Das Fremdwort »Phobie« leitet sich aus dem Altgriechischen ab. In der »Poetik« des Aristoteles spielt es eine große Rolle im Rahmen seiner Theorie der Tragödie: Die Aufgabe der Tragödie sei es, durch die Erzeugung von »phobos« (Furcht) und »eleos« (Mitleid) eine reinigende Wirkung im Publikum zu erreichen. Die Bedeutung dieser Stelle, die später insbesondere Gotthold Ephraim Lessing in seiner »Hamburger Dramaturgie« diskutierte, war zwar auch später umstritten. So viel aber scheint klar: Der Begriff der Furcht ist auf dem ursprünglich religiösen Hintergrund der Tragödie zu sehen. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand immer wieder die Hybris (Überhebung) des Menschen gegenüber den Göttern. Deren Rache, die meist grausam und oft sogar unverhältnismäßig grausam war, erregte diesen Schrecken auf der Bühne und sollte eine ethische Reinigung bewirken.
Als Gefühl abseits der religiösen Sphäre tritt der Begriff der Phobie bei Freud auf (»Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben«). Es geht hier um psychologische Symptome und deren Auslöser und Therapie.
In der gegenwärtigen Umgangssprache ist auch viel von Phobien die Rede: Xenophobie, Homophobie, Islamophobie, Russophobie usw., usw.
Interessant ist, wie gemeinhin die Übersetzungen lauten: »Fremdenfeindlichkeit«, »Schwulenfeindlichkeit«, »Islamfeindlichkeit«, »Russenfeindlichkeit«. Es kann kein Zufall sein, dass im Klartext von »Feindlichkeit«, im Fremdwort (inhaltlich) von »Furcht« die Rede ist.
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Hypothese, die Hannah Arendt in ihrem Werk »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« (1955) über den »Rassebegriff der Buren« aufstellt: »(Er) entspringt aus dem Entsetzen vor Wesen, die weder Mensch noch Tier zu sein schienen, und gespensterhaft, ohne alle fassbare zivilisatorische oder politische Realität, den schwarzen Kontinent bevölkerten und überbevölkerten.«
Die liebevolle Empathie, die Hannah Arendt den vermuteten Umständen einer ersten Begegnung von Weißen mit Schwarzen widmet, läuft leider darauf hinaus, das Verständnis für Rassismus zu wecken.
Und genauso funktioniert die Wirkung z. B. des Wortes »Homophobie«: Es ist durchaus möglich, dass manche Menschen Furcht empfinden, wenn sie bewusst einem Schwulen gegenüberstehen. Dies ist aber wohl weder das gängige Empfinden, noch entspricht es der üblichen Verwendung des Wortes. »Homophobie« meint vielmehr »Ablehnung« oder »Hass«. Ähnliches gilt für die genannten und für ähnlich gebildete Komposita.
Fazit: Statt die gemeinte Gefühlsregung zu benennen, wird eine andere – eine, die um Verständnis für die Person, die von ihr ergriffen wird, wirbt – vorgeschoben.
Als besonders perfide fällt dabei die Übersetzung für die »Xenophobie« als »Fremdenfeindlichkeit« auf: Gemeint sind hier nicht etwa Menschen aus einem anderen Ort oder einem beliebigen anderen Land, sondern aus anderen Erdteilen und/oder Kulturen; vorwiegend geht es um Geflüchtete. Die Verbrechen gegen diese »Fremden« werden aber nicht aus »Furcht«, sondern aus Hass verübt.
Mit dieser Interpretationsverschiebung lässt sich auch die nicht minder verharmlosende (Selbst-)Bezeichnung »besorgte Bürger« in Verbindung bringen: Aus der Furcht wird die Sorge, und schon ist das Verständnis für feindselige Haltung und entsprechendes Verhalten in Gang gesetzt.