Eine Fragestellung, die heute gelegentlich als politisch nicht mehr korrekt angesehen wird. Das impliziere Rassismus. Eine steile These, und um zu prüfen, ob das sein kann, begibt man sich vorzugsweise auf die »Empfängerseite«. Dazu gibt es seit meinem längeren Aufenthalt in Ecuador genug Gelegenheit. Denn klar, man erkennt uns als Ausländer. Das liegt, wie man so schön sagt, an unserem »Phänotyp«, der bei uns nun mal europäisch ist und nicht dem der Ecuadorianer entspricht. Wobei hier schon die erste Einschränkung her muss. Denn ein waschechter Spanier würde hier wohl optisch nicht auffallen, dann eher ob seines Dialektes. Wie ein Bayer in Hamburg eben. Also wir fallen auf. Und wenn meine Frau und ich einkaufen gehen oder sonst wie unterwegs sind, dann kommt man schnell mal ins Gespräch, denn die meisten Ecuadorianer sind sehr freundlich und hilfsbereit. Bewundert wird dann das Spanisch meiner Frau (meins nicht). Und dann kommt sie, die Frage: »Woher kommt ihr?« Es folgt ein reges Gespräch, man stellt fest, dass dieser oder jener Verwandter auch schon in Deutschland war, kennt den FC Bayern München, findet die Sprache schwierig usw. usf. Sie sind neugierig. Sie interessieren sich für uns. Das macht oft Spaß. Und ja, manchmal ist es auch etwas lästig.
Aber ein dezidiertes Nachfragen vermeidet es eben, uns in Schubladen zu stecken. Das wäre ohne weiteres möglich und kommt auch vor, denn für gewöhnlich wird unser »Phänotyp«, unser Kleidungsstil, unser Habitus, unter der Rubrik »Gringos« eingeordnet. Und nein, das ist, zumindest in Ecuador, kein Schimpfwort. Als »Gringos« werden hier für gewöhnlich Leute aus dem Norden bezeichnet, und in der Tat ist Ecuador ein beliebter Rückzugsort für pensionierte US-Amerikaner. Sie wohnen in »Gringolandia«, waschen ihre Wäsche im Waschsalon »Gringo’s Laundry« und geben die »Gringo Post« heraus. Ein entspannter Umgang miteinander und mit sich selbst. Mit diesem Wissen wird man von den Ecuadorianern aber oftmals zunächst in Englisch angesprochen. Sollten wir deswegen beleidigt sein? In den meisten Fällen waren es Interesse und sogar Hilfsangebote, z. B. als wir in strömendem Regen wandern waren und man uns freundlich auf die nächste Bushaltestelle hinwies. Die Alternative wäre Desinteresse.
Nicht fragen zu dürfen, woher einer kommt, verhindert Erkenntnisgewinn auf beiden Seiten. Als rassistisch haben wir die Frage oder die englische Ansprache fast nie empfunden. Klar, manchmal sind die Blicke weniger freundlich, eher geschäftsmäßig, und oft verlangt man von den »Blonden« dann »Gringopreise«, also überhöhte Preise. Denn in ihren Augen sind »Gringos« eben die Reichen aus dem Norden, was auch nicht ganz falsch ist. Das muss ich meines Erachtens akzeptieren oder eben mit ihnen ins Gespräch kommen. Und so sind immer der Kontext, der Tonfall, Mimik, Gestik und die Umstände bei der Frage nach der Herkunft mitentscheidend. Stelle ich sie geringschätzend, ablehnend oder interessiert, einladend. Aber das ist ja auch das Schöne an Sprache. Sie entfaltet ihre Wirkung durch denjenigen, der sie spricht. Die Frage: »Woher kommst du?« per se als rassistisch zu deklarieren, spricht den Menschen den Umgang mit der Sprache ab. Oder um frei aus dem Buch »Der Aufenthalt« von Hermann Kant zu zitieren: »Man kann ›Guten Morgen‹ sagen, dass einem das Blut in den Adern gefriert oder dass einem die Schwellkörper schwellen!«