Endlich! Den bereits erprobten langen bundesrepublikanischen Nächten hat sich eine weitere hinzugesellt: die Nacht der Solidarität! Bravo! Das ist eine wichtige Ergänzung! Ich habe zwar nicht mehr den genauen Überblick über die nächtefüllende Gesamtliste, vermute aber, dass es allmählich schwer wird, noch Leerstellen aufzuspüren. Sei›s drum! In der Nacht vom 29. zum 30. Januar jedenfalls werden zwischen 22 Uhr und 2 Uhr über 3700 Freiwillige »in gemischtgeschlechtlichen Teams mit mindestens drei Mitgliedern« (siehe nd, 11./12. Januar) im nächtlichen Berlin die Obdachlosen »auf Zählstrecken« aufstöbern und sie nach ihrem Geschlecht, ihrem Alter, ihrer Herkunft, der Dauer ihrer Obdachlosigkeit, ihren Partnerschaftsbeziehungen in der Obdachlosigkeit und ihrem Haushaltsstatus befragen – vorausgesetzt, sie sind auch damit einverstanden, denn: »Die Befragung findet freiwillig und anonym statt.« In unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung gilt nämlich »Niemand wird in der Nacht geweckt! Es werden keine Fotos gemacht!« (Ebenda, S. 25) Zur Zeit gibt es laut Presse nur grobe Schätzungen der Obdachlosenzahlen, und der Sinn der dreistündigen »Langen Nacht der Solidarität« soll darin bestehen, den Artikel 28 der Landesverfassung »Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum« schon mal durchzuprobieren. Und falls das nicht sofort gelingen sollte, gilt vorerst die Erklärung der Sozialsenatorin: »Obdachlose Menschen gehören zu dieser Stadt, und wir heißen sie auch willkommen!« Da habe ich allerdings meine Zweifel, ob das die Obdachlosen sehr freut. Ich wohne in der Nähe vom S- und U-Bahnhof Frankfurter Allee, unter dessen Straßenbrücke ständig Menschen unter bekleckerten Decken und alten Iso-Matten übernachten und um ein paar Münzen für sich und ihre Hunde singen. Ob es ihnen etwas nützen würde, mit einem herzlichen Willkommensgruß ermuntert zu werden, möchte ich bezweifeln. Aber vielleicht haben die Zähler da andere Erfahrungen – Valentina Sonnenschein (36), Sozialarbeiterin, 10317 Rummelsburg