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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wir waren und sind zu dumm

Der Bei­trag von Ger­hard Luhn in Heft 1/​2023 war für mich beson­ders anre­gend. Das Phä­no­men der »gesell­schaft­li­chen Dumm­heit«, das er beschreibt, ist ja auch heu­te wie­der in wei­ten Tei­len der Gesell­schaft zu besich­ti­gen – etwa beim gerin­gen Wider­stand gegen die Kriegs­trei­be­rei der Scholz-Regie­rung im Ukraine-Krieg

Der Groß­va­ter von Ger­hard Luhn, der Sol­dat der Hit­ler-Armee war, kam erst zu die­ser Ein­sicht »Wir waren zu dumm« im Ver­lauf und nach die­sem grau­sa­men Krieg sowie nach acht­jäh­ri­ger Kriegs­ge­fan­gen­schaft auf der Krim. Es brauch­te offen­bar die­se furcht­ba­ren Erfah­run­gen, die ihm zur wah­ren Ein­sicht über die Ver­dum­mung durch die NS-Ideo­lo­gie verhalfen.

Bon­hoef­fer beschreibt in sei­nem Essay »Zehn Jah­re danach« wie »Dumm­heit«, oder wir könn­ten heu­te auch sagen: Ideo­lo­gie, d. h. »ver­kehr­tes Bewusst­sein«, durch »Macht, Ein­fluss und Kon­trol­le« sogar sehr vie­le Men­schen bis heu­te »infi­zie­ren«. Dem wäre hin­zu­zu­fü­gen, dass die öko­no­mi­schen Abhän­gig­kei­ten vie­ler Men­schen dazu füh­ren kön­nen, dass die mei­sten, gezwun­ge­ner­ma­ßen, von Kind­heit an, ler­nen (nach der alten Volks­weis­heit) »des Lied zu sin­gen, des­sen Brot sie essen«. Die­se »infi­zier­te« Gefolg­schaft ist heu­te auch dar­an zu erken­nen, dass die ukrai­ni­schen Macht­ha­ber die­sen Krieg nie­mals ohne die USA-Regie­rung, ohne das Geld und die Waf­fen des Westens sowie die Flücht­lings­hil­fen füh­ren könn­ten! Und dass auch die deut­sche Bevöl­ke­rung hier­zu­lan­de, etwa durch die Gas- und Strom­preis­brem­se usw., nur ruhig­ge­stellt, »infi­ziert« wird, um die­ser idio­ti­schen und ver­bre­che­ri­schen Kriegs-Ideo­lo­gie kaum Wider­stand ent­ge­gen­zu­set­zen. Man stel­le sich vor, was andern­falls ohne die­se Kriegs­hil­fen in der Ukrai­ne, in Deutsch­land und anders­wo los wäre: Die­ser Nato-Krieg könn­te nie­mals gegen die Mas­sen­pro­te­ste der lei­den­den Völ­ker wei­te geführt werden.

Ich glau­be aller­dings nicht, wie Luhn mit Bon­hoef­fer meint: »Nur ein Akt der eige­nen inne­ren Befrei­ung hilft aus der Dumm­heit her­aus (…). Die Ant­wort dazu liegt dabei in jedem von uns ver­bor­gen. Frie­den ist da, sobald wir es zulas­sen, im Gegen­über das zu ent­decken, was uns selbst berei­chern könnte.«

Sicher­lich beginnt »Befrei­ung« und »Frie­den« bei jedem Ein­zel­nen auch dort, wenn er im Gegen­über Res­sour­cen ent­deckt, die ihm hel­fen, sein Leben lebens­wer­ter und glück­li­cher zu machen. Dar­aus erwach­sen sicher­lich gegen­sei­ti­ge Hil­fe, Ach­tung und Respekt.

Aber wir müs­sen nicht erst seit heu­te illu­si­ons­los fest­stel­len: Die toxi­sche Macht des Gel­des und des Kapi­tals dringt ver­gif­tend in jeden von uns, in alle mensch­li­chen Bezie­hun­gen. Die Idio­tie vom Tanz ums »Gol­de­ne Kalb« und die Sehn­sucht nach den »Fleisch­töp­fen« des Westens ist eine pan­de­mi­sche Gefahr ersten Ran­ges: eine Infi­zie­rung durch den glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus. Und wir ver­fü­gen bis­her über kei­ne nach­hal­ti­gen und prä­ven­ti­ven Gegen­mit­tel, über kei­ne aus­rei­chen­den Wider­stands- und gesell­schaft­li­chen Gestal­tungs­kräf­te, die uns in ein neu­es sozi­al-öko­lo­gi­sches Zeit­al­ter, in ein neu­es »Gelob­tes Land« füh­ren könn­ten, wo nicht die Macht des Gel­des und der Pro­fit­ma­xi­mie­rung vor­herr­schend ist.

Des­halb kann es sein, dass erst, wie nach dem 2. Welt­krieg, ein 3. Welt­krieg, eine öko­lo­gi­sche und ato­ma­re Glo­bal­ka­ta­stro­phe die Mensch­heit heim­su­chen muss, ehe die Mehr­heit der Welt­ge­mein­schaft erneut ver­stan­den hat, aus die­sen unvor­stell­ba­ren Schä­den klü­ger zu wer­den, um sich ein­zu­ge­ste­hen: »Wir waren und sind zu dumm!«

Ich war­ne des­halb schon jetzt unmiss­ver­ständ­lich: Wer die Regie­ren­den der Nato wählt oder dul­det, wählt den glo­ba­len Krieg!