Ein geflügeltes Wort: Ehre, wem Ehre gebührt. Goethe griff dies Wort des Apostels Paulus (Römerbrief 13,7) in satirischer Weise als Zuruf an die Hexe Baubo auf: »So Ehre denn, wem Ehr gebührt! Frau Baubo vor! Und angeführt«, singt der Chor zur Walpurgisnacht im Faust. Respektlos! Die germanische Wortwurzel, die altnordisch eir heißt, steht für ehrfürchtige Scheu und Verehrung, ein kultisch religiöser Begriff. Verwandt ist auch griechisch hierós = heilig. In unserem Wort Ehrfurcht klingt die althergebrachte religiös-pietätvolle Schwingung noch mit.
Späterhin ging die Verwendung ins rein Sittlich-Moralische über: ehrbar, Ehrenmann, Ehre und Gewissen. Ja: Ruhm und Ehre – leider ist viel Missbrauch zu beklagen. Sogar Räuberbanden haben ihren eigenen Ehrbegriff. Die Cosa nostra, wie die Mafia auf Sizilien heißt, wird allen Ernstes als »ehrenwerte Gesellschaft« tituliert. Und schlimmer: Jede Woche ein Ehrenmord in Deutschland!, schrieb voriges Jahr die Presse. Wer die Ehre der Familie beschmutzt, soll sterben, so lauten Aussagen jugendlicher Ehren-Mörder. Die Reste dieser Stammesriten vor-islamischer Zeit finden sich noch immer – nämlich als Strafmilderung beim Ehrenmord – in Gesetzesbüchern Ägyptens, Kuwaits, Katars und anderer Länder. Von den archaischen Kulturen bis hin zu duellierenden Adligen der Neuzeit (siehe Effi Briest!) hat die verletzte Ehre Todesopfer gefordert. Hinzu kommt auch eine Gloriole um den Heldentod auf dem Feld der Ehre, vom Lyriker Horaz († 8 v. Chr.) so formuliert: »Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben.« Er wusste es nicht besser. Die heutigen Feldprediger jeder Konfession sollten es besser wissen.
Nicht die Feldprediger, aber einige andere sog. schmutzige Berufe wurden aus verschiedenen Gründen als »unehrlich« angesehen, das hieß als ehrlos und verächtlich. Dazu gehörten Scharfrichter und Henker, aber auch die Schinder, die Schäfer, fahrendes Volk und, man staune, die Gerichts-Büttel. Kein ehrbarer Mensch gab ihnen seine Tochter zur Frau, in der Schänke saßen sie separat. Erst im 18. Jahrhundert lockerte sich die Ächtung durch kaiserlichen Erlass, indem man die Kindeskinder in der zweiten (!) Genera-tion für zunftfähig und ehrsam erklärte.
Zum fahrenden Volk mit zweifelhafter Ehre gehörten früher die Zigeuner, Scherenschleifer, Quacksalber, Gaukler – und die Schauspieler. Die Gaukler unterhielten als Possentreiber, Komödianten und Zauberkünstler das Publikum, standen aber als Falschspieler, wie später die Hütchenspieler, im Ruf der Betrügerei. Von den Gauklern ging der Ruf auf die wandernden Spielleute und Schauspieler über, denn sie waren ähnliche Illusionskünstler.
Ehrlich währt am längsten. Damit tröstet sich manch Rechtschaffener beim Blick auf die Blender und die Scharlatane, deren Betrügereien (so hofft er) nicht von Dauer sein mögen. Berufsehre ist ein Begriff von Wert. Er beinhaltet, dass man seine Arbeit sauber, sachgemäß und unbestechlich ausübt. Was das letztere betrifft, so stehen einige Branchen heute unter starkem Verdacht. Die Berufsgruppen der Politiker, Banker, Immobilienhaie und Baulöwen haben da schwer zu kämpfen …