Post aus Utah. Professor Alan Keele von der dortigen Universität hatte vor 50 Jahren aus Materialien der VVN und Günter Grass‘ Buch »Örtlich betäubt« von Helmuth Hübener erfahren und verbreitete die über ihn gewonnenen Informationen in den USA, wo seither über Helmuth Hübener in Schulbüchern zu lesen ist. Hübener war der jüngste vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilte Widerstandskämpfer (siehe Ossietzky 16/2017, 9/2019, 16/2019). Alan Keele schrieb mir nun: »Weißt du was? Ich habe neulich an Mitt Romney geschrieben, ihm von Helmuth erzählt und ihn aufgefordert, sich an Helmuth zu orientieren, damit er vor der Geschichte mit ruhigem Gewissen bestehen kann. Wer weiß, ob er davon Kenntnis nahm?«
Mitt Romney, Senator aus Utah und die einzige republikanische Stimme gegen Donald Trump im Impeachment-Verfahren, ist wie Hübener Mormone. Der 17-jährige Verwaltungslehrling Hübener hatte 1941 begonnen, Flugblätter aus BBC-Berichten zusammenzustellen und mit drei Freunden in Hamburg zu verbreiten. Er wurde deswegen am 27. Oktober 1942 in Berlin Plötzensee ermordet.
Ich schrieb: »Danke, lieber Alan. Ich bin sicher, dass Romney nicht nur politische, sondern auch moralische Differenzen mit Trump hat. Und er scheint deinen Rat befolgt zu haben. Überall, wo sich junge Leute mit Helmuth beschäftigen, hat es eine gute Wirkung. Du hättest mal die jungen Häftlinge in Berlin-Plötzensee sehen sollen, wie sie ergriffen die Texte von Helmut vortrugen – auch seinen letzten Brief. Die jungen Leute sprachen auf einer Veranstaltung zur Namensweihe der Jugendgefängnisschule in Plötzensee, die nun Hübeners Namen trägt.«
Ein Brief spielte auch im letzten Hübener-Wettbewerb an der Helmuth-Hübener-Schule in Hamburg-Barmbek eine Rolle. Die AfD hatte verlangt, dass in Schulen nicht »schlecht« über sie oder Rassismus geredet werde, und als Bürgerschaftsfraktion Druck auf die Schulen ausgeübt, entsprechende Schriften zu vernichten. Die Schüler schrieben einen offenen Brief gegen das Vorgehen der AfD, die Medien griffen ihn auf.
Die Schüler der Hamburger Schule stellten auch Kissen her, die sie für gute Zwecke verkaufen. Darauf steht: What would Helmuth do? Vielleicht hat sich der Senator Mitt Romney auch diese Frage gestellt und sich dann richtig entschieden.
Heribert Prantl hat jetzt in der Süddeutschen Zeitung vom 9. Februar an den Exodus erinnert, der im Zweiten Buch des Alten Testaments als Auszug der Israeliten trockenen Fußes durchs Meer geschildert wird. Er fordert Hilfen für jene, die beim heutigen Exodus durchs Meer weniger Glück haben, sondern zu ertrinken drohen. Ein gutes Beispiel sei das Schiff der evangelischen Kirche, das auf Beschluss des Kirchentages angeschafft und als Rettungsschiff eingesetzt werden soll. Prantl: »Die Initiative beherzigt die Sätze aus den Flugblättern der Weißen Rose – die ihre eigene Bedeutung zu jeder Zeit haben, auch in der heutigen: ›Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt‹.«
Was würden die Geschwister Scholl, was würde Helmuth Hübener, was würden die Edelweißpiraten heute tun? Jene, die den Widerstand und die Nazizeit überlebten, sie gründeten nach 1945 die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Von den Gründerinnen und Gründern leben heute kaum noch welche, aber ihre Kinder und Enkel wirken in ihrem Sinne. Und in dieser Situation glaubt eine reaktionäre Politik zur Tat schreiten und versuchen zu können, die VVN-BdA zu vernichten. Zu versuchen, den »Saatboden eines neuen Faschismus«, wie Jürgen Habermas die AfD nennt, in Erfurt kräftig zu düngen. Spätestens jetzt gilt: Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit.