Das ist ein guter Titel für die Ausstellung der Gesellschaft zum Schutz für Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) in der Berliner Ladengalerie der jungen Welt. Zur Eröffnung am 18. Juni fanden sich – trotz großer Hitze – etwa 80 Gäste ein. Die Malerin Martina Dost, die jetzige Vorsitzende des Arbeitskreises Kultur der GBM, eröffnete die Ausstellung mit einer ausgezeichneten Rede, die viel Beifall fand. Peter und Maria Michel hatten 36 Gemälde, Graphiken, Kleinplastiken, Keramiken, Fotografien und gebrauchsgrafische Arbeiten von Künstlern ausgewählt, die in der GBM-Galerie in der Berliner Weitlingstraße – solange sie bestand – ausgestellt hatten. Da die Miete für diese Galerie zu hoch wurde, musste sie 2016 leider geschlossen werden. Hier waren 17 Jahre lang 87 Ausstellungen vorwiegend mit Werken von Künstlern gezeigt worden, die in der DDR studiert und gewirkt hatten. Ziel war die Präsentation von Bewahrenswertem. Ronald Paris, Gudrun Brüne, Heidrun Hegewald, Thomas Richter, Willi Sitte, Walter Womacka und viele andere hatten dort ihre Werke ausgestellt.
Im 70. Gründungsjahr der DDR wird mit der Ausstellung »Zeitzeichen« der Beweis erbracht, dass die im Arbeiter-und-Bauern-Staat entstandene Kunst nicht minderwertig ist, wie es die Bilderstürmer in den »Wechseljahren« lauthals propagierten, und dass die Künstler nach wie vor Gewichtiges vorzubringen haben. In der Ausstellung »60 Jahre – 60 Werke«, die anlässlich der 60-Jahr-Feier des Grundgesetzes im Berliner Gropiusbau stattgefunden hatte, fehlten in der DDR entstandene Arbeiten von Künstlern völlig. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Exposition damals eröffnet. Der Kurator der Schau begründete das Fehlen der »Ostkunst« so: Kunst könne nur in Freiheit gedeihen; in der DDR habe es keine Freiheit gegeben, also auch keine Kunst.
Eine gewaltige Unterdrückungswelle hatte in den Neunzigerjahren eingesetzt; Kunstwerke verschwanden in den Depots der Museen, baugebundene Arbeiten wurden zerstört, übermalt, »eingelagert«, verunglimpft. Dagegen wandte sich der Arbeitskreis Kultur der GBM lange Jahre unter der Leitung von Horst Kolodziej und Peter Michel. Die aufopferungsvolle Arbeit scheint dazu beigetragen zu haben, dass sich in den letzten Jahren ein differenzierterer Umgang mit Kunst aus der DDR durchsetzte. Museen in Rostock, Schwerin, Halle und andernorts, auch kleinere Galerien fielen in den vergangenen zehn Jahren mit einer offenen Haltung gegenüber der im Osten Deutschlands entstandenen Kunst auf. Dort gehören solche Exponate ganz selbstverständlich in die ständigen Ausstellungen. Viele Künstler, die ihre Sozialisierung in der DDR erlebten und nach 1989/90 weiterarbeiteten, sind sich in Haltung und Stil treu geblieben.
In der Werkschau »Zeitzeichen« dominiert Womackas Ölgemälde »Blaue Rose«. Im Vordergrund beweint eine schwarzgekleidete Mutter bestialisch ermordete Menschen, im Hintergrund brennen Häuser. Über allem steht die blaue Rose als Sinnbild der Hoffnung. Dieses Bild entstand 1999 und prangert die Verbrechen der NATO in Jugoslawien an. Die blaue Rose erinnert an die blaue Blume der Romantik; sie steht in ihrer wunderbaren Schönheit im krassen Gegensatz zu dem furchtbaren Geschehen. Sie wurde zum Symbol der GBM.
Den Besucher empfängt im Eingangsbereich Harald K. Schulzes Bild »Looser«, entstanden 2015. Dargestellt werden zwei gewaltbereite Neo-Nazis, deren gekrümmte Arme ein Hakenkreuz bilden. Sie führen eine Fahne mit runenhaften Elementen mit und sind bereit, sofort brutal zuzuschlagen. Daneben zeigt Heidrun Hegewald ihre »Hommage à Käthe Kollwitz/Als Nadine starb« eine großartige Zeichnung von erschütternder Eindringlichkeit und wunderbarer Zartheit. Beide Bilder sind voller Expressivität und bilden in ihrer Aussage einen harten Kontrast.
Wir sehen in der Ausstellung viele hervorragende Werke: Jenny Wiegmann-Mucchis Bronze »Feuer in Algerien« von 1957/58; Achim Kühns Arbeit »Die Gedanken sind frei«, ein gefesseltes Buch aus geschmiedetem und teilgefärbtem Stahl aus seiner Reihe »Stahlbibliothek«, entstanden 2009. Zu bewundern sind Landschaften, Arbeiten zur antiken Mythologie, ein duftiges Blumenstillleben von Günter Brendel, ein allegorisches Nature morte von Wolfram Schubert oder die kostbare Malerei von Heinrich Tessmer – man kommt ins Schwärmen.
Viele der Exponate sind verkäuflich, einige fanden schon ihre Liebhaber. In einem Galeriegespräch am 11. Juli ging es um den aktuellen Umgang mit Kunst aus der DDR und um ein Wiederaufleben der legendären Graphik-Editionen der jungen Welt. Auf das Schaffen einiger Künstler wurde ausführlicher eingegangen. Es war wieder ein interessiertes und wissbegieriges Publikum gekommen, das den Wert der in der DDR entstandenen Kunst zu würdigen wusste und die kommende Generation davon überzeugen kann, dass – nach Dostojewski – »Kunst für den Menschen genauso ein Bedürfnis ist wie Essen und Trinken«.
»Zeitzeichen« bis 30. August, Ladengalerie der jungen Welt, Berlin, Torstraße 6 (Nähe Rosa-Luxemburg-Platz), Montag – Donnerstag 11 – 18 Uhr, Freitag 10 – 14 Uhr, Eintritt frei. In der Sommerpause vom 15. Juli bis 4. August bleibt die Ladengalerie geschlossen.