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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Zur Bilanz von Air Defender 2023

Das war Air Defen­der 2023 (AD 23): 25 Natio­nen, mehr als 10.000 Teil­neh­mer, 9 Übungs­ta­ge, 250 Flug­zeu­ge, 26 Flug­plät­ze in Euro­pa, 6 Flug­plät­ze in Deutsch­land, 24 COMAOS (Com­po­sit Air Ope­ra­ti­on = ver­bun­de­ne Luftkriegsoperation/​EL), 52 Jets durch­schnitt­lich pro COMAO, 806 Mis­sio­nen, 1808 geflo­ge­ne Sor­ties (mili­tä­ri­sche Flug­be­we­gun­gen) von 2034 geplan­ten. Kei­ne Aus­fäl­le von zivi­len Flü­gen auf Grund von Air Defen­der, ver­mel­de­te das »Team Luft­waf­fe« auf Twit­ter am 23. Juni 2023.

Vor Beginn des Luft­kriegs­ma­nö­vers hat­te Luft­waf­fen-Inspek­teur Ingo Ger­hartz bereits den Wert von AD23 unter­stri­chen: »Wir« zei­gen, dass Deutsch­land Füh­rung kann und mehr Ver­ant­wor­tung über­nimmt. Das war Ger­hartz auch bei sei­nem Abschluss­state­ment am 23. Juni auf dem Mili­tär­flug­platz in Jagel (Schles­wig-Hol­stein) sehr wich­tig: »Wir können!«

Zu den Kosten der Groß­übung und zum CO2-Aus­stoß mach­te Ger­hartz kei­ne Anga­ben. Aller­dings mein­te er: »Sicher­heit gibt es nicht zum Null­ta­rif.« Vor­ab war von rund 35.000 Ton­nen CO2 allein durch den Flug­be­trieb die Rede. Das ent­spricht etwa den Jah­res­e­mis­sio­nen eines deut­schen 3.000-Einwohner-Ortes. Allein eine Flug­stun­de des Euro­figh­ters stößt elf Ton­nen CO2 aus. Die zusätz­li­che Bela­stung der Umwelt wäre eigent­lich eine Steil­vor­la­ge für Kli­ma­schüt­zer, den Schul­ter­schluss mit der Frie­dens­be­we­gung zu suchen.

Es dürf­te wei­te­re Manö­ver die­ser Art geben, denn laut Ger­hartz rei­chen Simu­la­tio­nen von Kampf­si­tua­tio­nen nicht aus. So bezeich­ne­te denn auch die Vor­sit­zen­de des Ver­tei­di­gungs­aus­schus­ses im Bun­des­tag, Marie-Agnes Strack-Zim­mer­mann, das Groß­ma­nö­ver als exem­pla­risch für die Zukunft der Nato. Nötig sei­en wei­te­re gemein­sa­me Übun­gen, um zu trai­nie­ren, wie das eige­ne Ter­ri­to­ri­um gegen mög­li­che Angrif­fe Russ­lands oder ande­rer Aggres­so­ren zu ver­tei­di­gen sei, for­der­te die FDP-Poli­ti­ke­rin. Die Rol­le, die Deutsch­land als Initia­tor des Manö­vers gespielt habe, sei von allen Part­nern als äußerst posi­tiv emp­fun­den wor­den. »Deutsch­land hat sei­ner geo­gra­fi­schen Lage und sei­ner wirt­schaft­li­chen Kraft ent­spre­chend geführt und gezeigt, dass es Fähig­kei­ten besitzt, auf die auch die Part­ner zurück­grei­fen kön­nen«, sag­te Strack-Zim­mer­mann. »Das soll­te in Zukunft auch alle ande­ren Teil­streit­kräf­te betref­fen. Wir sind end­lich in der Rea­li­tät ange­kom­men« (ntv, 23. Juni).

