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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Woher kommst du?

Eine Fra­ge­stel­lung, die heu­te gele­gent­lich als poli­tisch nicht mehr kor­rekt ange­se­hen wird. Das impli­zie­re Ras­sis­mus. Eine stei­le The­se, und um zu prü­fen, ob das sein kann, begibt man sich vor­zugs­wei­se auf die »Emp­fän­ger­sei­te«. Dazu gibt es seit mei­nem län­ge­ren Auf­ent­halt in Ecua­dor genug Gele­gen­heit. Denn klar, man erkennt uns als Aus­län­der. Das liegt, wie man so schön sagt, an unse­rem »Phä­no­typ«, der bei uns nun mal euro­pä­isch ist und nicht dem der Ecua­do­ria­ner ent­spricht. Wobei hier schon die erste Ein­schrän­kung her muss. Denn ein wasch­ech­ter Spa­ni­er wür­de hier wohl optisch nicht auf­fal­len, dann eher ob sei­nes Dia­lek­tes. Wie ein Bay­er in Ham­burg eben. Also wir fal­len auf. Und wenn mei­ne Frau und ich ein­kau­fen gehen oder sonst wie unter­wegs sind, dann kommt man schnell mal ins Gespräch, denn die mei­sten Ecua­do­ria­ner sind sehr freund­lich und hilfs­be­reit. Bewun­dert wird dann das Spa­nisch mei­ner Frau (meins nicht). Und dann kommt sie, die Fra­ge: »Woher kommt ihr?« Es folgt ein reges Gespräch, man stellt fest, dass die­ser oder jener Ver­wand­ter auch schon in Deutsch­land war, kennt den FC Bay­ern Mün­chen, fin­det die Spra­che schwie­rig usw. usf. Sie sind neu­gie­rig. Sie inter­es­sie­ren sich für uns. Das macht oft Spaß. Und ja, manch­mal ist es auch etwas lästig.

Aber ein dezi­dier­tes Nach­fra­gen ver­mei­det es eben, uns in Schub­la­den zu stecken. Das wäre ohne wei­te­res mög­lich und kommt auch vor, denn für gewöhn­lich wird unser »Phä­no­typ«, unser Klei­dungs­stil, unser Habi­tus, unter der Rubrik »Grin­gos« ein­ge­ord­net. Und nein, das ist, zumin­dest in Ecua­dor, kein Schimpf­wort. Als »Grin­gos« wer­den hier für gewöhn­lich Leu­te aus dem Nor­den bezeich­net, und in der Tat ist Ecua­dor ein belieb­ter Rück­zugs­ort für pen­sio­nier­te US-Ame­ri­ka­ner. Sie woh­nen in »Grin­go­lan­dia«, waschen ihre Wäsche im Wasch­sa­lon »Gringo’s Laun­dry« und geben die »Grin­go Post« her­aus. Ein ent­spann­ter Umgang mit­ein­an­der und mit sich selbst. Mit die­sem Wis­sen wird man von den Ecua­do­ria­nern aber oft­mals zunächst in Eng­lisch ange­spro­chen. Soll­ten wir des­we­gen belei­digt sein? In den mei­sten Fäl­len waren es Inter­es­se und sogar Hilfs­an­ge­bo­te, z. B. als wir in strö­men­dem Regen wan­dern waren und man uns freund­lich auf die näch­ste Bus­hal­te­stel­le hin­wies. Die Alter­na­ti­ve wäre Desinteresse.

Nicht fra­gen zu dür­fen, woher einer kommt, ver­hin­dert Erkennt­nis­ge­winn auf bei­den Sei­ten. Als ras­si­stisch haben wir die Fra­ge oder die eng­li­sche Anspra­che fast nie emp­fun­den. Klar, manch­mal sind die Blicke weni­ger freund­lich, eher geschäfts­mä­ßig, und oft ver­langt man von den »Blon­den« dann »Grin­go­prei­se«, also über­höh­te Prei­se. Denn in ihren Augen sind »Grin­gos« eben die Rei­chen aus dem Nor­den, was auch nicht ganz falsch ist. Das muss ich mei­nes Erach­tens akzep­tie­ren oder eben mit ihnen ins Gespräch kom­men. Und so sind immer der Kon­text, der Ton­fall, Mimik, Gestik und die Umstän­de bei der Fra­ge nach der Her­kunft mit­ent­schei­dend. Stel­le ich sie gering­schät­zend, ableh­nend oder inter­es­siert, ein­la­dend. Aber das ist ja auch das Schö­ne an Spra­che. Sie ent­fal­tet ihre Wir­kung durch den­je­ni­gen, der sie spricht. Die Fra­ge: »Woher kommst du?« per se als ras­si­stisch zu dekla­rie­ren, spricht den Men­schen den Umgang mit der Spra­che ab. Oder um frei aus dem Buch »Der Auf­ent­halt« von Her­mann Kant zu zitie­ren: »Man kann ›Guten Mor­gen‹ sagen, dass einem das Blut in den Adern gefriert oder dass einem die Schwell­kör­per schwellen!«