Das Wort von den Investitionen, und soll es gesteigert und bedeutungsvoller werden, von den Zukunftsinvestitionen, und noch einmal stärker, von »Investitionen zu Rettung des Planeten« hat bei zahllosen Linken und Sozialdemokraten einen Heiligenschein verpasst bekommen. Gemälde kann man so malen, um sich zu ergötzen und sich gegenseitig des rechten Glaubens zu vergewissern.
Aber, um ein wenig Wasser in die alten Weinschläuche zu gießen, das Wort macht noch keine wirkliche Welt aus, so wenig wie seit Kant den gedachten 100 Talern reale Taler entsprachen. (Marx hätte Hegel eigentlich nicht mehr vom Kopf auf die Füße stellen müssen.)
Aber Schritt für Schritt, vom Leichtverdaulichen zur Komplexität. Wer ein Wohnhaus baut, wird im Regelfall eine langjährige Finanzierung dafür mit seiner Bank aushandeln. Entwickelt sich das Einkommen unseres Hausbauers normal, wird die Angelegenheit also nach vielen Jahren erledigt sein. Nun sind aus dem Alltag aber genügend Fälle bekannt, dass Arbeitnehmer ihren Wohnort aus beruflichen Gründen wechseln müssen. Die mögliche Nutzungsdauer des Hauses war der Finanzierungsdauer angepasst. Beim Wohnortwechsel kommen hier jetzt aber Probleme ins Haus, weil der Kreditnehmer die Nutzung nicht mehr abrufen kann, sondern das Haus verkaufen muss.
Schön wäre es, wenn es gelänge, einen Verkaufspreis zu erzielen, der über den Restschulden liegt. Eine Gewähr dafür gibt es nicht. Mit dem Wohnortwechsel endet für den Kreditnehmer der Nutzungsstrom, aber nicht die Notwendigkeit, den Kredit zu bedienen. Hier kann sich eine Lücke auftun, die besonders Menschen in strukturschwachen Räumen erleben, die für ihre aufzugebenden Häuser keine Käufer finden.
Man kann hier leicht sehen, dass die Aufnahme von Schulden keineswegs der Weg zum individuellen Erfolg ist. Bedauerlicherweise hat sich im Zeitgeist aber die Meinung festgesetzt, es wäre doch etwas grundsätzlich anderes, alleine oder als Gesellschaft, als Gemeinschaft der Steuerzahler, für die Rückzahlung zu haften. In der SPD wurde jüngst angesichts der Schuldenbremse des Grundgesetzes geradezu von einer »Zuversichtsbremse« gesprochen. Hier verirren die so Sprechenden sich leicht in der Mystik und dem Rausch der Worte.
Ich werde versuchen, es am gegenwärtigen konkreten Fall der Firma Thyssen in Duisburg darzustellen. Thyssen hat Probleme im Stahlbereich und schreibt dort Verluste. Gleichzeitig soll ein zukunftsweisendes Projekt auf die Schiene gesetzt werden, Erzeugung von Stahl über die Verwendung von Wasserstoff. Die Umstellungskosten laufen nach den ersten Planungen bereits aus dem Ruder, so dass die vom Staat zugesagten 2,0 Mrd. Beihilfen für die Transformation nicht ausreichen werden. Thyssen müsste also das Geld für die Vollendung nur eines Hochofens selbst verdienen. Tafelsilber kann man nicht mehr verkaufen, die Aufzugssparte wurde schon vor Jahren verscherbelt und zur Verlustabdeckung verbrannt. Endlos viele Akteure tummeln sich jetzt in Duisburg und wollen mitreden oder geben Aufsichtsratsposten auf, schreiben Briefe und mobilisieren die Stahlkocher.
Ein verlustbringendes Stahlwerk zu verkaufen, gelingt faktisch nicht, denn es wird kein »Gewinn« damit gemacht werden können, vielmehr wird ein Erwerber die von ihm geplanten negativen Kaufpreise fein nach oben rechnen, nicht zuletzt, wenn sich Betriebsrentenverpflichtungen damit verbinden. Der Erwerber wird auch nicht zwingenderweise wissen, wie sich die Stahlmärkte in Zukunft entwickeln werden, und das heißt, wie viel Stahl welcher Güte abgesetzt werden könnte. Als Puffer für solche Ungewissheiten dienen die in Bilanzen ausgewiesenen Eigenkapitalbestandteile, die somit zu solchen Zeitpunkten kein Vermögen darstellen.