Ein Bild hat sich bei mir fest­ge­setzt (sie­he auch Titel­bild in jun­ge Welt vom 19. Juni): Bun­des­kanz­ler Scholz setz­te sich zum Auf­takt sei­nes Besuchs in Jagel in einen Euro­figh­ter, um Wehr­haf­tig­keit zu demon­strie­ren und Signa­le für wei­te­re Lie­fe­run­gen von immer schwe­re­ren Waf­fen in die Ukrai­ne zu sen­den. Damit wird der Abnut­zungs­krieg sinn­los verlängert.

Ins­ge­samt bin ich natür­lich erleich­tert, dass es offen­bar zu kei­nen Unfäl­len und Zwi­schen­fäl­len gekom­men ist. Es gibt aber auch die­se Mel­dung vom 16. Juni: »Ein litaui­scher Luft­waf­fen­stütz­punkt wur­de bei der Übung pro­mi­nent genutzt, um die Fähig­keit von Nato-Flug­zeu­gen zu demon­strie­ren, von Stütz­punk­ten in Deutsch­land aus an der rus­si­schen Gren­ze sta­tio­niert zu wer­den. Rus­si­sche Kampf­flug­zeu­ge reagier­ten auf die Übun­gen über Litau­en, so dass Nato-Flug­zeu­ge 15 Mal kämp­fen muss­ten, um rus­si­sche Kampf­flug­zeu­ge abzu­fan­gen« (zitiert aus: Mel­vin A. Good­man »Die anhal­ten­den Kriegs­trau­ma­ta machen den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und Russ­land Angst«, https://www.counterpunch.org/2023/06/16/the-enduring-traumas-of-war-scares-for-the-united-states-and-russia/).

Die­se Nach­richt bestä­tigt die Aus­sa­ge ver­schie­de­ner Frie­dens­grup­pen: AD23 dien­te als Dreh­schei­be nicht der Abschreckung, son­dern der Eska­la­ti­on. Der Bun­des­aus­schuss Frie­dens­rat­schlag sprach von einer »Droh­ku­lis­se gegen Russland«.

Zum Ende von AD23 bleibt auf­merk­sam zu beob­ach­ten, wel­che der US-Flug­zeu­ge tat­säch­lich in die USA zurück­keh­ren oder in Euro­pa ver­blei­ben, um für den »Ernst­fall« Stand-by bereit zu ste­hen. Erste Nach­rich­ten las­sen ver­mu­ten, dass F35 Tarn­kap­pen­bom­ber, F16 und A10 Kampf­flug­zeu­ge in Euro­pa zusätz­lich ver­blei­ben sol­len. Bezo­gen auf den Flie­ger­horst Wuns­torf, vor des­sen Ein­gangs­tor Frie­dens­grup­pen aus Nord­deutsch­land am 10. Juni medi­en­wirk­sam demon­strier­ten, gilt es wahr­zu­neh­men, ob das gro­ße mobi­le Tank­la­ger (mit einem Volu­men von 2,4 Mil­lio­nen Litern) tat­säch­lich, wie ange­kün­digt, bis zum Sep­tem­ber wie­der abge­baut wird oder nicht. Wenn nicht, wäre dies ein Hin­weis auf wei­te­re Kriegsvorbereitungen.

Nicht durch Nato-Kriegs­ma­nö­ver kann der Krieg in der Ukrai­ne been­det wer­den, son­dern nur durch Diplo­ma­tie. Nur Abrü­stung bei gegen­sei­ti­ger Rüstungs­kon­trol­le kann einen dau­er­haf­ten Frie­den im Rah­men einer euro­päi­schen Frie­dens­ord­nung gewähr­lei­sten. Die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung for­dert mehr Diplo­ma­tie, nicht mehr Waf­fen, sagen letz­te Umfra­gen. Es wäre gut, wenn sich die­ser Wunsch in vie­len Aktio­nen der Frie­dens­be­we­gung wie zum 78. Jah­res­tag der Atom­bom­ben­ab­wür­fe auf Hiro­shi­ma und Naga­sa­ki und am Anti­kriegs­tag (1. Sep­tem­ber) widerspiegelt.