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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wir Wärmetauscher

Schon wie­der mag ich eine Sache, die alle has­sen. War­um bin ich immer anders und die ande­ren sind immer gleich? Das ist doch unge­recht. Aber ich sag erst­mal, was es ist, das ich mag: Ich mag Hit­ze. Gleich der Auf­schrei, sobald ich mich zu mei­ner meteo­ro­lo­gi­schen Ori­en­tie­rung beken­ne: Was, Du magst es, dass wir aus­ster­ben? Hit­ze ist Völ­ker­mord! Vor allem ist Hit­ze eklig, da klebt doch alles! Die gan­ze Far­be läuft ins Gesicht und die Scho­ko­la­de ist nicht mehr stückig, son­dern brau­ne, kleb­ri­ge Schmie­re an den Fin­gern, igitt!

Ja gut. Man­che Sachen sind halt eher was für den Win­ter. Das heißt doch nicht, dass eine gan­ze Jah­res­zeit Schei­ße ist, weil man da die­se Sachen bes­ser nicht macht. Hetzt irgend­je­mand gegen den Win­ter, weil man da beim Drau­ßen­schwim­men friert? Nein. Er und sie schwim­men ein­fach drin­nen. Fle­xi­bi­li­tät heißt das Baby. Offen sein für Veränderung.

Ich freue mich jedes Jahr zuerst dar­über, dass es warm wird. Da sind ja auch die mei­sten noch dabei. Aber war­um soll ich mich nicht wei­ter­freu­en, wenn es heiß wird? Das ist der­sel­be Vor­gang, nur inten­si­ver! Mei­net­we­gen freue ich mich auch, wenn das Ther­mo­me­ter im Sep­tem­ber mal unter fünf­und­zwan­zig fällt. So für ein, zwei Tage. Viel län­ger hält mei­ne Fle­xi­bi­li­tät aller­dings nicht. Ganz schlimm fin­de ich, dass es irgend­wann kalt wird. Und von da an fin­de ich das Schlimm­ste, dass es prak­tisch immer nur noch käl­ter und käl­ter wird. Dar­an möch­te ich am lieb­sten gar nicht denken.

Muss ich auch nicht. Es sind sechs­und­drei­ßig Grad heu­te. Wol­ken­los hat der Tag begon­nen. Mitt­ler­wei­le ste­hen die süße­sten Wölk­chen der Him­mels­kon­di­to­rei im Schau­fen­ster. Vögel sin­gen, als wären sie eigent­lich Sän­ger, die na-du-weißt-schon-was machen und sich dabei so freu­en, dass sie sin­gen. Jede ein­zel­ne Blü­te, jedes ein­zel­ne Blatt und vor allem alle Blü­ten und Blät­ter zusam­men DUFTEN! Da hel­fen nur noch Kur­siv und Ver­sa­li­en, sor­ry, Wör­ter kom­men da nicht hin­ter­her. Was ist denn hier los?? schreit die Nase unun­ter­bro­chen, kann nicht fas­sen, dass hin­ter der Foto­ta­pe­te Welt die geil­ste Par­fü­me­rie des Uni­ver­sums Mona­te lang dar­auf gewar­tet hat, zu explo­die­ren. Die Men­schen haben kaum was an und bei der einen Hälf­te von ihnen fällt mir kei­ne der Sachen mehr ein, die sie vor Wochen noch ange­habt haben müs­sen. Ich möch­te an die­se Sachen am lieb­sten auch gar nicht denken.

Muss ich auch nicht. Den­ken ist ohne­hin nicht die Haupt­sa­che, die ich noch betrei­be. Es gibt so vie­les. Den­ken ver­dankt sich einem Man­gel an Gege­ben­hei­ten, zwi­schen denen es assi­stie­rend ver­mit­telt. Wie fran­zö­si­sches Nou­gat zwi­schen Pista­zi­en. Sowas ist bei dem Ange­bot des heu­ti­gen Tages abso­lut über­flüs­sig. Alles wirkt durch sich sel­ber, erklärt sich sel­ber oder gibt dir einen Kuss, nach dem du dich über jede Vor­stel­lung von einer Erklä­rung nur noch kaputt­la­chen kannst.

Da kommt die Wahr­heits­droh­ne ange­brummt, wir­belt hek­tisch mit den Rotor­blät­tern und flü­stert in mein Ohr: Sei still, aber sofort! Nie­mand emp­fin­det wie du. Alle het­zen sie gegen die Hitze.

Ach so? Ja was hat man denn so, als kochen­de Volks­see­le, gegen die Hitze?

Also: Erst­mal das, was oben in die­ser Kolum­ne steht. Dann, dass es nicht deutsch sei. Deutsch­land habe ein deut­sches Wet­ter gehabt und das neue Wet­ter sei aus dem Aus­land nach Deutsch­land ein­ge­wan­dert. Fer­ner, dass die Aus­län­der über­haupt nie mehr weg­ge­hen wer­den, wenn sie auch noch ihr eige­nes Wet­ter bekom­men mit­ten in Deutsch­land. Dann, dass die mei­sten Deut­schen bei dem aus­län­di­schen Wet­ter weg­ster­ben wer­den und dies natür­lich auch so geplant sei. Und schließ­lich, dass das der eigent­li­che Gro­ße Aus­tausch oder Aller­größ­te Aus­tausch von allen, ganz wie man wol­le, sei: der Aus­tausch des Wet­ters. Damit brau­che man das Volk näm­lich nicht wei­ter aus­zu­tau­schen, da es erstens weg­ster­be und zwei­tens inner­lich nicht mehr deutsch sei, son­dern aus­län­disch, sobald es sich gegen das frem­de Wet­ter nicht mehr weh­re, son­dern das­sel­be auch noch gut finde.

Und dar­um: Halt die Schnau­ze von wegen »Ich mag die Hit­ze« und den Scheiß. Petz die Augen zusam­men, guck grim­mig in die Son­ne, schüt­te­le dro­hend dei­ne Faust und rufe aus: »Na war­te, ihr da oben, das Volk sind immer noch wir. Das Wet­ter bestim­men immer noch wir. Für unser deut­sches Wet­ter sind wir sogar bereit, unser Wahl­er­geb­nis an das Ther­mo­me­ter zu bin­den, dero­we­gen rufet alle im Chor:

Durch Hagel, Käl­te, Wind und Regen:

Der blit­ze­blau­en Null entgegen!«