Die gegenwärtigen Eigentümer werden ebenfalls nichts über die Stahlmärkte der Zukunft wissen. 1990 bauten Chinesen in Dortmund ein Stahlwerk bis zur letzten Schraube ab und in China wieder auf. Das haben sie jetzt nicht mehr nötig, sie beherrschen nun das Handwerk, stecken unendlich viel Geld in Bildung sowie Forschung und Entwicklung und werden über kurz oder lang die Musik spielen, nach der wir tanzen müssen. Bei politischen Auseinandersetzungen über die Zukunft eines Unternehmens wird schnell nach Gutachtern gerufen, die Statements zu den jeweiligen Zukunftsvorstellungen der Akteursgruppen: Management, Gewerkschaften, besonders in montanmitbestimmten Unternehmen, abgeben sollen. Man kauft sich auf diesem Wege fremdes Wissen ein und erhofft sich mehr Licht für den Nebel der Zukunft. Eine richtige Hilfe ist das aber auch nicht. Unwissenheit und unsichere Zukunft lassen sich in einem Meer von Folien und Grafiken leicht überblenden. Was bunt und mit klingendem Namen daherkommt, muss doch etwas von Gewicht sein, sagen die Emotionen, die damit bedient werden.
Da die Bundesrepublik gegenwärtig dabei ist, durch ihre Gefolgschaft in der Nato die »Musik« der USA gegen China zu unterstützen, wird es auf den dortigen Märkten für deutsche Exporteure enger werden.
Es ist also offen, ob der Staat die 2 Mrd. € je wiedersehen wird aus den Verkäufen des auf neuem technischem Weg hergestellten Stahles, aber die Schulden der Beihilfe werden bleiben, die verflüchtigen sich nicht so schnell wie die hochtrabenden Hoffnungen auf Gewinne und Weltmarktführerschaft eines Stahlwerkes in Duisburg. Ein Nebensatz dazu: Russland musste im Jahr 2000 noch alte Eisenbahnanleihen des Zarenregimes bedienen, um an den internationalen Kapitalmärkten agieren zu können. (Das Kapital ist nicht nur ein scheues Reh, es hat ein besseres Gedächtnis als Elefanten.)
Ich hoffe, es könnte deutlich geworden sein, dass mit dem Begriff der Investition keine Gewissheit über dessen zukünftigen Nutzen gestiftet werden kann. Sicher ist lediglich, dass in der Gegenwart Ressourcen umgeleitet werden und dass die Schulden, also die Belastungen für die Steuerzahler, in die Zukunft verschoben werden. Sicher sind nur die Schulden. Die Funktion schuldenfinanzierter Investitionen besteht mithin lediglich darin, den politischen Streit darüber, welche Wünsche heute und in naher Zukunft befriedigt werden können, zu vertagen und in die Zukunft zu verlagern. Wir wissen aus allen Texten der Steuerlehre, dass Steuern Verteilungswirkungen haben, zum Teil bekannte, zum Teil sehr offene. Mit solchen Aspekten hatten sich schon vor einer Generation die Untersuchungen zur Steuerinzidenz befasst. Wirtschaftliche Akteure haben unterschiedliche Fähigkeiten, ihre Steuerbelastung an andere Akteure weiterzureichen. Wer als erster mit einer Steuer belastet werden soll, ist nicht zwingend derjenige, der die Belastung letztlich zu tragen hat. Wir wissen zudem, dass voll ausgelastete Produktionskapazitäten durch eine wachsende Nachfrage nicht einfach erhöht werden können, so dass im ersten Schritt lediglich Preise steigen und einen Beitrag zur Inflation leisten werden.
Man kann durch heutige Schuldenaufnahme zudem nicht wissen, mit welchen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen man es in Zukunft zu tun haben wird, wenn die Schulden verzinst und getilgt werden sollen. Eine Bundesregierung oder die jeweiligen Regierungen anderer europäischer Länder haben keine Macht über die Höhe der zukünftigen Zinsen. Das liegt nicht nur an der Unabhängigkeit der Europäischen Notenbank, denn diese agiert wieder in einem internationalen Feld.
Ich erlaube mir an die Wiedervereinigung Deutschlands zu erinnern. Oskar Lafontaine hatte Kosten von 50 Mrd. DM genannt und wurde dafür politisch abgestraft. Die Kohl-Regierung hatte die Kosten verschleiert und schließlich 1,0 Billionen DM ausgeben müssen, die als Sockel immer noch durch die Bundeshaushalte geistern. Dagegen helfen dann nur die bezahlten Schönredner oder die Aussagen, man müsse doch nach vorne denken. Schließlich werden orwellsche Sprachmuster benutzt, um aus tatsächlich Schulden oder Ermächtigungen dazu »Sondervermögen« zu generieren.
Ein Staat, der glaubt, seine gegenwärtigen Bedürfnisse und Ideen durch Schulden der nächsten Generation mit aufs Auge drücken zu können, handelt ungerecht, und er vergewaltigt die Freiheitsspielräume eben dieser Menschen, und das alles, bevor noch sicher ist, ob der Beitrag Deutschlands zur Transformation der Ökonomie, also zur »Rettung des Planeten« je eine hinreichende Bedeutung haben wird. Durch Kriege werden endlos viele Aufbauleistungen früherer Generationen zerstört, und flugs entstehen neue Schulden, weil man es kaum verantworten kann, Menschen wieder in Zelte zurückzuschicken, um dort im Winter zu erfrieren.
Und der nächste Krieg im Pazifik kommt bestimmt.