Seit 1959 gehen Gewerkschaften und Friedensgruppen unter dem Motto »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!« jährlich am 1. September, dem Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen 1939, für eine friedliche Welt auf die Straße. Damit soll an die schrecklichen Folgen von Krieg, Gewalt und Faschismus erinnert werden.
Mit dem diesjährigen bundesweiten DGB-Motto zum Antikriegstag »Nie wieder Krieg! In die Zukunft investieren statt aufrüsten!« bekennen sich die Gewerkschaften in diesem Jahr zu ihrer historischen Verpflichtung, für Frieden auf der ganzen Welt einzustehen. »Das ist unsere Antwort auf das unermessliche Leid, das Nazi-Deutschland über die Welt gebracht hat, als es am 1. September 1939 Polen überfiel«, äußerte sich beispielsweise der DGB-Kreisvorsitzende Reinhard Nold aus Lehrte. »75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und 81 Jahre nach Beginn des grauenhaften Vernichtungskrieges der Nazis haben wir allen Anlass, am Antikriegstag daran zu erinnern, wohin das Wiedererstarken von blindwütigem Nationalismus und Militarismus, von Menschenfeindlichkeit und Rassismus führt«, so Nold weiter.
Der Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes spricht nicht nur davon, die Erinnerung daran wachzuhalten, dass Deutschland angesichts der Menschheitsverbrechen der Nazis besondere Verantwortung für den Frieden trägt. Der Aufruf nimmt auch die aktuelle Politik ins Visier. »Wir erleben derzeit den internationalen Abgesang auf eine Politik der Abrüstung, Entspannung und Zusammenarbeit und auf eine neue multilaterale Weltordnung […] Stattdessen leben wir in einer Welt, die immer stärker aus den Fugen gerät. Nationalismus und Militarismus greifen wieder um sich und setzen eine neue Spirale der Aufrüstung in Gang. 75 Jahre nach dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki im August 1945 erreicht der nukleare Rüstungswettlauf ungeahnte Ausmaße. Alle neun Atommächte stecken Unsummen in die Modernisierung ihrer Nukleararsenale und Anfang des nächsten Jahres könnte mit dem russisch-amerikanischen ›New Start‹-Vertrag das letzte verbliebene Rüstungskontrollregime für Atomwaffen auslaufen. Auch deshalb ist es nicht hinnehmbar, dass die deutsche Bundesregierung sich weiterhin weigert, den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen zu unterzeichnen […].«
Klar positioniert sich der DGB auch zu dem finanz- und wirtschaftspolitischen Wahnsinn zunehmender Aufrüstung: »Die globalen Rüstungsausgaben belaufen sich inzwischen auf zwei Billionen US-Dollar. Die deutsche Bundesregierung spielt dabei eine unrühmliche Vorreiterrolle. Deutschland ist nicht nur viertgrößter Rüstungsexporteur weltweit, sondern ist bei den Ländern mit den meisten Rüstungsausgaben auf den siebten Platz vorgerückt. Wenn die Bundesregierung die NATO-Zielvorgabe erfüllen würde, zwei Prozent des deutschen Bruttoinlandprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, so könnte dies eine weitere Erhöhung des Wehretats um mehr als 20 Milliarden Euro bedeuten.«
Die Corona-Krise führe drastisch vor Augen, wie verantwortungslos diese Geldverschwendung sei, so der DGB. Besonders deutlich zeige sich dies im globalen Süden. So sind etwa in vielen Ländern Lateinamerikas große Bevölkerungsteile schutzlos dem Virus ausgesetzt, weil es an einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung fehlt und die dortige Zwei-Klassen-Medizin Angehörige der Ober- und Mittelschicht privilegiert. Gleichzeitig sind die Rüstungsausgaben in der Region in jüngster Zeit stark angestiegen – Geld, das für den dringend nötigen Ausbau der Gesundheits- und Sozialsysteme fehlt.
Der DGB schaut auch vor die eigene Haustür: »Aber auch im Falle Deutschlands legt die Corona-Krise schonungslos offen, wie gravierend die Fehlverteilung öffentlicher Mittel ist. Im Bundeshaushalt 2020 waren ursprünglich zwölf Prozent der Ausgaben für den Verteidigungsetat vorgesehen, während nur ein Drittel davon in das Gesundheitssystem fließen sollte. Es ist höchste Zeit, das Ruder herumzureißen! Die Pandemie, der Klimawandel, die Digitalisierung – all diese gewaltigen Herausforderungen bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und vergrößern die soziale Ungleichheit. […] Dafür sind neben einem starken und solide finanzierten Sozialstaat immense öffentliche Investitionen nötig – in Gesundheit und Pflege, in unser Bildungssystem, in eine sozial-ökologische Gestaltung der Energie- und Verkehrswende, in die kommunale und digitale Infrastruktur und in den sozialen Wohnungsbau. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich endgültig von der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO zu lösen und die für Rüstungsausgaben vorgesehenen Mittel in ein sozial gerechtes Deutschland und Europa […] zu investieren.«
Erfreulich an dem Aufruf des DGB ist auch der Aufruf zu Aktionen und der positive Bezug auf die Kampagne aus der Friedensbewegung »Abrüsten statt Aufrüsten« (https://abruesten.jetzt). Der DGB versteht sich als Partner dieser Friedensinitiative.
In Bremen beziehen sich Personen des öffentlichen Lebens in einer Zusatzerklärung positiv auf den Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes: »Wie der DGB halten wir eine Steigerung der Rüstungsausgaben vor dem Hintergrund der Klimakrise und in Corona-Zeiten für unverantwortlich und inakzeptabel. Gemeinsam mit ihm fordern wir daher, das Ziel der prozentualen Steigerung der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt aufzugeben, zumindest mittelfristig die Rüstungsausgaben zu senken und die frei werdenden Mittel für eine sozial gerechte und klimaverträgliche Gesellschaft einzusetzen.« In einer Fotoaktion auf der Facebook-Seite des Bremer Friedensforums erklären außerdem seit dem 75. Jahrestag des Atombombenabwurfes auf Hiroshima täglich Bremerinnen und Bremer mit Bild und Statement ihre Gedanken zum Antikriegstag. Der Vorteil der Aktion: Die Foto-Botschaften können in den sozialen Netzwerken geteilt werden. Nachahmung empfohlen.
Das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn stellt eine umfangreiche Übersicht zu den bundesweiten Aktivitäten rund um den Antikriegstag 2020 zur Verfügung: https://www.friedenskooperative.de/antikriegstag2020. Neben dem aktuellen Service gibt es auch eine Einführung in die Geschichte des Antikriegstages.
Quelle DGB-Aufruf: https://www.dgb.de/termine/++co++4a4bba86-f144-11e7-8351-52540088cada