Ein seltsamer, opaker Begriff. Noch viel seltsamer ist, wie selbstverständlich und widerspruchslos wir ihn verwenden – in unserer sprach-hygienisch doch so allzu strengen Zeit. Ja, das Wort ist, obschon von dunkler Herkunft, überaus positiv besetzt. Es steht für die »höhere Bildung«. Die meisten Eltern sähen ihre Kinder gern auf solcher Schule, deren erfolgreicher Abschluss, so heißt es allenthalben, alle beruflichen Türen öffnet.
Was aber bedeutet das Wort? Ja, es ist griechischer Herkunft – so viel ist richtig –, aber es bezeichnet, merkwürdigerweise, wörtlich einen »Ort, an dem man nackt ist« (gymnos = nackt). Und das ist durchaus buchstäblich zu verstehen: Am griechischen Gymnasium gab sich eine nackte Knabenschar unter Anleitung älterer Herren verschiedenen Leibesübungen hin. Das diente in erster Linie natürlich nicht der Lust, sondern der »Ertüchtigung«. Die männlichen Zöglinge sollten zu gleichberechtigten Bürgern und zu guten Soldaten ausgebildet werden. Und da die Letzteren, die sogenannten Hopliten, nicht in einer gestaffelten Befehlskette standen, sondern »wie ein Mann« handeln sollten, war es wesentlich, eine Art Corpsgeist herauszubilden, der die Nächstenliebe, den Schutz des Nebenmannes, mithin »die Mannschaft« über alles stellt – und damit gewissermaßen ein »demokratisches« Ethos hervorbrachte, das den Zusammenhalt der Gemeinschaft gewährleistet.
Unterhalb dieses »Überbaus« ging es aber in zweiter Linie auch um ganz gewöhnliche Gelüste. Tatsächlich war die Knabenliebe schon bei den im 12. Jahrhundert v. Chr. nach Griechenland einwandernden Dorern eine Institution und stand in der gesamten griechischen Antike in hohem Ansehen, so dass der Philosoph Schopenhauer einmal bemerkte, wenn Sokrates über die Liebe spreche, könne man meinen, es gebe gar keine Weiber (Verzeihung! Der herablassende Sammelbegriff »Weiber« stammt von Schopenhauer, nicht von mir; da müsste man bei Neuauflagen wohl nochmal gründlich ran …).
Noch im 4. Jahrhundert v. Chr. gab es in Griechenland ein Elite-Heer, das aus 150 homosexuellen Paaren bestand. In dieser Heiligen Schar liegen sozusagen die Wurzeln unseres Gymnasiums. Wenn also zuweilen vom »pädagogischen Eros« die Rede ist, wäre dieser Unterbau mitzudenken. In heutige Begrifflichkeit übersetzt ist der Ursprung unseres Gymnasiums ein gesellschaftlich akzeptiertes Institut der Päderastie.