtirol die Erfolge ihrer kriminellen Mitarbeiter mit einem ermunternden »Gute Arbeit!« anerkennen. Zum Beispiel, sobald sich ein Serienmörder nach eindringlichem Zureden voller Reue für einen versehentlichen Mord entschuldigt hat. »Was hätte ich denn machen sollen«, fragt dann üblicherweise der Täter. »Kaum hatte ich das Messer gezogen, stolperte der Herr Schneiderheinze über seine eigenen Schnürsenkel und fiel in den Dolch. Er war halt zur falschen Zeit am falschen Ort! Es war ein Unfall, das müssen Sie mir glauben!« »Gut, dass Sie das endlich zugeben«, konstatiert dann der ermittelnde Kommissar. Gute Arbeit machen! Gute Fragen stellen! Die richtige Bemerkung zur richtigen Zeit auf den richtigen Punkt setzen, und schon passt alles wie der Deckel zum Sarg! Das können Sie mir glauben! Wie schön, dass Sie da waren und mitgelesen haben! Ich hatte mir schon Sorgen gemacht! – Nero Wiederkäuer (33), Redakteur, 04610 Schauderheinichen
*
Es wird Ihnen sicher nicht anders gehen als mir: Täglich flattern mir Hilferufe ins Haus, die einem ein schlechtes Gewissen verpassen. Da geht es um die Betreuung elternloser oder mangelernährter Kinder, um aussterbende Wildtierrassen oder verwitwete Haustiere. Und um heulende Vierbeiner, die wir in jahrelangen Mühen dazu qualifiziert haben, mit uns wieder die ausgetrockneten Wälder zu teilen und um Schafe zu streiten. Die ich rief, die Wölfe, werd› ich nun nicht los! Wollte man zu jedem Leid ein Linderungs-Scherflein beitragen, käme man selber in die Bredouille. Ich will die Anliegen überhaupt nicht in Frage stellen und bewundere diejenigen, die Hilfe leisten oder organisieren. Unicef zum Beispiel wirbt für geschmackvolle Glückwunschkarten, deren Ertrag sowohl in die Kinderbetreuung fließt als auch unserem Fiskus zugutekommt, denn jeder Käufer ist selbstverständlich auch bei der 19-prozentigen Mehrwertsteuer dabei. Und die kann auch nicht durch Spendenbescheinigungen abgemildert werden (siehe Bestellbedingungen, Broschüre »Unicef für jedes Kind«, Frühjahr/Sommer 2020, S. 23). In der Werbeschrift wird herausgearbeitet, dass »im Irak … viele Wasserwerke, Brunnen und Leitungen durch Kämpfe zerstört« worden sind, wodurch den Menschen oft nichts anderes übrig bleibt, als »aus Tümpeln oder Pfützen zu trinken« (ebenda, S. 3). Ich halte es für gut, dass auf die Zusammenhänge von Kriegen und Kinderelend hingewiesen wird. Es wäre jedoch nicht weniger wichtig, die aktuellsten Daten über den internationalen Waffenhandel offenzulegen. So ist Deutschland laut Medien nach wie vor weltweit viertgrößter Rüstungsexporteur. Im Vergleich zu 2018 hat unser Vater- und Mutterland im vergangenen Jahr seine Waffenlieferungen um 6,5 Prozent gesteigert. Die Überschrift »Sauberes Trinkwasser – Lebensretter für Kinder« ist folglich nur eine Nuance der Wahrheit. – Antonella Tabaluga (32), nachhaltig quereingestiegene Ehrenamtlerin, 16833 Hakenberg