Es war mal wieder Karneval. Die einen mögen ihn, die anderen nicht. Die, die ihn mögen, betreiben ihn mitunter fast bis zum Exzess.
In Aachen wurde unlängst zum 73. Mal der »Orden wider den tierischen Ernst« verliehen. Seit 1952 pflegt man dieses Ritual. In den ersten Jahren waren die Ordensträger weniger bekannte Personen. Ab 1957 sollte sich das ändern. Unter den Ordensträgern fanden sich in den Folgejahren Carlo Schmid, Konrad Adenauer oder der damalige österreichische Außenminister Bruno Kreisky. Auch Helmut Schmidt gehörte in seiner Zeit als Bundesverteidigungsminister zu jenem Personenkreis. Ihm folgten unter anderem Hans-Dietrich Genscher, Bernhard Vogel, Norbert Blüm und Franz Josef Strauß, Theodor Waigel, Edmund Stoiber oder Guido Westerwelle. Ab und an ist in dem einen oder anderen Jahr auch ein Schauspieler oder Schriftsteller dabei. Überwiegend sind es aber Politikerinnen und Politiker. Nun mag man darüber nachdenken, warum das so ist und welchen Zusammenhang es zwischen karnevalistischem Humor und Politik geben mag. Mir fiele da manches ein.
In diesem Jahr wurde die gegenwärtige Außenministerin Annalena Baerbock mit dem Preis bedacht. Geduldig musste diese zunächst die spaßigen Ausführungen von Guido Cantz und der als Vampir verkleideten Marie-Agnes Strack-Zimmermann über sich ergehen lassen. Letztere sparte nicht mit Seitenhieben auf den CDU-Chef Friedrich Merz, der im Publikum zu sehen war und das scheinbar gar nicht witzig fand.
20 Minuten vor Schluss der zwei Tage später im Fernsehen übertragenen Verleihungssitzung war es dann endlich so weit. Die aktuelle Preisträgerin wurde auf die Bühne gerufen und wirkte fortan immer ein bisschen wie ein Schulmädchen, welchem der Lehrer gutes Benehmen attestierte. Sie habe alles, »was eine Ritterin von Stand auszeichnet«, verkündete der mit der Verleihung Beauftragte. Die Begründung des Elferrates, sich für Annalena Baerbock entschieden zu haben, lautet wie folgt: Sie habe »sich mit Entschlossenheit und Einfühlungsvermögen, mit Willenskraft und Pragmatismus, Respekt und Vertrauen auf internationaler und nationaler Ebene erworben. Sie hat mit Sympathie und Überzeugungskraft die Herzen der Menschen gewonnen und gerade in diesen schwierigen Zeiten, die vielen Menschen Angst machen, überzeugt sie mit Humor und Menschlichkeit im Amt, zwei wichtigen Werkzeugen im Kampf für Frieden und Hoffnung. Annalena Baerbock bezieht klar Position und spricht die Dinge dabei deutlich an, und es gelingt ihr mit Wortwitz und Schlagfertigkeit feinstes politisches Florett zu schwingen.«
Das war Karneval pur. Beabsichtigt? Unfreiwillig? Ich hatte in diesem Augenblick jedenfalls das Gefühl, feinste Realsatire zu erleben.